
Eine junge Frau bewirbt sich im Jahr 2022 in einer Klinik in der niedersächsischen Ortschaft Debstedt als Anästhesistin. Ihre Unterlagen weisen eine Überfliegerin aus: Abitur mit 16, Medizinstudium in Rekordzeit, Approbation mit Anfang 20. Ergo: Sie bekommt den Job.
Doch die 21-Jährige ist keine Ärztin. Die Approbationsurkunde ist gefälscht, ihr Schulabschluss, den sie in den USA gemacht hat, entspricht nicht dem Abitur, sondern der mittleren Reife. Sie hat nie Medizin studiert, stattdessen absolviert sie eine Ausbildung an einer Pflegeschule. Dass sie nicht ausreichend qualifiziert ist, fällt in der Debstedter Klinik schnell auf. Die falsche Ärztin wird entlassen, noch bevor sie einen Patienten behandeln kann.
Verdächtige Fachrichtung
Wenige Tage später bewirbt sich die Frau erneut, diesmal als Assistenzärztin in der Unfallchirurgie in einer Klinik in Meppen. Auch hier kann sie mit ihrem außergewöhnlichen Werdegang die Personalabteilung und Vorgesetzte überzeugen und wird eingestellt. In den folgenden Wochen näht sie Wunden und verabreicht Betäubungsspritzen bei mindestens sieben Patienten.
Die Frau fliegt auf, weil ein 59-jähriger Rettungssanitäter dem Krankenhaus einen Hinweis gibt. Der Mann hatte nach einer privaten Unterhaltung über ihre angebliche Fachrichtung „Neurochirurgie“ Verdacht geschöpft. Aus seiner Sicht konnte die junge Frau keine Ärztin sein.
Gegen die Frau wird daraufhin ermittelt, mehr als 1.000 Patienten und Krankenhausbeschäftigte werden befragt. Fast zwei Jahre später wird sie schließlich wegen gewerbsmäßigem Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Missbrauch von Berufsbezeichnungen in zwei Fällen und gefährlicher Körperverletzung in sieben Fällen angeklagt.
Falsche Ärztin fälscht weiter
Als die Verhandlung vor dem Landgericht Osnabrück Anfang 2025 beginnt, studiert die mittlerweile 23-Jährige im vierten Semester Medizin und arbeitet wieder in einem Krankenhaus als Aushilfe im OP. Sie räumt alle Vorwürfe ein – und beschuldigt gleichzeitig ihren Ex-Freund, sie zu den Taten gedrängt und mit Gewalt bedroht zu haben. Auch die Approbationsurkunde soll er beschafft haben. Der Ex-Freund bestreitet dies und das Gericht glaubt ihm.
Darüber hinaus kommen weitere Zweifel an der Angeklagten auf: Das laufende Strafverfahren hat die Frau nicht davon abgehalten, ihren Traum von der Arztkarriere weiterzuverfolgen, was nach Auffassung des Gerichts abermals mit gefälschten Zeugnissen geschah, die ihr die Hochschulreife und Zulassungsvoraussetzung zum Medizinstudium bescheinigten.
Gefahr für die Allgemeinheit
Hinzu kommt ein psychiatrisches Gutachten, welches der falschen Ärztin eine mittelschwere Persönlichkeitsstörung und Narzissmus attestiert. Auf diesem Gutachten basiert letztendlich auch das Urteil, welches am 17. März 2025 ergeht und die Einweisung in die Psychiatrie auf unbestimmte Zeit anordnet.
Eine Jugendstrafe auf Bewährung, wie sie die Verteidigung forderte, wird nach Auffassung des Gerichts der Persönlichkeitsstruktur der Angeklagten nicht gerecht. Gemäß Gutachten gibt es für die 23-Jährige keine Alternative zum Arztberuf, von dem sie sich Ansehen und Status verspricht. Da sie aufgrund ihrer Persönlichkeitsstörung und des Narzissmus nicht ausreichend in der Lage ist, sich selbst zu steuern, ist davon auszugehen, dass sie erneut ohne die nötige Qualifizierung als Ärztin arbeiten und Patienten gefährden oder sogar töten wird. Sie stellt somit eine Gefahr für die Allgemeinheit dar und braucht professionelle Hilfe.
Fehler im System
Dass die Frau überhaupt als Ärztin arbeiten konnte, liegt nach Ansicht des Gerichts auch an Einstellungsverfahren in der Art eines „Massengeschäfts“, bei dem sich Personalabteilungen und Chefärzte gegenseitig aufeinander verlassen haben. Ein weitere Kritikpunkt liegt im allgemeinen System.
So gibt es kein Zentralregister für Approbationen und auch keine Möglichkeit für Kliniken, die Echtheit von Urkunden zu prüfen. Diese unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland und unterliegen dem Datenschutz.
FAQ
Worum geht es in dem Fall der falschen Ärztin?
Eine junge Frau hat sich mit gefälschten Dokumenten als Ärztin beworben und wurde in zwei verschiedenen Kliniken angenommen. In der ersten Klinik wurde sie aufgrund der offensichtlich mangelnden Qualifikation wieder entlassen. In der zweiten Klinik arbeitete sie über mehrere Wochen und behandelte auch Patienten.
Wie ist die falsche Ärztin aufgeflogen?
Ein Rettungssanitäter, der sich mit der falschen Ärztin über ihre angebliche Fachrichtung „Neurochirurgie“ unterhalten hatte, schöpfte Verdacht und informierte die Klinik.
Wie lautete das Urteil?
Die falsche Ärztin wurde wegen Betrug, dem Missbrauch von Berufsbezeichnungen und gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen. Während die Verteidigung eine Jugendstrafe auf Bewährung gefordert hatte, folgte das Gericht einem psychiatrischen Gutachten und ordnete die Unterbringung in einer Psychiatrie auf unbestimmte Zeit an.