Embryonenschutzgesetz
Eine Änderung des Embryo­nen­schutz­ge­setz könnte bewir­ken, dass Paare mehr Möglich­kei­ten hätten, ihren Kinder­wunsch doch noch zu erfül­len Bild: Pixabay

Mit 30,2 Jahren bekom­men Frauen in Deutsch­land im Schnitt ihr erstes Kind. Das teilte das Statis­ti­sche Bundes­amt im Mai mit. Das Alter der Erstge­bä­ren­den ist in den vergan­ge­nen zehn Jahren demnach fast durch­ge­hend gestie­gen. Mit steigen­dem Alter steigt aber auch das Risiko für einen unerfüll­ten Kinder­wunsch. Etwa jedes zehnte Paar ist ungewollt kinder­los in Deutsch­land. Die Gründe dafür sind sehr unter­schied­lich und können nicht nur bei der Frau, sondern natür­lich auch beim Mann liegen.

Eizel­len­spen­den und die Möglich­keit der Leihmut­ter­schaft könnten alter­na­tive Wege darstel­len, um doch den Wunsch nach einem Kind in Erfül­lung gehen zu lassen. In Deutsch­land sind aller­dings sowohl Eizel­len­spende – im Gegen­satz zur Samen­spende – als auch Leihmut­ter­schaft verbo­ten. Das wird durch das Embryo­nen­schutz­ge­setz geregelt. Zudem besteht ein absolu­tes Forschungs­ver­bot an Embryo­nen.

Die aktuelle Geset­zes­lage

Das Embryo­nen­schutz­ge­setz (ESchG) wurde im Dezem­ber 1990 ausge­fer­tigt. Am 1. Januar 1991 trat es in Kraft. Die letzte Änderung gab es 2011. Da es sich beim ESchG um ein straf­recht­li­ches Neben­ge­setz handelt, richtet es sich eher an Spezia­lis­tin­nen und Spezia­lis­ten, Ärztin­nen und Ärzte sowie Forsche­rin­nen und Forscher. In insge­samt 13 Paragra­phen regelt das Gesetz die Fortpflan­zungs­me­di­zin in Deutsch­land. In ihm finden sich die Vorschrif­ten zur künst­li­chen Befruch­tung (hier gemeint die In-vitro-Ferti­li­sa­tion) und den Umgang mit mensch­li­chen Embryo­nen. Zentral ist hierbei der Schutz des mensch­li­chen Lebens.

Zu diesem Zweck definiert das Gesetz auch, wann man von einem Embryo spricht. Laut Embryo­nen­schutz­ge­setz handelt es sich bereits bei der entwick­lungs­fä­hi­gen mensch­li­chen Eizelle vom Zeitpunkt der Kernver­schmel­zung um einen Embryo, der somit schüt­zens­wert ist.

Was ist im Umgang mit mensch­li­chen Embryo­nen verbo­ten?

  • Die Veräu­ße­rung eines Embryos (extra­kor­po­ral erzeugt oder vor Einnis­tung in die Gebär­mut­ter entnom­men) oder die Abgabe, der Erwerb und die Verwen­dung dieses Embryos zu einem anderen Zwecke als seiner Erhal­tung
  • Behand­lung des Embryos außer­halb des Mutter­leibs (nur erlaubt, wenn er der Mutter danach wieder einge­setzt wird)
  • Auswahl des Geschlechts bei einer künst­li­chen Befruch­tung (nur gestat­tet, wenn dadurch Erbkrank­hei­ten vermie­den werden können)

Welche Fortpflan­zungs­tech­ni­ken sind verbo­ten?

  • Die Übertra­gung einer fremden unbefruch­te­ten Eizelle auf eine Frau
  • Die künst­li­che Befruch­tung einer Eizelle zu einem anderen Zweck, als eine Schwan­ger­schaft bei der Frau herbei­zu­füh­ren, von der die Eizelle stammt
  • Die Übertra­gung von mehr als drei Embryo­nen inner­halb eines Zyklus
  • Die Befruch­tung von mehr als drei Eizel­len inner­halb eines Zyklus
  • Die Befruch­tung von mehr Eizel­len einer Frau, als ihr inner­halb eines Zyklus übertra­gen werden können
  • Die Entnahme des Embryos einer Frau vor Abschluss seiner Einnis­tung in der Gebär­mut­ter, um diesen auf eine andere Frau zu übertra­gen oder ihn für einen nicht seiner Erhal­tung dienli­chen Zweck zu verwen­den
  • Die künst­li­che Befruch­tung (oder Übertra­gung eines mensch­li­chen Embryos) einer Frau, die bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlas­sen (Ersatz­mut­ter)

Die Kritik am Embryo­nen­schutz­ge­setz

Das Embryo­nen­schutz­ge­setz sollte seiner­zeit die ethischen, sozia­len und juris­ti­schen Probleme regeln, die mit den neuen Möglich­kei­ten der Fortpflan­zungs­me­di­zin eröff­net wurden. Mittler­weile ist das Gesetz über 30 Jahre alt und wird immer wieder als veral­tet kriti­siert, weil es Menschen mit Kinder­wunsch und die Forschung maßgeb­lich einschränkt.

Die Bioethik Kommis­sion Rhein­land-Pfalz hat sich bereits 2005 mit einem mögli­chen Revisi­ons­be­darf des Embryo­nen­schutz­ge­setz befasst. Damals sprach die Kommis­sion von fragwür­di­gen deutschen Regelun­gen zur künst­li­chen Befruch­tung. In dem Bericht hieß es „Paare, die sich Nachwuchs wünschen und auf solche Metho­den angewie­sen sind, verzwei­feln nicht selten an der deutschen Rechts­lage. Wer es sich leisten kann, lässt sich im Ausland behan­deln, wo erfolg­rei­chere Metho­den angewen­det werden, die das deutsche Recht versperrt.“

Auch werde immer wieder mit dem Punkt Gleich­be­rech­ti­gung für die Legali­sie­rung von Eizel­len­spen­den argumen­tiert. So sind Samen­spen­den zwar legal, Eizel­len­spen­den jedoch nicht. Zudem führe das Verbot durch das Embryo­nen­schutz­ge­setz zu Repro­duk­ti­ons-Touris­mus, da in zahlrei­chen Ländern Eizel­len­spen­den erlaubt sind.

2021 wurden zum 30. Jubiläum des Embryo­nen­schutz­ge­setz erneut Exper­tin­nen und Exper­ten laut, die eine Reform des Geset­zes forder­ten. Eine Arbeits­gruppe der Natio­na­len Wissen­schafts­aka­de­mie Leopol­dina sprach sich für eine Neube­wer­tung des Schut­zes von In-vitro-Embryo­nen aus.

Schran­ken für die Forschung

Die Kritik beginnt schon bei der Defini­tion des Begriffs „Embryo“ und der Frage, wo mensch­li­ches Leben beginnt und ob frühen Embryos in vitro der gleiche Würde­schutz zukom­men sollte wie gebore­nen Menschen. Die Defini­tion aus § 8 Embryo­nen­schutz­ge­setz sei nach Auffas­sung der Arbeits­gruppe mittler­weile ins Wanken geraten. Unter­su­chun­gen bei Mäusen haben gezeigt, dass die elter­li­chen Genome nach der Befruch­tung nicht sofort vermischt werden. Sie bleiben getrennt, bis sich der zweizel­lige Embryo gebil­det hat. Sollte dies auch auf den Menschen zutref­fen, sollte man nach Ansicht der Leopol­di­ner neu disku­tie­ren, ob man nicht doch zwischen Prä-Embryo­nen und Embryo­nen unter­schei­den sollte, wie es schon in anderen Ländern der Fall sei.

Zudem erkenne die Arbeits­gruppe in den recht­li­chen Grund­la­gen zum Embryo­nen­schutz in Deutsch­land einige Wider­sprü­che. So werde der Forschung an Embryo­nen in Deutsch­land erheb­lich einge­schränkt. Das Embryo­nen­schutz­ge­setz verbie­tet nämlich dritt­nüt­zige Zwecke (andere als der Erhalt und die Befruch­tung der Frau, von der die Eizelle stammt) von Embryo­nen.

Überzäh­lige Embryo­nen für Forschung nutzen

Die Arbeits­gruppe der Leopol­di­ner plädiert jedoch dafür, überzäh­lige Embryo­nen (die nicht der Frau wieder einge­setzt werden) der Forschung freizu­ge­ben, anstatt sie zu verwer­fen oder auf ewig zu kryokon­ser­vie­ren. Gesetz­lich gebe es nämlich keine Pflicht zur Erhal­tung des Embryos außer­halb des Mutter­lei­bes oder durch Übertra­gung auf eine Frau.

Seitdem die Präim­plan­ta­ti­ons­dia­gnos­tik in Deutsch­land erlaubt ist, gebe es zu dem zahlrei­che überzäh­lige Embryo­nen, die nicht auf die vorge­se­hene Frau übertra­gen werden, weil sie mit hoher Wahrschein­lich­keit zu Tot- oder Fehlge­bur­ten führen würden. Doch auch diese Embryo­nen sind vom Verbot der Forschung erfasst.

Zudem bleibe so die Möglich­keit verwehrt, Stamm­zel­len aus Embryo­nen zu gewin­nen. Während das Stamm­zel­len­ge­setz in Deutsch­land den Import im Ausland erzeug­ter embryo­na­ler Stamm­zel­len und deren Verwen­dung für Forschung im Inland unter bestimm­ten Voraus­set­zun­gen ausdrück­lich erlaubt.

In Ländern wie Israel, Schwe­den, Großbri­tan­nien, Frank­reich, China, den USA und Japan ist die Forschung an frühen mensch­li­chen Embryo­nen in engen Grenzen erlaubt. In der Regel dürfe dort an überzäh­li­gen Embryo­nen für 14 Tage nach der Befruch­tung geforscht werden. Voraus­set­zung hierfür sind die Zustim­mung der Perso­nen und die Autori­sie­rung der Forschen­den durch eine unabhän­gige Ethik­kom­mis­sion.