Die beiden Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung. Die Klägerin, eine Krankenpflegerin, war seit 2016 bei einem ambulanten Pflegedienst der Beklagten tätig. Seit dem 5. Februar 2018 betreute sie eine Patientin, der sie zweimal täglich Insulin zur Kontrolle des Blutzuckerspiegels gab. Zwei Wochen darauf fuhren sie zusammen zu einer Bank. Die Patientin hob 800 Euro von ihrem Konto ab und übergab diese der Krankenpflegerin. Von dieser Handlung berichtete die Tochter der Patientin dem Pflegedienstleiter eine Woche später, so die Beklagte.
Im Arbeitsvertrag der Pflegerin gelten die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages für die Angestellten im Bereich der evangelischen Kirche von Westfalen (BAT-KF). Darin heißt es in § 3 Absatz 2:
„Die Mitarbeitenden dürfen von Dritten Belohnungen, Geschenke, Provisionen oder sonstige Vergünstigungen in Bezug auf ihre Tätigkeit nicht annehmen. Ausnahmen sind nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Werden den Mitarbeitenden derartige Vergünstigungen angeboten, haben sie dies dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen.“
Pflegerin behauptet, keinen wirtschaftlichen Vorteil durch das Darlehen zu haben
Mit Schreiben vom 7.3.2019 teilte die Pflegedienstleitung der Mitarbeitervertretung die Absicht zur außerordentlichen Kündigung der Krankenpflegerin mit. Sie habe sich von der Patientin 800 Euro „erschlichen“. Mit einem weiteren Schreiben ersuchte sie die Mitarbeitervertretung um Zustimmung zur ordentlichen Kündigung und einen Tag später sprach sie der Krankenpflegerin die fristlose Kündigung aus. Gegen diese Kündigung richtete sich die Klage der Pflegerin vor dem Arbeitsgericht Herford.
Ende März schloss sie mit der Patientin einen schriftlichen Darlehensvertrag über einen Geldbetrag von 600 Euro ab, 200 Euro habe sie zu dem Zeitpunkt bereits zurückgezahlt. Eine Verzinsung war nicht vorgesehen, das Geld sollte in zwölf Monatsraten à 50 Euro zurückgezahlt werden.
Es kam erneut zu weiteren Kündigungsschreiben, die ebenso beim ArbG Herford angegriffen wurden. Die Klägerin machte deutlich, das Geld sei dafür da gewesen, um die Renovierung der Einliegerwohnung der Patientin zu bezahlen. In diese sollte die Krankenpflegerin nämlich einziehen.
Die Klage wurde von dem ArbG Herford abgewiesen (Az.: 1 Ca 275/18). Dagegen legte die Klägerin Berufung vor dem LAG Hamm ein. Sie behauptet, durch das Darlehen keinen wirtschaftlichen Vorteil zu haben, da sie das Geld schließlich wieder zurückzahlen müsse.
Berufung erfolglos – Kündigung rechtswirksam
Laut des LAG Hamm habe das ArbG Herford die Klage zurecht mit treffender Begründung abgewiesen. Zugunsten der Klägerin geht das Gericht davon aus, dass die Krankenpflegerin das Geld darlehensweise erhalten hat. Der Grund war, wie sich später herausstellte, die Begleichung einer Krankenhausrechnung des Ehemannes der Klägerin. Diese wollte sie mit dem Darlehen bezahlen. Der Verwendungsgrund ist jedoch unerheblich. Die Kündigung ist insofern gerechtfertigt, da die Krankenpflegerin sich durch das Darlehen einen Vorteil in Bezug auf ihre Tätigkeit verschaffte.
Dieser Bezug ergibt sich daraus, dass sie und die Patientin sich nur über den beruflichen Weg kennen. Die Aussage, sie habe durch das Darlehen keinen wirtschaftlichen Vorteil, ist falsch. Ein solch zinsloses Darlehen mit freier Entscheidung über die Rückzahlungsmodalitäten ist mit diesen Konditionen im Markt nicht verfügbar. Des Weiteren verletzt die Klägerin den im Vertrag festgehaltenen § 3 Absatz 2 BAT-KF (siehe oben). Der Paragraph sorgt im Normalfall dafür, dass Pflegekräfte nicht in Versuchung geraten, Vergünstigungen von ihren Patienten anzunehmen. Es besteht die Gefahr, dass die Arbeitnehmer dadurch in einen Loyalitätskonflikt geraten und die entsprechenden Patienten den anderen vorziehen, oder sie zum Zwecke ihrer privaten Bedürfnisse ausnutzen.
Die Klägerin erhielt in diesem Fall von einer dritten Person einen wirtschaftlichen Vorteil, der über die Lohnzahlung hinaus reicht. Ebenso verletzte sie ihre Pflicht, den Arbeitgeber über das Darlehensangebot der Patientin zu informieren. Der Betrag geht weit über das hinaus, was als „kleine“ Aufmerksamkeit anzusehen ist. Die Krankenpflegerin hat damit ihre vertraglichen Nebenpflichten verletzt und zudem die Vertragsbeziehung der Beklagten zur Patientin gestört.
Das Auflösungsinteresse des Arbeitsverhältnisses seitens der Beklagten ist nach Interessenabwägung erheblich vorrangiger als das Interesse der Weiterbeschäftigung seitens der Klägerin. Verletzt der Arbeitnehmer seine vertraglichen Vorgaben, so stellt dies einen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB dar. Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle: LAG Hamm vom 20. Dezember 2018 – 18 Sa 941/18 = RDG 2019, S. 186–189.