Berufsstolz in der Pflege – da sieht es in Deutschland nicht gut aus. Vielen Pflegenden fällt es schwer, stolz auf ihren Beruf zu sein. Das liegt keinesfalls am Berufsbild: In anderen Ländern ist das Image des Berufs besser – und auch das Selbstbewusstsein der Pflegekräfte höher.
Was sind also die Ursachen dafür, dass viele deutsche Pflegekräfte sich mit dem Stolz auf ihren Beruf schwer tun?
Berufsstolz leidet unter Stress
Unter konstant schlechten Arbeitsbedingungen ein positives Selbstbild zu bewahren, ist nicht einfach. Und die Bedingungen in der Pflege waren schon lange vor der Pandemie nicht gut. Unterbesetzte Schichten, viele Überstunden, Nacht- und Wochenenddienste – solche Rahmenbedingungen verursachen Stress.
Chronischer Stress schadet der Gesundheit: Durch die ständige Ausschüttung von Stresshormonen kommt es zu Verspannungen, Kopfschmerzen, Verdauungsproblemen, Magenschmerzen, Zähneknirschen, Hautproblemen oder Atemnot.
Auch die Psyche leidet: Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme, Nervosität und Reizbarkeit sind die Folgen. Eine gute Work-Life-Balance, die durch die Schichtdienste sowieso erschwert wird, ist unter großer psychischer Belastung fast unmöglich, da man sich auch in der Freizeit nicht mehr wirklich entspannen kann.
So entsteht ein Teufelskreis – denn durch die konstante Anspannung steigt auch die Anfälligkeit für Fehler. Keine guten Vorraussetzungen, um stolz auf die eigene Arbeit zu sein.
Pflege hat kaum Mitspracherecht
Während der Coronapandemie schien es, als hätte die Politik endlich erkannt, wie relevant die Pflege für eine funktionierende Gesellschaft ist. Leider hat sich trotzdem an den Rahmenbedingungen der Pflege wenig geändert.
Dabei zeigt gerade die aktuelle Diskussion über den Fachkräftemangel die Stellung der Pflege besonders deutlich: Wenn im Handwerk oder in der IT-Branche nicht genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen, können die Folgen zweifelsohne sehr unangenehm sein.
Aber wenn in Krankenhäusern Betten nicht belegt werden, weil keine Pflegekräfte da sind, kann das im Extremfall tödlich enden.
Trotz dieser unbestreitbaren Systemrelevanz haben Pflegende nach wie vor wenig Möglichkeiten, über ihre Situation mitzuentscheiden. Das liegt auch daran, dass die meisten von ihnen festangestellt sind. Zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft bleiben kaum Möglichkeiten, die Arbeitsbedingungen selbst zu definieren. Auch der Mangel an Pflegekräften lässt sich nur unter Mitwirkung der Politik bekämpfen.
Kompetenzen der Pflege betonen
Wenn man vom mangelnden Berufsstolz der deutschen Pflegekräfte spricht, muss man auch anerkennen, dass die Pflege in anderen Ländern deutlich mehr Kompetenzen hat. Die Registered Nurses, die in Großbritannien und den USA im Einsatz sind, haben einen deutlich weiteren Handlungsspielraum.
Sie können zum Beispiel Erstbesuche zu Hause übernehmen oder über Präventionsmaßnahmen aufklären. Um die Registrierung zu bekommen, müssen sie ein mehrjähriges Studium abschließen.
Aber auch unabhängig vom akademischen Abschluss: Die Qualifikationen von Pflegekräften bleiben – anders als die von Ärztinnen und Ärzten – oft unsichtbar. Pflegewissenschaftlerin Angelika Zeglin setzt sich dafür ein, das zu ändern.
Sie empfiehlt beispielsweise, Kopien aller Zertifikate und Fortbildungsnachweise in Form einer Kollage im Eingangsbereich von Stationen und Wohnbereichen auszuhängen und explizit auf die Expertise des Pflegeteams zu verweisen: „Kürzlich hatte ich die Möglichkeit, im Rahmen eines Probelaufs vor einer Klinikstation und im Eingang eines Altenheims pflegerische Qualifikationen zu präsentieren.
Bei den Besucherinnen und Besuchern gab es großes Erstaunen: Schmerzmanagement – sind dafür nicht die Ärzte zuständig? Wundbehandlung – ist das nicht auch Sache der Ärzte?“
Pflegeberuf erfährt wenig Wertschätzung
Wenn in der öffentlichen Diskussion um den Pflegenotstand über mangelnde Wertschätzung gesprochen wird, ist oft das Gehalt gemeint. Das ist aber nur ein Teil des Problems.
Wertschätzung – die positive Bewertung einer Person durch Kollegen, Ärzte oder Patienten – lässt sich auch anders ausdrücken: Ein freundlicher Umgangston, ein Lächeln oder ein Dank für die übernommene Schicht kostet den Einzelnen nichts und zeigt, dass die Leistung der Pflegekraft gesehen wird. Das kann förderlich sein für die Entwicklung von Berufsstolz.
Wichtig ist dieses Entgegenkommen auch deshalb, weil vielen Pflegenden nicht klar ist, wie anspruchsvoll ihr Beruf wirklich ist. Sie tragen viel Verantwortung und brauchen ein sehr breitgefächertes Wissen über Krankheiten und Therapien.
Sie müssen in der Lage sein, ihr Handeln zu dokumentieren und sind oft der wichtigsten Kontakt für pflegebedürftige Menschen, was psychologisches Einfühlungsvermögen und eine gute Beobachtungsgabe voraussetzt. Diese Leistung sollte uns als Gesellschaft bewusst sein – nicht nur dann, wenn sie fehlt.
1 Kommentar
Pflegefachpersonen haben durchaus ein Mitspracherecht und auch Gestaltungsspielraum innerhalb der Berufsverbände und natürlich auch über die Mitwirkung in den Qualitätszirkeln. Darüber hinaus freut sich jede Leitung, wenn sich Fachkräfte über eine Zusatzqualifikation beruflich weiter entwickeln möchten. Auch hier ist dann die fachliche Expertise gern gehört. In der Realität sieht es jedoch so aus, dass nur sehr wenige Fachkräfte bereit sind eine zusätzliche Qualifikation zu erwerben oder sich aktiv in einem Qualitätszirkel zu engagieren. Ein Engagement in der Freizeit, als Ehrenamt, innerhalb einer Gewerkschaft oder eines Berufsverbandes ist nahezu undenkbar. Die Ursache hierfür könnte sein, dass wir immer noch über einen „Frauenberuf“ reden und die Frauen in unserer Gesellschaft leider immer noch einen Großteil der Carearbeit in einer Familie übernehmen. Sich neben Beruf im 3‑Schicht System, Kinderbetreuung (íncl. Elternabende, Hausaufgabenhilfe, Vereinsarbeit etc.), Sorge für die Eltern und Sorge für das eigene Wohlergehen auch noch Berufspolitisch zu engagieren, könnte ein bisschen zu viel verlangt sein.