Das Spannungsverhältnis: Freiheit versus Schutz
Demenziell erkrankte Menschen verlieren oftmals ihre Fähigkeit, Risiken selbstständig zu erkennen. Maßnahmen wie Fixierungsgurte, Bettgitter oder die Wegnahme von Hilfsmitteln zur Fortbewegung können notwendig erscheinen, um Stürze oder andere Gefahren abzuwenden.
Diese Einschränkungen der Bewegungsfreiheit stehen jedoch im Konflikt mit dem grundrechtlich geschützten Recht auf Fortbewegungsfreiheit gemäß Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 GG. Es entsteht mithin eine Gratwanderung zwischen dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit, welches ebenfalls grundrechtlich in Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG geschützt ist und dem vorbezeichnet erwähnten Recht auf Fortbewegungsfreiheit.
Rechtliche Problemstellungen und Haftungsrisiken
Das Haftungsrecht sieht vor, dass Pflegeeinrichtungen und Kliniken Maßnahmen ergreifen, um Patienten zu schützen, ohne dabei unverhältnismäßig in deren Freiheit einzugreifen.
Im Falle eines Sturzes kann es zu Schadensersatzforderungen kommen, wenn nachweislich keine ausreichenden Vorkehrungen zum Schutze der Bewohner getroffen wurden. Hierbei kommt es auf die Erforderlichkeit und Angemessenheit der schützenden Maßnahmen an. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM), die zum Beispiel zur Kompensation eines Sturzrisikos eingesetzt werden, der Zustimmung des Patienten bzw. Bewohners bedürfen.
Der freie Wille und seine Grenzen
Die Einwilligungsfähigkeit der Betroffenen spielt dabei eine zentrale Rolle. Ist diese nicht gegeben, muss zur Vornahme einer freiheitsentziehenden Maßnahme die Einwilligung des Betreuers oder Vorsorgebevollmächtigten eingeholt werden.
Dabei ist zu beachten, dass freiheitsentziehende Maßnahmen insbesondere wenn es sich um eine Fixierung handeln sollte, nur dann vorgenommen werden darf, wenn die Maßnahme das letzte zur Verfügung stehende Mittel ist um die Gefahrensituation zu kompensieren (Ultima Ratio). Dabei ist eine Dokumentation gemäß § 630f BGB unabdingbar.
Auch die rechtlichen Vorgaben des § 1831 Absatz 4 BGB sind zwingend zu berücksichtigen. Wenn die Freiheitsentziehende Maßnahmen regelmäßig erfolgen oder sich über deinen längeren Zeitraum (ab 24 Stunden) erstrecken sollte, ist neben der Einwilligung des Betreuers oder Vorsorgebevollmächtigten die richterliche Genehmigungen einzuholen, um das Vorgehen zu legitimieren.
Rechtfertigungsmanagement: Ein Balanceakt
Zur Vermeidung haftungsrechtlicher Inanspruchnahmen liegt die Lösung in einem fundierten Rechtfertigungsmanagement. Dieses umfasst die sorgfältige Abwägung von Risiken und Rechten, die präzise Dokumentation aller Maßnahmen sowie die rechtzeitige Einholung der Einwilligung und falls erforderlich auch noch die gerichtliche Genehmigung. Moderne Technologien wie Sensormatratzen oder Alarmsysteme bieten zudem innovative Alternativen zur Sicherung des Patienten ohne die Freiheit der betroffenen Person unmittelbar zu beschränken. Für Pflegeeinrichtungen ist es essentiell, ihre Mitarbeiter umfassend zu schulen und rechtliche Standards konsequent umzusetzen, um Haftungsrisiken zu minimieren.
FAQ
Freiheitsentziehende Maßnahmen bei Demenz: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Freiheitsentziehende Maßnahmen bedürfen in der Regel der Einwilligung des Betroffenen oder, bei fehlender Einwilligungsfähigkeit, der Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters. Ist die Maßnahme langfristig oder mit einem besonders starken Eingriff in die Bewegungsfreiheit verbunden, ist eine richterliche Genehmigung gemäß § 1831 Absatz 4 BGB erforderlich.
Zudem müssen Freiheitsentziehende Maßnahmen bei demenziell Erkrankten stets verhältnismäßig, dokumentiert und das jeweils mildeste Mittel sein.
Welche Alternativen gibt es zu Fixierungen oder anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen?
Es gibt zahlreiche Alternativen, die deutlich weniger in die persönliche Freiheit eingreifen. Dazu gehören technische Hilfsmittel wie Sensormatratzen, Lichtschranken oder Ortungs- und Alarmsysteme. Auch präventive Maßnahmen, wie das Angebot von Hüftschutzhosen oder die Schaffung einer sturzmindernden Umgebung, können helfen, Risiken zu reduzieren ohne die Bewegungsfreiheit einzuschränken.
Was passiert, wenn eine Einrichtung bei erkennbarem Sturzrisiko keine ausreichenden Schutzmaßnahmen trifft?
Wenn es deutliche Hinweise auf vorhandene Gefährdungen gab und nachweislich keine oder keine geeigneten Maßnahmen getroffen wurden, um diese zu verhindern, und es hierdurch zu einem Schaden kommt, kann die Einrichtung mit Schadensersatzforderungen seitens der Krankenkassen oder der Angehörigen konfrontiert werden.