Gewalttätige Attacken sind für viele Pflegekräfte ein ebenso unschöner wie regelmäßiger Teil ihres Arbeitsalltags. Viele Pflegende werden häufig Opfer von Angriffen durch Patienten. Ob körperliche Angriffe, Beschimpfungen oder Drohungen – die Formen der Übergriffe sind vielfältig.
Seit 2018 kein Rückgang der Gewalt gegen Pflegekräfte
Die Situtation ist seit Jahren bekannt. Bereits im Jahr 2018 dokumentierte die Angriffe durch Patienten. In einer Umfrage unter 81 Betrieben bestätigten 79,5 Prozent der 1.984 Teilnehmer, im Berufsalltag verbale oder körperliche Attacken erlebt zu haben.
Auch eine Umfrage von 2021 zeigt ein fast identische Ergebnis. Die ehemalige Pflegerin Kathrin Hüster und die Polizistin Ramona Thiem hatten auf Twitter eine selbst erstellte Online-Umfrage verbreitet, an der zwischen April und August 2021 1.066 Menschen aus dem Klinikbereich teilgenommen haben. 80 Prozent der Teilnehmenden gaben an, im Rahmen ihrer Arbeit körperlich angegriffen worden zu sein. Zwar ist die Umfrage nicht repräsentativ, die Übereinstimmung der Zahlen gibt aber trotzdem zu denken.
Angriffe nehmen in der Pandemie zu
Die Gewerkschaft Verdi beobachtet seit Beginn der Coronapandemie eine Zunahme von Übergriffen auf Pflegekräfte. Patienten reagierten zunehmend aggressiv und ungehalten, vor allen bei der Durchsetzung coronabedingter Hygiene-Maßnahmen wie Isolation, Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht oder bei PCR-Tests, sagte Grit Genster, Verdi-Expertin für den Bereich Gesundheitswesen. Auch mit Angehörigen komme es öfter zu Auseinandersetzungen.
Corona ist offensichtlich für viele Patienten ein Reizthema. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund berichtet von Drohungen gegen Ärztinnen und Ärzte, vor allem, wenn diese für die Impfung gegen COVID-19 werben. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte über eine Zunahme von Gewalt und körperlichen Übergriffen berichtet. Die Behörde schätzt Impfgegner und Corona-Leugner als „relevantes Risiko“ für mit der Impfung betrautes medizinisches Personal ein. Für dieses „besteht die Gefahr zumindest verbaler Anfeindungen bis hin zu Straftaten wie etwa Körperverletzung“, so das BKA.
Wie können Einrichtungen ihre Pflegekräfte schützen?
Ein wirksamer Schutz für Pflegekräfte kann ein Deeskalationstraining sein, in dem Pflegenden beigebracht wird, kritische Situationen frühzeitig zu erkennen und angemessen zu reagieren. Auch kann eine Änderung der Abläufe in Einrichtungen günstig sein: Wenn es zum Beispiel durch Wartezeiten bei der Essensausgabe regelmäßig zu Konflikten kommt, lohnt es sich, nach möglichen Lösungen zu suchen.
In akut gefährlichen Situationen können Panikknöpfe helfen, schnell Notfallmaßnahmen einzuleiten. Auch Fluchtmöglichkeiten sind wichtig, genauso wie Rückzugsräume und ausreichende Beleuchtung.
Ursachen für Gewalt gegen Pflegekräfte
Abgesehen von der zunehmenden Radikalisierung einiger Impfgegner gibt es vielfältige Ursachen für Angriffe gegenüber Pflegekräften. Manchen Patienten leiden an psychischen Krankheiten, andere haben Alkohol- oder Drogenprobleme. Auch im Rahmen einer Demenz können gewalttätige Übergriffe geschehen.
Andere Ursachen hängen mit den schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege zusammen. Pflegende sind oft allein mit den Patienten, da zu wenig Personal verfügbar ist. Die Zeit, sich auf die Patienten einzulassen – und so eventuell eine Situation zu entschärfen – ist oft nicht da. Solange also der Mangel an Fachkräften im Pflegeberuf fortbesteht, kann man nur hoffen, dass für eine Deeskalation auch genug Zeit bleibt.