Berufsstolz
Berufs­stolz ist leider Mangel­ware Bild: © Romolo Tavani | Dreamstime.com

Berufs­stolz in der Pflege – da sieht es in Deutsch­land nicht gut aus. Vielen Pflegen­den fällt es schwer, stolz auf ihren Beruf zu sein. Das liegt keines­falls am Berufs­bild: In anderen Ländern ist das Image des Berufs besser – und auch das Selbst­be­wusst­sein der Pflege­kräfte höher.

Was sind also die Ursachen dafür, dass viele deutsche Pflege­kräfte sich mit dem Stolz auf ihren Beruf schwer tun?

Berufs­stolz leidet unter Stress

Unter konstant schlech­ten Arbeits­be­din­gun­gen ein positi­ves Selbst­bild zu bewah­ren, ist nicht einfach. Und die Bedin­gun­gen in der Pflege waren schon lange vor der Pande­mie nicht gut. Unter­be­setzte Schich­ten, viele Überstun­den, Nacht- und Wochen­end­dienste – solche Rahmen­be­din­gun­gen verur­sa­chen Stress.

Chroni­scher Stress schadet der Gesund­heit: Durch die ständige Ausschüt­tung von Stress­hor­mo­nen kommt es zu Verspan­nun­gen, Kopfschmer­zen, Verdau­ungs­pro­ble­men, Magen­schmer­zen, Zähne­knir­schen, Hautpro­ble­men oder Atemnot.

Auch die Psyche leidet: Schlaf­stö­run­gen, Konzen­tra­ti­ons­pro­bleme, Nervo­si­tät und Reizbar­keit sind die Folgen. Eine gute Work-Life-Balance, die durch die Schicht­dienste sowieso erschwert wird, ist unter großer psychi­scher Belas­tung fast unmög­lich, da man sich auch in der Freizeit nicht mehr wirklich entspan­nen kann.

So entsteht ein Teufels­kreis – denn durch die konstante Anspan­nung steigt auch die Anfäl­lig­keit für Fehler. Keine guten Vorraus­set­zun­gen, um stolz auf die eigene Arbeit zu sein.

Pflege hat kaum Mitspra­che­recht

Während der Corona­pan­de­mie schien es, als hätte die Politik endlich erkannt, wie relevant die Pflege für eine funktio­nie­rende Gesell­schaft ist. Leider hat sich trotz­dem an den Rahmen­be­din­gun­gen der Pflege wenig geändert.

Dabei zeigt gerade die aktuelle Diskus­sion über den Fachkräf­te­man­gel die Stellung der Pflege beson­ders deutlich: Wenn im Handwerk oder in der IT-Branche nicht genügend Fachkräfte zur Verfü­gung stehen, können die Folgen zweifels­ohne sehr unange­nehm sein.

Aber wenn in Kranken­häu­sern Betten nicht belegt werden, weil keine Pflege­kräfte da sind, kann das im Extrem­fall tödlich enden.

Trotz dieser unbestreit­ba­ren System­re­le­vanz haben Pflegende nach wie vor wenig Möglich­kei­ten, über ihre Situa­tion mitzu­ent­schei­den. Das liegt auch daran, dass die meisten von ihnen festan­ge­stellt sind. Zwischen Arbeit­ge­bern und Gewerk­schaft bleiben kaum Möglich­kei­ten, die Arbeits­be­din­gun­gen selbst zu definie­ren. Auch der Mangel an Pflege­kräf­ten lässt sich nur unter Mitwir­kung der Politik bekämp­fen.

Kompe­ten­zen der Pflege betonen

Wenn man vom mangeln­den Berufs­stolz der deutschen Pflege­kräfte spricht, muss man auch anerken­nen, dass die Pflege in anderen Ländern deutlich mehr Kompe­ten­zen hat. Die Regis­tered Nurses, die in Großbri­tan­nien und den USA im Einsatz sind, haben einen deutlich weite­ren Handlungs­spiel­raum.

Sie können zum Beispiel Erstbe­su­che zu Hause überneh­men oder über Präven­ti­ons­maß­nah­men aufklä­ren. Um die Regis­trie­rung zu bekom­men, müssen sie ein mehrjäh­ri­ges Studium abschlie­ßen.

Aber auch unabhän­gig vom akade­mi­schen Abschluss: Die Quali­fi­ka­tio­nen von Pflege­kräf­ten bleiben – anders als die von Ärztin­nen und Ärzten – oft unsicht­bar. Pflege­wis­sen­schaft­le­rin Angelika Zeglin setzt sich dafür ein, das zu ändern.

Sie empfiehlt beispiels­weise, Kopien aller Zerti­fi­kate und Fortbil­dungs­nach­weise in Form einer Kollage im Eingangs­be­reich von Statio­nen und Wohnbe­rei­chen auszu­hän­gen und expli­zit auf die Exper­tise des Pflege­teams zu verwei­sen: „Kürzlich hatte ich die Möglich­keit, im Rahmen eines Probe­laufs vor einer Klinik­sta­tion und im Eingang eines Alten­heims pflege­ri­sche Quali­fi­ka­tio­nen zu präsen­tie­ren.

Bei den Besuche­rin­nen und Besuchern gab es großes Erstau­nen: Schmerz­ma­nage­ment – sind dafür nicht die Ärzte zustän­dig? Wundbe­hand­lung – ist das nicht auch Sache der Ärzte?“

Pflege­be­ruf erfährt wenig Wertschät­zung

Wenn in der öffent­li­chen Diskus­sion um den Pflege­not­stand über mangelnde Wertschät­zung gespro­chen wird, ist oft das Gehalt gemeint. Das ist aber nur ein Teil des Problems.

Wertschät­zung – die positive Bewer­tung einer Person durch Kolle­gen, Ärzte oder Patien­ten – lässt sich auch anders ausdrü­cken: Ein freund­li­cher Umgangs­ton, ein Lächeln oder ein Dank für die übernom­mene Schicht kostet den Einzel­nen nichts und zeigt, dass die Leistung der Pflege­kraft gesehen wird. Das kann förder­lich sein für die Entwick­lung von Berufs­stolz.

Wichtig ist dieses Entge­gen­kom­men auch deshalb, weil vielen Pflegen­den nicht klar ist, wie anspruchs­voll ihr Beruf wirklich ist. Sie tragen viel Verant­wor­tung und brauchen ein sehr breit­ge­fä­cher­tes Wissen über Krank­hei­ten und Thera­pien.

Sie müssen in der Lage sein, ihr Handeln zu dokumen­tie­ren und sind oft der wichtigs­ten Kontakt für pflege­be­dürf­tige Menschen, was psycho­lo­gi­sches Einfüh­lungs­ver­mö­gen und eine gute Beobach­tungs­gabe voraus­setzt. Diese Leistung sollte uns als Gesell­schaft bewusst sein – nicht nur dann, wenn sie fehlt.