Ganz ehrlich: Für mich hatte das Coronavirus oder auch die mögliche Folgeerscheinung Long Covid den größten Teil seiner Bedrohlichkeit verloren. Zu Anfang der Pandemie hatte ich mir große Sorgen gemacht: Habe ich möglicherweise ein Risiko für einen schweren Verlauf? Wie wird es sich auf mein Asthma auswirken, wenn ich mich anstecke? Was ist, wenn ich als Freiberuflerin länger arbeitsunfähig bin?
Aber dann wurde die Bedrohung immer alltäglicher. Neben Handy und Schlüssel sind inzwischen eben auch Maske und Desinfektionsmittel immer in der Tasche, ich meide große Menschenmengen und wasche mir beim Nachhausekommen die Hände. Aber die Angst vor der Ansteckung ist nicht mehr so groß: Die Omikron-Variante gilt als weniger gefährlich. Und wie vermutlich jeder von uns habe auch ich inzwischen einige Corona-Fälle im Bekanntenkreis, die alle mit leichten Verläufen davongekommen sind. Das Leben geht halt weiter.
Quarantäne im Urlaub
So flog ich dieses Jahr einigermaßen unbesorgt in den Urlaub – Maske im Flugzeug wird schon reichen und vor Ort sind wir sowieso fast nur draußen. Zwei Tage später bekam ich dann Halsschmerzen, hustete einige Tage, fühlte mich auch sehr erschöpft. Alles in allem hatte ich aber schon schlimmere Erkältungen – dachte ich.
Erst als sich meine Freundin ansteckte und ein paar Tage Fieber hatte, kamen wir auf die Idee, einen PCR-Test zu machen, der bei uns beiden positiv ausfiel. Das war zwar unangenehm – statt zu tauchen, saßen wir nun auf dem Balkon unserer Ferienwohnung in Quarantäne – aber viel lesen und viel schlafen ist im Urlaub ja auch nicht so schlecht.
Zu Hause war dann auch ein paar Wochen alles in Ordnung. Also fast: Der trockene Husten, die leicht eingeschränkte Atmung und vor allem die Müdigkeit waren besser, aber nicht ganz weg. Andere Symptome kamen neu hinzu: Kopfschmerzen, Herzrasen und Schwindel sind ein fester Teil meines Alltags.
Ich kann mich nicht mehr konzentrieren – beim Schreiben nicht hilfreich –, vergesse alles, was ich nicht sofort aufschreibe, und scheine die Fähigkeit verloren zu haben, mehr als fünf Stunden pro Nacht zu schlafen. Meine Ärztin hat dann bestätigt, dass das tatsächlich Spätfolgen einer Corona-Erkrankung sind.
Damit habe ich noch Glück, verglichen mit den Horrorberichten über Long Covid, die man oft lesen kann. Mein Alltag ist eingeschränkt, aber er ist zum Glück noch zu bewältigen. Auch wenn vieles extrem anstrengend ist.
Die größte Herausforderung: Akzeptieren, dass ich mich schonen muss
Meine größte Herausforderung aktuell ist die Anweisung, mich auf jeden Fall zu schonen. Ich habe Sportverbot, was mir ehrlich gesagt nicht besonders schwer fällt. Viel schwieriger ist die Alltagsbewegung.
Ich bin einer dieser hektischen Menschen, die keine zehn Minuten auf dem Sofa sitzen können, ohne aufzustehen und in die Küche zu rennen. Apropos rennen: Mein gewohntes zügiges Gehtempo ist aktuell zu schnell für mich, das merke ich allerdings immer erst dann, wenn ich schon außer Atem bin.
Standardtätigkeiten wie der Lebensmitteleinkauf oder ein Spaziergang mit dem Hund sind zur Zeit so anstrengend, dass ich danach einige Stunden Ruhe brauche.
Mein Arbeitstempo und ‑umfang sind extrem eingeschränkt, weil mein Konzentrationsvermögen nicht mal für einen halben Tag ausreicht. Und ich habe immer wieder unvermittelt Crashes: Ich erledige eine Aufgabe, bin fast fertig und muss mich trotzdem vom einen auf den anderen Moment hinlegen, da ich einfach nicht mehr kann.
Long Covid: Leben muss sich erst mal verlangsamen
Besonders fatal: Die Beschwerden verlaufen nicht gleichmäßig. Es geht mir zwei Tage schlecht, dann besser. Natürlich denke ich sofort, dass es jetzt vorbei ist und habe wohlmeinende Freunde im Ohr: „Du musstest eben einfach nur mal richtig ausschlafen.“ Und einen Tag später – ist es schlimmer als vorher: Ich habe Schweißausbrüche auf dem Weg vom Schlafzimmer ins Bad und an Arbeiten ist nicht zu denken.
Frustrierend ist vor allem, nicht genau zu wissen, wie lange dieser Zustand – mit Long Covid – dauert. Meine Ärztin hat mir drei bis sechs Monate in Aussicht gestellt, immerhin mit der Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Genesung. Bis dahin habe ich hoffentlich gelernt, zu akzeptieren, dass mein Leben sich für diese Zeit erst mal verlangsamen muss.