Der Start wurde bundesweit in den Medien verkündet: Ziel soll es sein, alles Wichtige für die Behandlung beim Arzt/bei der Ärztin oder im Krankenhaus in dieser einen elektronischen Akte zu vereinen. Wer schon versucht hat, an einen älteren Befund zu kommen oder ein Röntgenbild von einem Arzt zum nächsten Facharzt zu versenden, wird diese Innovation grundsätzlich begrüßen. Jedoch lohnt sich ein genauer Blick auf die Details dieses Digitalisierungs-Projekts.
Test der Elektronischen Patientenakte mit Hindernissen
Schon jetzt kann man erkennen, dass es sich bei der Einführung der ePa eher um einen Hindernislauf handeln wird: Auf der Internetseite des federführenden Bundesgesundheitsministeriums findet man schnell heraus, dass die Akte in der 1. Phase des „Rollouts“ nur in Berlin und Westfalen-Lippe getestet werden soll. Die anderen Versicherten können zwar bei ihren Krankenkassen den Zugang zur passenden ePa-App beantragen, doch anfangen können sie derzeit damit noch nichts.
Auslesen sensibler Daten in den Arztpraxen – ePa vor Ort
Die Arztpraxen sind die Nächsten im geplanten Patientenakten-Rollout: Erst bis zum 1.6. sollen alle Arztpraxen bundesweit mit „Konnektoren“ ausgerüstet sein. Hinter diesem Begriff, der ursprünglich aus der Textlinguistik kommt, verbirgt sich in diesem Fall das Lese- und Speichergerät für die ePa.
Nötig: Verbesserter Datenschutz für die ePa in verschiedenen Punkten
Dass auch das Speichern der sensiblen Gesundheitsdaten über die „Konnektoren“ privaten Konsortien überlassen wird, ist einer der Haupt-Kritikpunkte von Datenschützern. In anderen europäischen Ländern übernimmt das eine Bundesbehörde oder eine andere völlig unabhängige, extra dafür gegründete Institution.
Der europäische Spitzenreiter in Sachen Digitalisierung des Gesundheitswesens, unser Nachbarland Dänemark, setzt auf ein umfassendes Datensicherheitskonzept, das den Patienten und Patientinnen eine möglichst gute Kontrolle der eigenen sensiblen Gesundheitsdaten ermöglicht. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber kritisiert konkret, dass die europäischen Datenschutz-Standards bei der ePa nicht eingehalten werden. Geworben wird zudem in der Imagekampagne des Bundesgesundheitsamtes für die ePa zum Beispiel auch damit, dass die Versicherten genau bestimmen könnten, wer wann welche Daten einsehen darf. Ob man einen Hautausschlag hat, sollte die Zahnärztin zum Beispiel nicht interessieren.
Nun heißt es jedoch für eine unbestimmte Zeit, dass diese versprochene Feineinstellung durch die Patienten und Patientinnen nicht möglich sein wird. Man kann nur alles oder nichts an Daten für die Ärzte freigegeben.
Offene Fragen: Datenschutz nach innen, Verschlüsselungstechnik, weiteres Rollout
Im Bereich Datenschutz ist die Frage nach einem Datenleck von „innen“ ebenso wichtig. Ein Beispiel aus Asien: In Singapur wurden die Namen von 14 000 HIV-Erkrankten, von diesen ungewollt, über einen Zugriffsberechtigten auf die elektronischen Patientenakten an die Öffentlichkeit gezerrt.
Nicht ausreichend komplexe Verschlüsselungstechniken für die Daten der deutschen elektronischen Patientenakte sind ein weiterer Kritikpunkt. Besonders deutlich fällt die Kritik von Psychotherapeuten aus Bayern zur ePA aus: Bei Bekanntwerden von psychischen Erkrankungen, zum Beispiel durch Datenverluste im Netz, sind die Stigmatisierungen durch die Gesellschaft immer noch besonders schwerwiegend.
Ins Digitalisierungs-Projekt ePa sollen die Krankenhäuser sowieso erst ab Anfang 2022 eingebunden sein. Von Altersheimen oder Seniorenresidenzen ist in der vorgelegten Rollout-Planung, die vor Corona erstellt wurde, gar nicht erst die Rede.
Von Uta Kannengießer, avanti GmbH