Fixierung
Geht von einem Patien­ten eine Gefahr aus, können sich Pflege­fach­kräfte bei einer Fixie­rung auf den recht­fer­ti­gen­den Notstand berufen. Bild: © Lacheev | Dreamstime.com

Eine Fixie­rung kommt regel­mä­ßig in Frage, wenn der Patient aufgrund seines körper­li­chen oder psychi­schen Zustands eine Gefahr für sich selbst darstellt. In dem Fall der Selbst­ge­fähr­dung soll sie dazu dienen, den Patien­ten vor einer erheb­li­chen Gesund­heits- oder Lebens­ge­fähr­dung zu schüt­zen.

Eine Fixie­rung kann aber auch dann denkbar sein, wenn der Patient sich aggres­siv verhält und eine Gefahr für andere ist. In solch einem Eilfall kann sie durch den recht­fer­ti­gen­den Notstand begrün­det sein.

Was ist der recht­fer­ti­gende Notstand?

Eine freiheits­ent­zie­hende Maßnahme stellt immer eine Freiheits­be­rau­bung gemäß §239 StGB dar und kann somit straf­recht­li­che Konse­quen­zen bewir­ken, wenn keine Recht­fer­ti­gung vorliegt.

Der recht­fer­ti­gende Notstand kann hierbei ein mögli­cher Recht­fer­ti­gungs­grund für eine freiheits­ent­zie­hende Maßnahme sein, der dafür sorgt, dass keine Strafen zu befürch­ten sind.

Geregelt ist der recht­fer­ti­gende Notstand in § 34 StGB.

Straf­ge­setz­buch (StGB) § 34 Recht­fer­ti­gen­der Notstand

„Wer in einer gegen­wär­ti­gen, nicht anders abwend­ba­ren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigen­tum oder ein anderes Rechts­gut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwen­den, handelt nicht rechts­wid­rig, wenn bei Abwägung der wider­strei­ten­den Inter­es­sen, nament­lich der betrof­fe­nen Rechts­gü­ter und des Grades der ihnen drohen­den Gefah­ren, das geschützte Inter­esse das beein­träch­tigte wesent­lich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemes­se­nes Mittel ist, die Gefahr abzuwen­den.“

Besteht also eine Situa­tion, in der der Patient gegen­wär­tig eine Gefahr für sich oder für Rechts­gü­ter anderer (Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigen­tum) darstellt, kann eine Fixie­rung gerecht­fer­tigt sein – aller­dings nur als letztes Mittel, wenn es keine Alter­na­ti­ven gibt.

An dieser Stelle sei noch auf den Unter­schied zwischen recht­fer­ti­gen­dem Notstand und Notwehr (§ 32 StGB) hinge­wie­sen. Auch die Notwehr kann einen Recht­fer­ti­gungs­grund im Eilfall darstel­len. Anders als beim recht­fer­ti­gen­den Notstand geht es bei der Notwehr aller­dings nicht um eine generelle Gefah­ren­ab­wehr, sondern um Selbst­ver­tei­di­gung gegen einen konkre­ten rechts­wid­ri­gen Angriff auf die eigene Person (= Notwehr) oder auf Dritte (= Nothilfe).

Ein anderer Recht­fer­ti­gungs­grund in Eilfäl­len ist beispiels­weise die Eil-Einwil­li­gung des Vertre­tungs­be­rech­tig­ten. Diese ist bei Gefahr im Verzug möglich und kann auch ohne Geneh­mi­gung des Betreu­ungs­ge­richts erfol­gen. Die gericht­li­che Geneh­mi­gung muss aber nachge­holt werden.

Unter welchen Umstän­den greift der recht­fer­ti­gende Notstand als Recht­fer­ti­gungs­grund?

Der recht­fer­ti­gende Notstand als Begrün­dung für eine freiheits­ent­zie­hende Maßnahme greift nur in Eilfäl­len, bei denen keine Einwil­li­gung zu erlan­gen und auch (noch) kein Betreuer oder das Betreu­ungs­ge­richt erreich­bar ist.

Norma­ler­weise ist eine Fixie­rung ausschließ­lich mit ärztli­cher Anord­nung durch­zu­füh­ren. Im Eilfall dürfen jedoch die Pflege­fach­kräfte selbst die Gefah­ren­si­tua­tion abschät­zen und den Patien­ten gegebe­nen­falls fixie­ren, wenn kein ärztli­ches Perso­nal zugegen ist.

Eine Fixie­rung mit Berufung auf den recht­fer­ti­gen­den Notstand darf hierbei aller­dings nur unter äußers­ter Zurück­hal­tung und als letztes Mittel angewen­det werden. Aus diesem Grund sind durch den recht­fer­ti­gen­den Notstand auch nur kurzfris­tige Maßnah­men gerecht­fer­tigt.

Ab wann eine Maßnahme nicht mehr kurzfris­tig ist, bleibt in der Rechts­spre­chung unscharf. In zwei Entschei­dun­gen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts wurde jeden­falls für 5- bzw. 7‑Punkt-Fixie­run­gen entschie­den, dass es sich um eine kurzfris­tige Maßnahme handelt, „wenn sie abseh­bar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unter­schrei­tet“.

Eine Fixie­rung ohne richter­li­chen Beschluss darf also in dieser Form maximal eine halbe Stunde fortbe­stehen.

Welche Strafen drohen bei rechts­wid­ri­ger Fixie­rung?

Bei rechts­wid­ri­ger Fixie­rung können verschie­dene straf­recht­li­che Konse­quen­zen drohen. Wie bereits erwähnt, ist ohne Recht­fer­ti­gungs­grund der Straf­tat­be­stand der Freiheits­be­rau­bung (§ 239 StGB) erfüllt. Sollte ein Patient unrecht­mä­ßig fixiert werden, kann hier eine Freiheits­strafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe drohen.

Daneben ist auch der Tatbe­stand der Nötigung (§ 240 StGB) und der Ausset­zung relevant. Nötigung kann zu einer Freiheits­strafe von bis zu drei Jahren oder zu einer Geldstrafe führen. Ausset­zen kann eine Freiheits­strafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren nach sich ziehen.

Führt eine unsach­ge­mäße Fixie­rung zur Schädi­gung eines Patien­ten, kann es auch zu einer Haftung wegen Körper­ver­let­zung (§§ 223 ff. StGB) kommen. Je nach Art der Körper­ver­let­zung drohen Freiheits­stra­fen von bis zu zehn Jahren.

Auch zivil­recht­li­che Haftungs­fra­gen sind relevant. Entste­hen Schäden beim Patien­ten, weil die Zustän­di­gen schuld­haft ihre Sorgfalts­pflich­ten verletzt haben, sind diese gemäß §§ 280 ff. bzw. §§ 823 ff. BGB dazu verpflich­tet, die entstan­de­nen Schäden zu erset­zen.

Anwen­dungs­fall: So läuft die Fixie­rung im recht­fer­ti­gen­den Notstand ab

Wie sieht nun zusam­men­fas­send ein konkre­ter Anwen­dungs­fall bei der Fixie­rung im recht­fer­ti­gen­den Notstand aus und was müssen Pflege­kräfte hierbei tun? Angenom­men von einem alkoho­li­sier­ten und aggres­si­ven Patien­ten geht ein gegen­wär­ti­ges Gefah­ren­po­ten­zial aus, das die Rechts­gü­ter der behan­deln­den Pflege­fach­kräfte nach § 34 StGB gefähr­det.

In dieser akuten Gefah­ren­si­tua­tion können die invol­vier­ten Pflege­fach­kräfte selbst entschei­den, ob sie den Patien­ten fixie­ren, wenn sie zuvor dessen Freiheits­rechte und die zu schüt­zen­den Inter­es­sen abgewo­gen haben.

Entschei­den sie sich für die Fixie­rung, ist diese zunächst durch den recht­fer­ti­gen­den Notstand begrün­det. Sobald der Patient fixiert ist, müssen die Pflege­kräfte aller­dings umgehend eine ärztli­che Entschei­dung einho­len. Die Anord­nung der Fixie­rung ist in jedem Fall eine ärztli­che Tätig­keit und kann nicht an Pflege­fach­kräfte delegiert werden.

Der Arzt muss dann die Notstands­fi­xie­rung lösen oder er ordnet die Weiter­füh­rung an. In dieser Form darf die Fixie­rung im recht­fer­ti­gen­den Notstand nur als kurzfris­tige Maßnahme einge­setzt werden und in der Regel circa eine halbe Stunde fortbe­stehen.

Ist dieses Zeitfens­ter überschrit­ten, kann nicht mehr von einer kurzfris­ti­gen Maßnahme gespro­chen werden. Entspre­chend sind umgehend, sofern die Maßnahme danach immer noch weiter­ge­führt werden soll, weitere Schritte zur Recht­fer­ti­gung der Maßnahme einzu­lei­ten.

Das heißt es muss ein Betreu­ungs­ver­fah­ren einge­lei­tet werden bzw. versucht werden, die Ordnungs­be­hörde oder das Betreu­ungs­ge­richt zu kontak­tie­ren. Diese weite­ren Schritte sollten nicht erst nach Ablauf der 30 Minuten, sondern inner­halb des Zeitfens­ters statt­fin­den, wenn erkenn­bar ist, dass die Fixie­rung länger bestehen bleiben soll.

FAQ

Was ist eine Fixie­rung?

Eine Fixie­rung ist eine freiheits­ent­zie­hende Maßnahme, die in bestimm­ten Situa­tio­nen angewen­det wird, um Patien­ten vor erheb­li­cher Eigen- oder Fremd­ge­fähr­dung zu schüt­zen. Sie wird in der Regel nur als letztes Mittel einge­setzt und muss immer mit einer ärztli­chen Anord­nung verbun­den sein. In dringen­den Eilfäl­len können Pflege­kräfte die Notwen­dig­keit einer kurzfris­ti­gen Fixie­rung selbst beurtei­len, diese muss aber später ärztlich bestä­tigt werden. Ohne eine ausrei­chende recht­li­che Grund­lage, wie etwa den recht­fer­ti­gen­den Notstand (§ 34 StGB), stellt eine freiheits­ent­zie­hende Maßnahme eine straf­bare Freiheits­be­rau­bung gemäß § 239 StGB dar.

Wie lange ist eine Fixie­rung erlaubt?

Eine Fixie­rung darf nur so lange fortbe­stehen, wie es unbedingt erfor­der­lich ist, um eine akute Gefahr abzuwen­den. Eine Fixie­rung ohne richter­li­chen Beschluss ist nur kurzfris­tig möglich. Nach der aktuel­len Recht­spre­chung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts, gilt eine Maßnahme als kurzfris­tig, wenn sie eine Dauer von etwa einer halben Stunde nicht überschrei­tet. Inner­halb dieser Zeit muss umgehend eine ärztli­che Entschei­dung über die Fortfüh­rung oder Beendi­gung der Maßnahme einge­holt werden. Sollte abseh­bar sein, dass sie länger dauern muss, sind unver­züg­lich weitere Schritte einzu­lei­ten, wie beispiels­weise die Benach­rich­ti­gung des Betreu­ungs­ge­richts oder der Ordnungs­be­hörde.

Wer darf eine Fixie­rung anord­nen?

Grund­sätz­lich darf eine Fixie­rung nur von einem Arzt angeord­net werden, da es sich um einen schwer­wie­gen­den Eingriff in die Freiheits­rechte eines Patien­ten handelt. Die ärztli­che Anord­nung ist verbind­lich, und die Durch­füh­rung obliegt geschul­tem Pflege­per­so­nal. In akuten Gefah­ren­si­tua­tio­nen, in denen keine ärztli­che Hilfe recht­zei­tig verfüg­bar ist, können Pflege­kräfte die Situa­tion eigen­stän­dig einschät­zen und eine kurzfris­tige Fixie­rung durch­füh­ren, begrün­det durch den recht­fer­ti­gen­den Notstand (§ 34 StGB). Diese eigen­stän­dige Maßnahme muss jedoch so schnell wie möglich durch eine ärztli­che Entschei­dung überprüft und bestä­tigt oder beendet werden.