Eine Fixierung kommt regelmäßig in Frage, wenn der Patient aufgrund seines körperlichen oder psychischen Zustands eine Gefahr für sich selbst darstellt. In dem Fall der Selbstgefährdung soll sie dazu dienen, den Patienten vor einer erheblichen Gesundheits- oder Lebensgefährdung zu schützen.
Eine Fixierung kann aber auch dann denkbar sein, wenn der Patient sich aggressiv verhält und eine Gefahr für andere ist. In solch einem Eilfall kann sie durch den rechtfertigenden Notstand begründet sein.
Was ist der rechtfertigende Notstand?
Eine freiheitsentziehende Maßnahme stellt immer eine Freiheitsberaubung gemäß §239 StGB dar und kann somit strafrechtliche Konsequenzen bewirken, wenn keine Rechtfertigung vorliegt.
Der rechtfertigende Notstand kann hierbei ein möglicher Rechtfertigungsgrund für eine freiheitsentziehende Maßnahme sein, der dafür sorgt, dass keine Strafen zu befürchten sind.
Geregelt ist der rechtfertigende Notstand in § 34 StGB.
Strafgesetzbuch (StGB) § 34 Rechtfertigender Notstand
„Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“
Besteht also eine Situation, in der der Patient gegenwärtig eine Gefahr für sich oder für Rechtsgüter anderer (Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum) darstellt, kann eine Fixierung gerechtfertigt sein – allerdings nur als letztes Mittel, wenn es keine Alternativen gibt.
An dieser Stelle sei noch auf den Unterschied zwischen rechtfertigendem Notstand und Notwehr (§ 32 StGB) hingewiesen. Auch die Notwehr kann einen Rechtfertigungsgrund im Eilfall darstellen. Anders als beim rechtfertigenden Notstand geht es bei der Notwehr allerdings nicht um eine generelle Gefahrenabwehr, sondern um Selbstverteidigung gegen einen konkreten rechtswidrigen Angriff auf die eigene Person (= Notwehr) oder auf Dritte (= Nothilfe).
Ein anderer Rechtfertigungsgrund in Eilfällen ist beispielsweise die Eil-Einwilligung des Vertretungsberechtigten. Diese ist bei Gefahr im Verzug möglich und kann auch ohne Genehmigung des Betreuungsgerichts erfolgen. Die gerichtliche Genehmigung muss aber nachgeholt werden.
Unter welchen Umständen greift der rechtfertigende Notstand als Rechtfertigungsgrund?
Der rechtfertigende Notstand als Begründung für eine freiheitsentziehende Maßnahme greift nur in Eilfällen, bei denen keine Einwilligung zu erlangen und auch (noch) kein Betreuer oder das Betreuungsgericht erreichbar ist.
Normalerweise ist eine Fixierung ausschließlich mit ärztlicher Anordnung durchzuführen. Im Eilfall dürfen jedoch die Pflegefachkräfte selbst die Gefahrensituation abschätzen und den Patienten gegebenenfalls fixieren, wenn kein ärztliches Personal zugegen ist.
Eine Fixierung mit Berufung auf den rechtfertigenden Notstand darf hierbei allerdings nur unter äußerster Zurückhaltung und als letztes Mittel angewendet werden. Aus diesem Grund sind durch den rechtfertigenden Notstand auch nur kurzfristige Maßnahmen gerechtfertigt.
Ab wann eine Maßnahme nicht mehr kurzfristig ist, bleibt in der Rechtssprechung unscharf. In zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wurde jedenfalls für 5- bzw. 7‑Punkt-Fixierungen entschieden, dass es sich um eine kurzfristige Maßnahme handelt, „wenn sie absehbar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unterschreitet“.
Eine Fixierung ohne richterlichen Beschluss darf also in dieser Form maximal eine halbe Stunde fortbestehen.
Welche Strafen drohen bei rechtswidriger Fixierung?
Bei rechtswidriger Fixierung können verschiedene strafrechtliche Konsequenzen drohen. Wie bereits erwähnt, ist ohne Rechtfertigungsgrund der Straftatbestand der Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) erfüllt. Sollte ein Patient unrechtmäßig fixiert werden, kann hier eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe drohen.
Daneben ist auch der Tatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) und der Aussetzung relevant. Nötigung kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder zu einer Geldstrafe führen. Aussetzen kann eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren nach sich ziehen.
Führt eine unsachgemäße Fixierung zur Schädigung eines Patienten, kann es auch zu einer Haftung wegen Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB) kommen. Je nach Art der Körperverletzung drohen Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren.
Auch zivilrechtliche Haftungsfragen sind relevant. Entstehen Schäden beim Patienten, weil die Zuständigen schuldhaft ihre Sorgfaltspflichten verletzt haben, sind diese gemäß §§ 280 ff. bzw. §§ 823 ff. BGB dazu verpflichtet, die entstandenen Schäden zu ersetzen.
Anwendungsfall: So läuft die Fixierung im rechtfertigenden Notstand ab
Wie sieht nun zusammenfassend ein konkreter Anwendungsfall bei der Fixierung im rechtfertigenden Notstand aus und was müssen Pflegekräfte hierbei tun? Angenommen von einem alkoholisierten und aggressiven Patienten geht ein gegenwärtiges Gefahrenpotenzial aus, das die Rechtsgüter der behandelnden Pflegefachkräfte nach § 34 StGB gefährdet.
In dieser akuten Gefahrensituation können die involvierten Pflegefachkräfte selbst entscheiden, ob sie den Patienten fixieren, wenn sie zuvor dessen Freiheitsrechte und die zu schützenden Interessen abgewogen haben.
Entscheiden sie sich für die Fixierung, ist diese zunächst durch den rechtfertigenden Notstand begründet. Sobald der Patient fixiert ist, müssen die Pflegekräfte allerdings umgehend eine ärztliche Entscheidung einholen. Die Anordnung der Fixierung ist in jedem Fall eine ärztliche Tätigkeit und kann nicht an Pflegefachkräfte delegiert werden.
Der Arzt muss dann die Notstandsfixierung lösen oder er ordnet die Weiterführung an. In dieser Form darf die Fixierung im rechtfertigenden Notstand nur als kurzfristige Maßnahme eingesetzt werden und in der Regel circa eine halbe Stunde fortbestehen.
Ist dieses Zeitfenster überschritten, kann nicht mehr von einer kurzfristigen Maßnahme gesprochen werden. Entsprechend sind umgehend, sofern die Maßnahme danach immer noch weitergeführt werden soll, weitere Schritte zur Rechtfertigung der Maßnahme einzuleiten.
Das heißt es muss ein Betreuungsverfahren eingeleitet werden bzw. versucht werden, die Ordnungsbehörde oder das Betreuungsgericht zu kontaktieren. Diese weiteren Schritte sollten nicht erst nach Ablauf der 30 Minuten, sondern innerhalb des Zeitfensters stattfinden, wenn erkennbar ist, dass die Fixierung länger bestehen bleiben soll.
FAQ
Was ist eine Fixierung?
Eine Fixierung ist eine freiheitsentziehende Maßnahme, die in bestimmten Situationen angewendet wird, um Patienten vor erheblicher Eigen- oder Fremdgefährdung zu schützen. Sie wird in der Regel nur als letztes Mittel eingesetzt und muss immer mit einer ärztlichen Anordnung verbunden sein. In dringenden Eilfällen können Pflegekräfte die Notwendigkeit einer kurzfristigen Fixierung selbst beurteilen, diese muss aber später ärztlich bestätigt werden. Ohne eine ausreichende rechtliche Grundlage, wie etwa den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB), stellt eine freiheitsentziehende Maßnahme eine strafbare Freiheitsberaubung gemäß § 239 StGB dar.
Wie lange ist eine Fixierung erlaubt?
Eine Fixierung darf nur so lange fortbestehen, wie es unbedingt erforderlich ist, um eine akute Gefahr abzuwenden. Eine Fixierung ohne richterlichen Beschluss ist nur kurzfristig möglich. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, gilt eine Maßnahme als kurzfristig, wenn sie eine Dauer von etwa einer halben Stunde nicht überschreitet. Innerhalb dieser Zeit muss umgehend eine ärztliche Entscheidung über die Fortführung oder Beendigung der Maßnahme eingeholt werden. Sollte absehbar sein, dass sie länger dauern muss, sind unverzüglich weitere Schritte einzuleiten, wie beispielsweise die Benachrichtigung des Betreuungsgerichts oder der Ordnungsbehörde.
Wer darf eine Fixierung anordnen?
Grundsätzlich darf eine Fixierung nur von einem Arzt angeordnet werden, da es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheitsrechte eines Patienten handelt. Die ärztliche Anordnung ist verbindlich, und die Durchführung obliegt geschultem Pflegepersonal. In akuten Gefahrensituationen, in denen keine ärztliche Hilfe rechtzeitig verfügbar ist, können Pflegekräfte die Situation eigenständig einschätzen und eine kurzfristige Fixierung durchführen, begründet durch den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB). Diese eigenständige Maßnahme muss jedoch so schnell wie möglich durch eine ärztliche Entscheidung überprüft und bestätigt oder beendet werden.