Im Arbeitsrecht ist dies eine überaus heikle Konstellation: Ein Arbeitnehmer fällt durch häufige und lange Krankschreibungen auf; es steht jedoch seitens des Arbeitgebers der Verdacht im Raum, dass diese fingiert sind und er in Wirklichkeit krankfeiert.
Hat der Arbeitgeber in einem solchen Fall das Recht, seinen Beschäftigten sozusagen „auszuforschen“ und eventuelle Verfehlungen fotografisch zu dokumentieren, um eine spätere Kündigung zu rechtfertigen?
Zwei Rechtsgüter konkurrieren miteinander
Kommt es in einem solchen Fall zu einem Kündigungsschutzprozess, stehen sich zwei Rechtsgüter regelmäßig gegenüber und müssen gegeneinander abgewogen werden.
Einerseits stellt das heimliche Fotografieren oder gar die Videoüberwachung des Arbeitnehmers durch seinen Arbeitgeber einen Eingriff in das in das durch Artikel 2 Absatz 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar: Demnach hat jeder „das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“.
Schutzwürdige Interessen können Vorrang haben
Allerdings wird dieses Grundrecht nicht schrankenlos gewährleistet. So können Eingriffe durch die Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein – wozu auch durch Foto- und / oder Videoaufnahmen gewonnenes Beweismaterial zählen kann. Es ist dann die Aufgabe der Arbeitsgerichte, nach freier Überzeugung im Rahmen einer Güterabwägung das vorrangige Recht zu ermitteln.
Eine Orientierung für die rechtliche Abwägung bietet in solchen Fällen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Überwachung am Arbeitsplatz – wenn es etwa an der Arbeitsstelle zu Diebstählen gekommen ist. Nach Überzeugung des BAG können heimliche technische Aufzeichnungen dann zulässig sein,
- wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers besteht,
- weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind,
- die verdeckten Überwachungsmaßnahmen praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellen und
- die Maßnahmen insgesamt nicht unverhältnismäßig sind.
Übertragen auf den Fall des in seiner Freizeit fotografierten oder gefilmten Arbeitnehmers gilt prinzipiell nichts anderes – auch hier muss eine Abwägung nach den Kriterien der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden.
Wenngleich die Verwertung von Abbildungen oder Aufzeichnungen aus der Privatsphäre einer strengeren Bewertung unterliegt, können auch fotografisch oder filmisch dokumentierte Beobachtungen tatsächlich geeignet sein, Verfehlungen gegen arbeitsvertragliche Pflichten beweiskräftig zu belegen.
Überwiegt der dokumentierte Verstoß in seiner Schwere das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, lehnt die neuere Rechtsprechung auch die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes ab.
Beim „Krankfeiern“ fotografiert: Kein Anspruch auf Beweismittel-Verwertungsverbot
So geschah es in einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mainz vom 11. Juli 2013 (Az.: 10 SaGa 3/13): Dieses lehnte die Einstweilige Verfügung eines gekündigten Arbeitnehmers ab, der seinem Arbeitgeber untersagen wollte, ihn ohne seine Einwilligung zu filmen, zu fotografieren und/oder ihm heimlich nachzustellen und / oder ihn heimlich zu kontrollieren. Damit bestätigte das Gericht die Entscheidung der Vorinstanz.
Grundlage des Rechtsstreits: Der Arbeitnehmer, der als Produktionshelfer in einem Schichtbetrieb eingesetzt war, war zweimal hintereinander, für eine Zeit von insgesamt vier Wochen, krankgeschrieben worden. Per Zufall traf ihn jedoch sein Vorgesetzter während der Krankschreibungsphase an einer Autowaschanlage an, als dieser gemeinsam mit seinem Vater einen Pkw reinigte.
Verständlicherweise war der Vorgesetzte über die gute körperliche Verfassung seines Mitarbeiters erstaunt und fertigte mit seiner Handykamera Fotos an, um seine Beobachtung zu dokumentieren. Daraufhin kam es zu einer auch körperlichen Auseinandersetzung der beiden, als der Mitarbeiter versuchte, ein Fotografiert-Werden zu verhindern.
Die fristlose Kündigung durch den Betrieb stützte sich letztlich auf den tätlichen Angriff des Beschäftigten auf seinen Vorgesetzten – jedoch wäre ohne diesen Angriff wohl eine außerordentliche Kündigung wegen der vorgeschobenen Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
Eine unbeschränktes „Recht am eigenen Bild“, verbunden mit einem Beweis-Verwertungsverbot, lehnte das Gericht ab. „Eingriffe können durch Wahrnehmung überwiegend schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein“, so das LAG in seiner Urteilsbegründung.