Warum ist eine Einwilligung in Heileingriffe wichtig?
Die Frage nach einer rechtswirksamen Einwilligung ist gerade für mögliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen wichtig zu klären. Denn jeder invasive Eingriff in den menschlichen Organismus stellt eine vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 Strafgesetzbuch dar.
Das hat auch das Landgericht Waldshut-Tiengen in einem Urteil festgestellt. In dem Fall ging es um die Leiterin eines Altenpflegeheims, die nicht ausreichend qualifiziertes Personal Insulinverabreichungen per Spritze durchführen ließ. So hat sie einen medizinisch und pflegerisch unerfahrenen Kraftfahrzeugmechaniker – der als Hilfskraft angestellt war – angewiesen die genannte Injektionen vorzunehmen.
Das Gericht erklärte, dass das Verabreichen einer Injektion einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten darstellt und den Körperverletzungstatbestand des § 223 StGB erfüllt. Weil es für die Injektionen jeweils keine Einwilligungen der Patienten gab, wurde die Heimleiterin wegen Anstiftens zur Körperverletzung schließlich schuldig gesprochen.
Wie das Gericht zusätzlich klarstellte, beziehen sich Einwilligungen der Patienten in erster Linie auf Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit, die von Ärztinnen und Ärzten selbst vorgenommen werden. Sie können sich aber auch auf Behandlungsmaßnahmen erstrecken, die an medizinisches und pflegerisches Personal delegiert wurden, sofern dieses ausreichend qualifiziert ist.
Von wem kann die Einwilligung erfolgen?
Eine Einwilligung des Patienten wird also vor allem dafür benötigt, damit das medizinische Personal einen invasiven Eingriff rechtfertigen kann. Interessant ist hierbei, dass die Einwilligung keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung darstellt. Die volle Geschäftsfähigkeit erreicht man in Deutschland mit 18 Jahren. Bei medizinischen Heileingriffen kommt es aber gerade nicht darauf an, ob die Patientin oder der Patient tatsächlich geschäftsfähig ist.
Vielmehr ist entscheidend, dass Patientinnen und Patienten über das natürliche Einsichtsvermögen verfügen, die Dringlichkeit und Tragweite des Eingriffs zumindest in Umrissen zu erkennen und Für und Wider abzuwägen. Eine Einwilligung ist damit nicht direkt an das Alter einer Person gekoppelt. Eine generelle Altersgrenze gibt es also nicht.
Ärztinnen und Ärzte müssen also zunächst prüfen, ob die Person über die Fähigkeit zur Einwilligung verfügt, in dem sie den Grad der persönlichen Entwicklung und die Reife der Person betrachten. Damit können auch Minderjährige prinzipiell ohne Einverständnis der Eltern in medizinische Eingriffe einwilligen.
In der regelmäßigen Rechtssprechung hat sich aber gezeigt, dass Minderjährige unter 14 Jahren nicht einwilligungsfähig sind. Minderjährige, die kurz vor Vollendung des 18. Lebensjahres stehen, können allerdings sehr wohl einwilligungsfähig sein.
Was passiert, wenn der Minderjährige nicht einwilligungsfähig ist?
Sollte die Ärztin oder der Arzt feststellen, dass ein Minderjähriger nicht einwilligungsfähig ist, müssen die Eltern eingeholt werden. Die elterliche Sorgfaltspflicht gemäß § 1627 BGB sieht hierbei folgendes vor:
Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müsse sie versuchen, sich zu einigen.
Somit ist eigentlich vorgesehen, dass beide Elternteile ihre Einwilligung in eine medizinische Behandlung geben müssen. In der Praxis gestaltet sich das allerdings schwierig.
Oftmals werden Kinder nur von einem Elternteil begleitet. Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (VI ZR 288/87) hat hierfür einige Grundsätze aufgestellt, die Fragen in diesem Zusammenhang beantworten sollen.
In „Routinefällen“, bei der Behandlung „leichterer Erkrankungen und Verletzungen“, darf sich die Ärztin oder der Arzt im allgemeinen ungefragt auf die Ermächtigung des erschienenen Elternteiles zum Handeln für den anderen verlassen.
Bei ärztlichen Eingriffen „schwererer Art“, muss die Ärztin oder der Arzt nachfragen, ob die Ermächtigung mit dem anderen Elternteil abgesprochen ist. Es darf hierbei auf die wahrheitsgemäße Auskunft des anwesenden Elternteils vertraut werden. Im Zweifel kann es aber angebracht sein, auf das erschienene Elternteil dahin einzuwirken, den ärztlichen Eingriff noch einmal mit dem anderen Elternteil zu besprechen.
Bei „schwierigen und weitreichenden Entscheidungen über die Behandlung des Kindes, die mit erheblichen Risiken für das Kind verbunden sind“ müssen beide Elternteile explizit einwilligen. Sonst würde die Verpflichtung des anderen Elternteils untergraben werden, die Personensorge des Kindes in besonders wichtigen Angelegenheiten wahrzunehmen.
Was tun bei missbräuchlichen Entscheidungen der Eltern?
Es können aber auch Fälle auftreten, in denen beide Elternteile in einen notwendigen Eingriff nicht einwilligen möchten.
Verweigern die Eltern missbräuchlichen den erforderlichen Eingriff, so kann die Ärztin oder der Arzt das Vormundschaftsgericht kontaktieren.
§ 1666 BGB sieht hierbei Folgendes vor:
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
Dieser Prozess kann mitunter jedoch sehr langwierig sein. Bleibt wegen eines dringend gebotenen Eingriffs keine Zeit, den Weg über das Familiengericht zu gehen, so kann auch über den Kopf der Eltern hinweg entschieden werden. Ärztinnen und Ärzte können sich dann auf den rechtfertigenden Notstand gemäß § 34 StGB berufen und den Eingriff durchführen.