Mit 30,2 Jahren bekommen Frauen in Deutschland im Schnitt ihr erstes Kind. Das teilte das Statistische Bundesamt im Mai mit. Das Alter der Erstgebärenden ist in den vergangenen zehn Jahren demnach fast durchgehend gestiegen. Mit steigendem Alter steigt aber auch das Risiko für einen unerfüllten Kinderwunsch. Etwa jedes zehnte Paar ist ungewollt kinderlos in Deutschland. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich und können nicht nur bei der Frau, sondern natürlich auch beim Mann liegen.
Eizellenspenden und die Möglichkeit der Leihmutterschaft könnten alternative Wege darstellen, um doch den Wunsch nach einem Kind in Erfüllung gehen zu lassen. In Deutschland sind allerdings sowohl Eizellenspende – im Gegensatz zur Samenspende – als auch Leihmutterschaft verboten. Das wird durch das Embryonenschutzgesetz geregelt. Zudem besteht ein absolutes Forschungsverbot an Embryonen.
Die aktuelle Gesetzeslage
Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) wurde im Dezember 1990 ausgefertigt. Am 1. Januar 1991 trat es in Kraft. Die letzte Änderung gab es 2011. Da es sich beim ESchG um ein strafrechtliches Nebengesetz handelt, richtet es sich eher an Spezialistinnen und Spezialisten, Ärztinnen und Ärzte sowie Forscherinnen und Forscher. In insgesamt 13 Paragraphen regelt das Gesetz die Fortpflanzungsmedizin in Deutschland. In ihm finden sich die Vorschriften zur künstlichen Befruchtung (hier gemeint die In-vitro-Fertilisation) und den Umgang mit menschlichen Embryonen. Zentral ist hierbei der Schutz des menschlichen Lebens.
Zu diesem Zweck definiert das Gesetz auch, wann man von einem Embryo spricht. Laut Embryonenschutzgesetz handelt es sich bereits bei der entwicklungsfähigen menschlichen Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung um einen Embryo, der somit schützenswert ist.
Was ist im Umgang mit menschlichen Embryonen verboten?
- Die Veräußerung eines Embryos (extrakorporal erzeugt oder vor Einnistung in die Gebärmutter entnommen) oder die Abgabe, der Erwerb und die Verwendung dieses Embryos zu einem anderen Zwecke als seiner Erhaltung
- Behandlung des Embryos außerhalb des Mutterleibs (nur erlaubt, wenn er der Mutter danach wieder eingesetzt wird)
- Auswahl des Geschlechts bei einer künstlichen Befruchtung (nur gestattet, wenn dadurch Erbkrankheiten vermieden werden können)
Welche Fortpflanzungstechniken sind verboten?
- Die Übertragung einer fremden unbefruchteten Eizelle auf eine Frau
- Die künstliche Befruchtung einer Eizelle zu einem anderen Zweck, als eine Schwangerschaft bei der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt
- Die Übertragung von mehr als drei Embryonen innerhalb eines Zyklus
- Die Befruchtung von mehr als drei Eizellen innerhalb eines Zyklus
- Die Befruchtung von mehr Eizellen einer Frau, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden können
- Die Entnahme des Embryos einer Frau vor Abschluss seiner Einnistung in der Gebärmutter, um diesen auf eine andere Frau zu übertragen oder ihn für einen nicht seiner Erhaltung dienlichen Zweck zu verwenden
- Die künstliche Befruchtung (oder Übertragung eines menschlichen Embryos) einer Frau, die bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter)
Die Kritik am Embryonenschutzgesetz
Das Embryonenschutzgesetz sollte seinerzeit die ethischen, sozialen und juristischen Probleme regeln, die mit den neuen Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin eröffnet wurden. Mittlerweile ist das Gesetz über 30 Jahre alt und wird immer wieder als veraltet kritisiert, weil es Menschen mit Kinderwunsch und die Forschung maßgeblich einschränkt.
Die Bioethik Kommission Rheinland-Pfalz hat sich bereits 2005 mit einem möglichen Revisionsbedarf des Embryonenschutzgesetz befasst. Damals sprach die Kommission von fragwürdigen deutschen Regelungen zur künstlichen Befruchtung. In dem Bericht hieß es „Paare, die sich Nachwuchs wünschen und auf solche Methoden angewiesen sind, verzweifeln nicht selten an der deutschen Rechtslage. Wer es sich leisten kann, lässt sich im Ausland behandeln, wo erfolgreichere Methoden angewendet werden, die das deutsche Recht versperrt.“
Auch werde immer wieder mit dem Punkt Gleichberechtigung für die Legalisierung von Eizellenspenden argumentiert. So sind Samenspenden zwar legal, Eizellenspenden jedoch nicht. Zudem führe das Verbot durch das Embryonenschutzgesetz zu Reproduktions-Tourismus, da in zahlreichen Ländern Eizellenspenden erlaubt sind.
2021 wurden zum 30. Jubiläum des Embryonenschutzgesetz erneut Expertinnen und Experten laut, die eine Reform des Gesetzes forderten. Eine Arbeitsgruppe der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina sprach sich für eine Neubewertung des Schutzes von In-vitro-Embryonen aus.
Schranken für die Forschung
Die Kritik beginnt schon bei der Definition des Begriffs „Embryo“ und der Frage, wo menschliches Leben beginnt und ob frühen Embryos in vitro der gleiche Würdeschutz zukommen sollte wie geborenen Menschen. Die Definition aus § 8 Embryonenschutzgesetz sei nach Auffassung der Arbeitsgruppe mittlerweile ins Wanken geraten. Untersuchungen bei Mäusen haben gezeigt, dass die elterlichen Genome nach der Befruchtung nicht sofort vermischt werden. Sie bleiben getrennt, bis sich der zweizellige Embryo gebildet hat. Sollte dies auch auf den Menschen zutreffen, sollte man nach Ansicht der Leopoldiner neu diskutieren, ob man nicht doch zwischen Prä-Embryonen und Embryonen unterscheiden sollte, wie es schon in anderen Ländern der Fall sei.
Zudem erkenne die Arbeitsgruppe in den rechtlichen Grundlagen zum Embryonenschutz in Deutschland einige Widersprüche. So werde der Forschung an Embryonen in Deutschland erheblich eingeschränkt. Das Embryonenschutzgesetz verbietet nämlich drittnützige Zwecke (andere als der Erhalt und die Befruchtung der Frau, von der die Eizelle stammt) von Embryonen.
Überzählige Embryonen für Forschung nutzen
Die Arbeitsgruppe der Leopoldiner plädiert jedoch dafür, überzählige Embryonen (die nicht der Frau wieder eingesetzt werden) der Forschung freizugeben, anstatt sie zu verwerfen oder auf ewig zu kryokonservieren. Gesetzlich gebe es nämlich keine Pflicht zur Erhaltung des Embryos außerhalb des Mutterleibes oder durch Übertragung auf eine Frau.
Seitdem die Präimplantationsdiagnostik in Deutschland erlaubt ist, gebe es zu dem zahlreiche überzählige Embryonen, die nicht auf die vorgesehene Frau übertragen werden, weil sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Tot- oder Fehlgeburten führen würden. Doch auch diese Embryonen sind vom Verbot der Forschung erfasst.
Zudem bleibe so die Möglichkeit verwehrt, Stammzellen aus Embryonen zu gewinnen. Während das Stammzellengesetz in Deutschland den Import im Ausland erzeugter embryonaler Stammzellen und deren Verwendung für Forschung im Inland unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich erlaubt.
In Ländern wie Israel, Schweden, Großbritannien, Frankreich, China, den USA und Japan ist die Forschung an frühen menschlichen Embryonen in engen Grenzen erlaubt. In der Regel dürfe dort an überzähligen Embryonen für 14 Tage nach der Befruchtung geforscht werden. Voraussetzung hierfür sind die Zustimmung der Personen und die Autorisierung der Forschenden durch eine unabhängige Ethikkommission.