Am Arbeitsplatz erscheinen, obwohl man eigentlich krank ist – das ist in der Pflege verbreitet, auch unter leitenden Angestellten und Führungskräften. Eine Befragung des AOK-Bundesverbandes unter Pflege-Führungskräften, wie Heimleitungen, Pflegedienstleitungen oder Stationsleitungen, macht dies überdeutlich: 36 Prozent der Befragten seien im vergangenen Jahr in einem oder mehreren Fällen zur Arbeit gegangen, obwohl sie sich richtig krank gefühlt hätten. 23 Prozent von allen Befragten taten dies sogar gegen den ausdrücklichen ärztlichen Rat.
Auch ihre Genesung nach einer Erkrankung haben laut eigener Aussage zahlreiche der befragten Pflege-Führungskräfte verschleppt. 38 Prozent nutzten hierfür das Wochenende, anstatt sich auf der Stelle zu schonen. 10 Prozent der Befragten nahmen sogar eigens Urlaub, um sich nach einer Krankheit erholen zu können. Als Hauptgründe für den sogenannten Präsentismus – Anwesenheit im Betrieb um jeden Preis, auch der eigenen Gesundheit – führten 44 Prozent der Befragten Pflichtbewusstsein, Verantwortungsgefühl und das Wahrnehmen einer Vorbildfunktion an, die sie als Führungskraft hätten.
Für 23 Prozent war der allgemeine Personalmangel ein ausschlaggebender Grund, für 16 Prozent die hohe Arbeitsbelastung oder dringend zu erledigende Terminarbeiten. 12 Prozent nannten eine fehlende Vertretung als Beweggrund.
Fehler- und Unfallrisiko steigt nachweislich an
Dabei birgt das Arbeiten trotz Krankheit eine Reihe von Risiken. Nicht nur, dass man Gefahr läuft, weitere Kolleginnen und Kollegen oder Patienten bzw. Bewohner anzustecken, und man die eigene Erkrankung verschleppt. „Auch das Fehler- und Unfallrisiko steigt nachweislich. Gerade in der medizinischen und pflegerischen Versorgung können Fehler schwere Konsequenzen nach sich ziehen und kranke und pflegebedürftige Menschen in Gefahr bringen“, betonte der AOK-Bundesvorstand Martin Litsch. Die Coronapandemie mit ihrem gestiegenen Arbeitsanfall sowie den Ausfällen aufgrund von Infektions- oder Quarantänefällen im Kollegenkreis habe den Trend zum Präsentismus der Führungskräfte sogar noch verstärkt.
Über 500 Führungskräfte geben Auskunft
Die Umfrage-Ergebnisse hatte der AOK-Bundesverband zum Deutschen Pflegetag 2021 in Berlin veröffentlicht. In der repräsentativen Erhebung von Juli 2021 hatten 500 Leitungskräfte aus Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern teilgenommen. Auf die Ergebnisse will der AOK-Verband mit einer bundesweiten Initiative zur Betrieblichen Gesundheitsförderung in der Pflege reagieren, und somit dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in der Pflege zu verbessern.
Eine wertschätzende Unternehmenskultur in Firmen oder Institutionen, die es ihren Beschäftigten „gestatte“, auch mal krank zu sein und sich zu erholen, sei enorm wichtig. Auch Fort- und Weiterbildungen, die das Gesundheitswissen und damit die Ressourcen der Beschäftigten stärken, wirkten sich positiv aus. Mit seinem Programm Pflege.Kräfte.Stärken. will der Kassenverband ebenfalls die betriebliche Gesundheitsförderung verbessern.
Außerdem arbeitet die AOK im Rahmen des Forschungsprojekts „CARE4CARE“ mit der Beuth-Hochschule für Technik Berlin, der Leuphana-Universität Lüneburg, der Technischen Hochschule Lübeck und der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg zusammen. Auch hier geht es um Gesundheitsförderung und Prävention für die in der Pflege Beschäftigten.