Bei dem Einsatz invasiver Maßnahmen bewegen sich Notfallsanitäter regelmäßig in einer rechtlichen Grauzone.
Bei dem Einsatz invasi­ver Maßnah­men bewegen sich Notfall­sa­ni­tä­ter regel­mä­ßig in einer recht­li­chen Grauzone. Bild: Illus­tra­tion 151288994 © Idambeer – Dreamstime.com

Der Deutsche Berufs­ver­band Rettungs­dienst (DBRD) fordert mehr Rechts­si­cher­heit für die Tätig­keit von Notfall­sa­ni­tä­tern. Konkret geht es dabei um den Einsatz invasi­ver Maßnah­men, die durch das Heilprak­ti­ker- und Betäu­bungs­mit­tel­ge­setz ausschließ­lich Ärzten vorbe­hal­ten sind. Gleich­wohl wird der Einsatz dieser Maßnah­men aber expli­zit durch das 2014 in Kraft getre­tene Notfall­sa­ni­tä­ter­ge­setz einge­for­dert, um Leben von Patien­ten zu retten und Folge­schä­den zu vermei­den.

Zu invasi­ven Maßnah­men gehören beispiels­weise die Linde­rung von starken Schmer­zen, die Behand­lung schwers­ter Atemnot und auch die Regulie­rung des Blutzu­ckers, die Behand­lung mit Sauer­stoff oder auch erwei­terte Wieder­be­le­bungs­maß­nah­men.

Werden diese Maßnah­men bei entspre­chen­der Indika­tion nicht durch­ge­führt, können sich Notfall­sa­ni­tä­ter wegen unter­las­se­ner Hilfe­leis­tung straf­bar machen – in solchen Fällen bewegen sie sich also nahezu täglich in einem rechts­freien Raum. Häufig treten die Notfall­sa­ni­tä­ter noch vor dem Notarzt ein. Bislang wird die Proble­ma­tik häufig im Rahmen des recht­fer­ti­gen­den Notstands (§ 34 StGB) gelöst. Voraus­set­zung dafür ist, dass der Zustand des Patien­ten derart bedroh­lich ist, dass das Warten auf den Notarzt nicht möglich ist.

Der Deutsche Berufs­ver­band Rettungs­dienst startete Protest­ak­tion

Im Kampf um mehr Rechts­si­cher­heit für Notfall­sa­ni­tä­ter hat der DBRD daher Anfang Juni seine mehr als 9.000 Verbands­mit­glie­der sowie weitere Rettungs­dienst­mit­ar­bei­ter, Ärzte und andere Unterstützer dazu aufge­ru­fen, eine Protest­post­karte oder Protest-E-Mail an die CDU-Mitglie­der des Gesund­heits­aus­schus­ses zu schicken. „Wir brauchen keinen Applaus in Krisen­zei­ten, sondern endlich die notwen­dige und längst überfällige Unterstützung, um diesen tollen Beruf rechts­si­cher ausüben zu können, so wie jeder andere Berufs­tä­tige auch“, so Marco K. König, 1. Vorsit­zen­der des DBRD.

Im Novem­ber 2019 ging zudem das YouTube-Video „Der Kranken­wa­gen­be­la­de­meis­ter“ viral, in dem ein Sanitä­ter, darin „Felix Peter“ genannt seinen Frust über genau diese Proble­ma­tik mit Gesang und Ukelele zum Ausdruck brachte, worauf er auch prompt eine musika­li­sche Antwort von „Doc Caro“ bekam.

Cartoon
Cartoon zur Proble­ma­tik um die Rechts­si­cher­heit von Notfall­sa­ni­tä­tern. Bild: © medi-learn

Ärzte­ver­bände sehen Kompe­tenz­er­wei­te­rung kritisch

Die unbegrenzte Übergabe (Substi­tu­tion) dieser ärztli­chen Tätig­kei­ten auf Notfall­sa­ni­tä­ter wird von ärztli­chen Inter­es­sen­ver­tre­tern aller­dings stark kriti­siert. So erklärte beispiels­weise die Bundes­ärz­te­kam­mer in einer Stellung­nahme vom 30. Januar 2013, dass sie sich zwar deutlich für die Schaf­fung klarer recht­li­cher Rahmen­be­din­gun­gen für Notfall­sa­ni­tä­ter ausspre­che.

Dem Gesetz zufolge dürften Notfall­sa­ni­tä­ter jedoch diese heilkund­li­chen Tätig­kei­ten zeitlich unbegrenzt ausfüh­ren, also nicht nur um bis zum Eintref­fen des Notarz­tes einer Verschlech­te­rung der Situa­tion der Patien­ten vorzu­beu­gen. Dies würde zur Überfor­de­rung der Notfall­sa­ni­tä­ter führen und sei ihrem Ausbil­dungs­grad (auch nach der Ausbil­dungs­ver­län­ge­rung auf drei Jahre) nicht entspre­chend.

Selbst Ärzte würden diese Maßnah­men insbe­son­dere bei Notfall­pa­ti­en­ten erst nach zusätz­li­cher Quali­fi­ka­tion und mehrjäh­ri­ger Berufs­er­fah­rung durch­füh­ren. In dieser Kompe­tenz­er­wei­te­rung sehe die Kammer keine Lösung für die Heraus­for­de­run­gen im Zusam­men­hang mit der notfall­mä­ßi­gen Patien­ten­ver­sor­gung.

Bayern: Bestimmte ärztli­che Tätig­kei­ten dürfen übernom­men werden

Seit dem 1. Dezem­ber 2019 dürfen in Bayern bestimmte ärztli­che Aufga­ben von Notfall­sa­ni­tä­tern übernom­men werden. So dürften sie beispiels­weise bei vorge­ge­be­ner Indika­tion einen Zugang legen, vorge­ge­bene Mengen Schmerz­mit­tel als Kurzin­fu­sion geben sowie eine Vollelek­tro­lyt­lö­sung anschlie­ßen, ohne dass sie eine vorhe­rige ärztli­che Anwei­sung dazu erhal­ten.

Quelle: DBRD, BÄK