Gemeindeschwestern? Wer soll das sein? Eine mobile Pflegekraft, die hochbetagte, jedoch noch nicht pflegebedürftige Menschen vorwiegend ab 80 Jahren zu Hause besucht, ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht, mit Ansprechpartnern für alle Lebenslagern zur Stelle ist. Die die Senioren anregt, Gesundheitsvorsorge zu betreiben und Präventionsangebote wahrzunehmen und sie auf Freizeit- und Gruppenangebote in ihrem Lebensumfeld aufmerksam macht.
Projekt nun auch in NRW
Die Möglichkeiten und Tricks kennt, die eigene Wohnung oder das eigene Haus barrierefrei und seniorengerechter zu gestalten. Und somit, alles in allem, dafür sorgt, dass sie auch in den nächsten Jahren fit und selbstbestimmt bleiben: Das ist, in Kurzform gesagt, die Aufgabe der „Gemeindeschwestern Plus“.
Nun soll das Projekt auch bei den nördlichen Nachbarn Schule machen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland NRW: Im Gesundheitsausschuss des NRW-Landtags wird derzeit diskutiert, den Einsatz sogenannter Gemeindeschwestern Plus auch „zwischen Rhein und Weser“ zu erproben. Initiatoren sind die in NRW oppositionelle SPD sowie der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) Nordwest, der das Vorhaben unterstützt.
Gemeindeschwestern plus verfügen über lange Berufserfahrung
Die Gemeindeschwestern Plus verfügen jeweils über eine jahrelange Berufserfahrung in der Alten- oder Krankenpflege – und können natürlich sowohl weiblich als auch männlich sein. Seit Juli 2015 gibt es das Modell in Rheinland-Pfalz, damals als dreieinhalbjähriges Pilotprojekt, komplett vom Land finanziert. Damals waren drei Landkreise und zwei kreisfreie Städte beteiligt.
„Mit diesem Projekt knüpft die Landesregierung an die guten Erfahrungen der Menschen mit der Gemeindeschwester aus den 1950er- und 1960er-Jahren an. Auch die damalige Gemeindeschwester kümmerte sich insbesondere um die älteren Menschen im häuslichen Bereich“, so die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer zum damaligen Start des Modellversuchs.
Wissenschaftler stimmen zu
Bei der wissenschaftlichen Evaluierung durch das Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Universität Köln kamen die Autoren im Juli 2018 zu einer durchweg zustimmenden Bilanz: „Das Fazit ist grundsätzlich positiver Art. Es ist an der Grundidee solcher lokalen Strukturen zur Generierung nachhaltiger Sozialraumentwicklung als konstitutives Element der kommunalen sozialen Daseinsvorsorge fachwissenschaftlich und fachpolitisch kaum zu zweifeln“, heißt es im Abschlussbericht.
Es gelte jedoch, auf lokale oder regionale kulturelle Besonderheiten Rücksicht zu nehmen, auch erfordere das Konzept die Unterstützung und Bereitschaft der Beteiligten in den Pflegestützpunkten.
Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz verzeichnete großes Echo
Weil das Modell so erfolgreich war, schlossen sich ab 2019 die im Bundesland tätigen gesetzlichen Krankenkassen in der Finanzierung des Angebots an. Mittlerweile gibt es die Gemeindeschwestern Plus in insgesamt 19 kreisfreien Städten und Landkreisen, darunter in der Landeshauptstadt Mainz, in Koblenz, Kaiserslautern und Speyer sowie in einigen Kreisen der größtenteils ländlich geprägten Regionen Eifel, Hunsrück und Südpfalz.
Darüber hinaus haben sich einzelne kreisangehörige Kommunen und Verbandsgemeinden selbstständig dem Projekt angeschlossen, so etwa die Regionalmetropole Montabaur im Westerwald. „Das Projekt Gemeindeschwester plus hat für Rheinland-Pfalz große Bedeutung – es ist ein Leuchtturm“, lobt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. „Es hat Vorbildcharakter für ganz Deutschland erlangt.“ Im Sommer 2022 sollen die Ergebnisse der Evaluation der Fortsetzungsphase des rheinland-pfälzischen Projektes vorliegen.
Kompetenzerweiterung der Pflegetätigkeit
Zurück nach NRW: Bereits Anfang September 2021 hatte die SPD hier einen Antrag „Prävention und soziale Teilhabe von Seniorinnen und Senioren stärken! Pflegebedürftigkeit und Vereinsamung strukturell entgegenwirken! Gemeindeschwester Plus in NRW erproben“ eingereicht, der unter anderem eine Erprobung des Konzepts der Gemeindeschwestern Plus vorsieht. Nach den Vorstellungen der Sozialdemokraten soll das Modell gezielt in ländlicheren Regionen des Bundeslandes erprobt werden.
„Das Modell der Gemeindeschwester sollte in NRW genutzt werden, um die Vernetzung und Abstimmung der verschiedenen Versorgungsebenen zu verbessern, eine Kompetenzerweiterung der Pflegetätigkeit anzustoßen sowie die Prävention und die Gesundheitskompetenz der Bürgerinnen und Bürger zu stärken“, so das Antragsteller-Quartett um Fraktionschef Thomas Kutschaty, der zur kommenden Landtagswahl im Mai 2022 als Spitzenkandidat seiner Partei antritt.
Angesichts der Tatsache, dass rund 80 Prozent der knapp eine Million Pflegebedürftigen in NRW zuhause versorgt werden, bedürfe es rechtzeitiger präventiver Hilfe, zitiert die Westdeutsche Zeitung den SPD-Gesundheitsexperten Josef Neumann. Wenn die Landesregierung nach der Landtagswahl im Mai wechseln solle, werde man das Projekt von Regierungsseite aus verfolgen, kündigte er zudem an.