Mit Jobangebot, Bewerbungsgespräch und Arbeitsvertrag ist es nicht getan: Bei der Anwerbung von Pflegefachkräften aus dem Ausland geht es auch um das Lernen einer neuen Sprache, um Bürokratie und höhere Kosten, um kulturelle Unterschiede und um Integration. Das Gütezeichen Faire Anwerbung Pflege Deutschland wurde geschaffen, um interessierten Fachkräften aus Ländern, die nicht zur EU oder EWR gehören, einen fairen und transparenten Anwerbeprozess auf Augenhöhe zu garantieren.
Das versteht sich leider nicht immer von selbst, denn auf dem Markt agieren auch schwarze Schafe, die mit unethischen Geschäftspraktiken Schaden anrichten – zum Nachteil der angeworbenen Menschen und langfristig auch zum Nachteil Deutschlands, wenn es für die dringend benötigten Fachkräfte als Einwanderungsland immer mehr an Attraktivität verliert. So erfüllt das Gütezeichen auch innerhalb Deutschlands einen wichtigen Zweck, denn es fördert die breite Einführung und Einhaltung hoher Qualitätsstandards bei der privatwirtschaftlich organisierten Anwerbung und Vermittlung von Pflegefachpersonal aus dem Ausland.
Staatlich garantierte Vertrauenswürdigkeit
Das Gütezeichen kommt von hoher Stelle: Es wurde entwickelt vom Bundesministerium für Gesundheit und ist in einem eigenen Gesetz zur Sicherung der Qualität der Gewinnung von Pflegekräften aus dem Ausland verankert. Es wird von der Gütegemeinschaft Anwerbung und Vermittlung von Pflegekräften aus dem Ausland beim Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) an selbstanwerbende Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Personalvermittlungsunternehmen vergeben.
„Auch zwei Jahre nach den ersten Erteilungen können wir von einem großen Interesse an der Auszeichnung mit dem Qualitätssiegel für Anwerbeprozesse von Pflegefachpersonen aus Drittstaaten sprechen“, betonte Helmut Kneppe, Vorsitzender der Gütegemeinschaft, kürzlich in einer Mitteilung. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen würden vermehrt bei den privaten Personalvermittlern anfragen, ob sie das Gütezeichen tragen, da eine Zusammenarbeit sonst nicht möglich sei.
Ohne Aufwand geht es nicht
Im Inland scheint sich das Gütezeichen demnach gut etabliert zu haben. An 54 Unternehmen wurde es seit der Einführung im Jahr 2022 vergeben. Es ist freiwillig und muss beantragt werden. Das Nutzungsrecht ist begrenzt, nach zwei Jahren müssen die Träger eine Verlängerung beantragen und sich somit erneut der strengen Prüfung unterziehen.
„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl der finanzielle als auch der zeitliche Aufwand zur Erlangung des Gütesiegels nicht unerheblich sind“, schreibt die Vivantes Forum für Senioren GmbH auf Anfrage von Rechtsdepesche. Jedoch lohnten sich diese Investitionen, denn das Gütesiegel gelte als Nachweis für die Einhaltung fairer, ethisch korrekter und transparenter Anwerbeprozesse sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Personalvermittlerseite.
Das Unternehmen trägt das Gütezeichen seit zwei Jahren und ist Mitglied der Gütegemeinschaft, welche sich als Zusammenschluss besonders qualitätsbewusster Unternehmen beschreibt. Für Vivantes ist das Gütesiegel „von großer Bedeutung“, weil es Engagement und Fairness bestätigt und auch intern ein Qualitätsmerkmal bietet, um eigene Arbeitsprozesse zu prüfen und zu optimieren.
Optimierung im laufenden Prozess
Laufendes Optimierungspotenzial bieten auch die Gütebestimmungen selbst. „Die Gütegemeinschaft ist auf dem richtigen Weg“, schreibt Leon Bauer von der Onea Care GmbH, einer Gütezeichenträgerin der ersten Stunde. Das Unternehmen zählt zu den Gründungsmitgliedern der Gütegemeinschaft. Bauer selbst sitzt im Vorstand und sagt, dass es noch viel zu optimieren gibt und Standards aus der Industrie heraus entwickelt werden müssen.
Im Ausland ist das Gütezeichen seiner Erfahrung nach vor allem in Brasilien bekannt, in anderen Ländern dagegen kaum. Während sich sein eigenes Unternehmen nicht „großartig auf die Prüfung vorbereiten“ musste, weil es schon sehr transparent und prozessorientiert arbeitet, kann er sich „durchaus vorstellen, dass es für kleinere oder anders aufgestellte Agenturen schwieriger ist.“
Ein anderer Befürworter des Gütezeichens, der nicht namentlich genannt werden möchte, bestätigt, dass der Zeitaufwand für Prüfung und Vorbereitung „nicht ohne“ aber nötig sei, wenn man es seriös machen wolle. Ein Spannungsfeld sieht er bei den Kosten.
Kostenfaktor für Personalvermittler und Pflegefachkräfte
Einrichtungen und Personalvermittler, die das Gütezeichen beantragen, müssen Gebühren zahlen: 5.100 Euro pro Prüfung und eine jährliche Nutzungsgebühr. Diese beträgt für Mitglieder der Gütegemeinschaft 600 Euro, Nichtmitglieder zahlen 1.200 Euro. Doch dabei bleibt es nicht.
Faire Anwerbung Pflege Deutschland folgt dem Employer-Pays-Prinzip. Demnach sollten den angeworbenen Fachkräften im Rahmen der Anwerbung keine Kosten entstehen, sondern diese grundsätzlich vom zukünftigen Arbeitgeber getragen werden. In bestimmten Fällen sind gemäß Gütebestimmungen aber auch Rückzahlungsklauseln zulässig.
Der nicht namentlich genannte Befürworter bemängelt die aus seiner Sicht gängige Praxis von einigen Unternehmen einen Eigenanteil von den Pflegekräften einzufordern. Auch wenn die Rückzahlung transparent gemacht und die Pflegekräfte ausdrücklich zustimmen müssten, sei für ihn nicht klar: „Wie soll das eine Fachkraft im Ausland beurteilen?“
Er plädiert für eine offene Diskussion, eine Verschärfung der Gütebestimmungen in dieser Hinsicht lehnt er aber ab. Im Zweifelsfall könnte das dazu führen, dass das Gütezeichen nicht mehr beantragt wird und an Wirkkraft verliert. Am Ende zeigen auch diese Weiterentwicklungen des Gütezeichens, für was es selbst steht: Fairness und Transparenz.
Quelle: KDA, Faire Anwerbung Pflege Deutschland, Anforderungskatalog Gütezeichen