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Patientin attackierte Personal
Fixierung gerechtfertigt? Eine Frau leidet an einer schizoaffektiven Störung und ist deshalb auf der psychiatrischen Station eines Krankenhauses untergebracht. Weil sich ihr Zustand zunehmend verschlechtert hatte, beantragte das Ordnungsamt ihre sofortige Unterbringung nach dem PsychKG. Diese Art der Unterbringung ist für Menschen mit psychischen Erkrankungen gedacht, die häufig gegen den Willen der Person erfolgt.
Am selben Tag hat das Betreuungsgericht die Patientin angehört und anschließend die entsprechende Unterbringung für mehrere Wochen angeordnet.
Die Ärzte beschrieben die Frau nach der Anhörung als dekompensiert. Sie habe sich nackt ausgezogen, sei über die Flure gerannt, habe ihr Geschlechtsteil präsentiert und Mitarbeitende attackiert. Aus diesem Grund wurde die Patientin am späten Abend und in der Nacht erneut 5‑Punkt-fixiert.
Auf Bitten des Richters wurde die Fixierung nach mehreren Telefonaten am Morgen darauf vorübergehend gelöst. Die Frau fiel allerdings in ihre auffälligen Verhaltensmuster zurück, weshalb sich die Verantwortlichen nochmals an das Gericht wandten, um die Genehmigung einer neuen Fixierung zu beantragen.
Erneut Fixierung nicht zulässig
Das Amtsgericht Arnsberg beschloss schließlich, den Antrag auf Genehmigung einer 5‑Punkt-Fixierung zurückzuweisen, weil die nötigen Voraussetzungen nicht gegeben waren.
Das Gericht weist in seiner Entscheidungsbegründung darauf hin, dass eine Fixierung gemäß §20 Abs. 1 S. 1 PsychKG NRW nur dann zulässig ist, wenn sie „zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Selbstgefährdung oder einer gegenwärtigen erheblichen Gefährdung besonderer Rechtsgüter Dritter“ eingesetzt wird.
Zweifel gebe es seitens des Gerichts daran, ob das Verhalten der Patientin, egal wie unangenehm es für das Personal auch gewesen sein mag, eine erhebliche Fremdgefährdung darstelle. Die Patientin ist 59 Jahre alt, 170 cm groß und eher von hagerer Statur, worüber sich das Gericht durch die Anhörung selbst einen Eindruck machen konnte. Zudem seien ihre Bewegungsabläufe eher langsam. Daher sei es für das Gericht fraglich, ob sie bei Angriffen innerhalb der Einrichtung andere Personen massiv gefährden könnte.
Auch wenn ihr Verhalten für die Betroffenen und rückblickend auch für sie selbst schambehaftet sein dürfte, stelle dieser Umstand – im Vergleich zu einer Fixierung – das kleinere Übel dar.
Fixierung nicht das mildeste Mittel
Ohnehin sei es für das Gericht nicht erheblich, ob die Patientin tatsächlich eine Gefahr für andere darstelle, da eine potenzielle Gefährdung nicht nur durch eine Fixierung verhindert werden könne, sondern auch durch andere Mittel, die weniger drastisch seien.
So könnte die Patientin auch in einem Kriseninterventionsraum vorübergehend abgesondert werden. Eine solche Maßnahme bedürfte auch keiner erneuten richterlichen Genehmigung. Hierbei weist das Gericht daraufhin, dass durchaus bekannt ist, dass das Krankenhaus nicht über einen solchen Raum verfügt. Allerdings kam es schon seit mehreren Jahren immer wieder zu Erörterungsgesprächen diesbezüglich mit Entscheidungsrichtern und dem Krankenhaus.
Überdies habe das Krankenhaus auch mit den vorhanden Mitteln die Möglichkeit Gefahren abseits einer Fixierung abzuwenden. Beispielsweise hätte die Patientin auch einfach in einem normalen Patientenzimmer eingeschlossen und zusätzlich beobachtet werden können. Dass die Patientin auch für sich eine Gefahr darstelle, sei für das Gericht nicht ersichtlich.
Leitsatz
Die Fixierung ist ein massiver, körperlicher und seelisch äußerst belastender Eingriff, der für die Betroffenen traumatische Folgen haben kann und deshalb ohne Rücksicht auf etwaige Gewohnheiten, Widmungen oder anderem nur äußerst vorsichtig und nach (erfolglosem) Ausschöpfen anderer Mittel eingesetzt werden darf.
Auch wenn es Bedenken seitens des Personals geben würde, ob die Patientin nicht doch eine Gefahr für sich selbst darstellen könnte, so sei diese Maßnahme zumindest auszuprobieren, sofern sie erfolgversprechend und deeskalierend ist. Würde sich dann zeigen, dass sich die Patientin im Zimmer tatsächlich selbst verletzt, dann könnte erneut über einer Fixierung nachgedacht werden.
Quelle: Amtsgericht Arnsberg vom 29.09.2024 – 46b XIV(L) 279/24