Medizinische Einmalhandschuhe leisten einen wertvollen Beitrag, um das Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen vor dem Hautkontakt mit potenziell infektiösem Material zu schützen. Dies gilt besonders dann, wenn sogenannte „aseptische Tätigkeiten“ anstehen – etwa das Legen oder Verändern von Kathetern, das Verabreichen von Infusionen und Injektionen, der Verbandswechsel sowie der sonstige Kontakt zu Wunden oder Schleimhaut. In all diesen Fällen sollten laut der medizinischen Richtlinien Einmalhandschuhe getragen werden.
Was die Handschuhe jedoch nicht können, ist Übertragungen von Krankenhauskeimen auf Patienten verhindern. Hier ist nach wie vor eine ausreichende Händedesinfektion das erste (und einzige) Mittel der Wahl. Wie sich im medizinischen Alltag und in Studien zeigte, kann das häufige Tragen von Einmalhandschuhen die Händehygiene sogar behindern – und die Zahl der nosokomialen Infektionen in den Einrichtungen steigen lassen. Darauf macht das Robert-Koch-Institut (RKI) in einem Fachbeitrag für das „Epidemiologische Bulletin“ aufmerksam.
Corona-Zeit ließ Zahl nosokomiale Infektionen hochschnellen
Dieser Zusammenhang sei besonders während der Corona-Zeit sichtbar geworden, so das RKI. Während der Pandemie, in der besonders strenge Hygienevorschriften galten, sei „überraschenderweise weltweit ein deutlicher Anstieg der Inzidenz nosokomialer Infektionen beobachtet“ worden – insbesondere auf Stationen mit Sars-CoV-2-positiven Patienten, habe sich eine Zunahme des Infektionsgeschehens und Ausbrüchen von multiresistenten Erregern (MRE) und Candida auris gezeigt.
Der Grund hierfür liegt nahe: „Als eine mögliche Ursache wird die universelle Verwendung medizinischer Einmalhandschuhe bei Patientinnen und Patienten mit (vermuteter) SARS-CoV-2-Infektion angesehen“, so die Autoren des Beitrags. „Das kontinuierliche Tragen von Handschuhen stellt eine Barriere zur Umsetzung der hygienischen Händedesinfektion dar und könnte so zu Übertragungs- und Infektionsereignissen beigetragen haben.“ Denn wer nahezu ununterbrochen medizinische Handschuhe trägt, neigt dazu, sich seltener die Hände zu desinfizieren.
Wer Handschuhe trägt, desinfiziert Hände oft nicht
Darauf weisen auch Daten aus dem Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) – der systematischen Erhebung und Erfassung von hygienebezogenen Daten in deutschen Medizin- und Pflegeeinrichtungen – hin: Laut der Auswertung aus dem Jahr 2022 wurde in 26 Prozent der untersuchten Situationen, in denen eine Händedesinfektion notwendig gewesen wäre, diese nicht durchgeführt. In 12 Prozent der Situationen wurde nicht desinfiziert, das Personal trug jedoch medizinische Einmalhandschuhe.
Nur bezogen auf die Nicht-Desinfektions-Fälle, war der Anteil der Handschuhträger demnach 45 Prozent! Offenbar sahen die Anwender also ihr „Hygiene-Soll“ durch das Tragen von Handschuhen erfüllt. Besonders stark zeigte sich dieser Effekt bei der Indikation „vor aseptischen Tätigkeiten“: Hier desinfizierten sich lediglich 65 Prozent zuvor ihre Hände – und mehr als zwei Drittel der Nicht-Desinfizierer trugen Handschuhe!
Die Gründe für diese Zahlen liegen auf der Hand. „Zum einen wird die Verwendung von medizinischen Einmalhandschuhen von vielen Mitarbeitenden im Gesundheitswesen immer noch als Alternative zur hygienischen Händedesinfektion missverstanden und zum anderen wird die Schutzwirkung der Handschuhe durch Mitarbeitende im Gesundheitswesen überschätzt“, so die Autoren. Weiter spielten das wahrgenommene Eigenrisiko, eine fehlerhafte Selbsteinschätzung der Hygiene-Kenntnisse sowie die in den Einrichtungen etablierten Verhaltensweisen eine Rolle.
Desinfektion von behandschuhten Händen nur unter Bedingungen
Als einen Kompromiss zwischen Anwenderfreundlichkeit und ausreichender Hygiene sieht das RKI, unter Bedingungen, die Händedesinfektion mit angezogenen Handschuhen. Hierbei müsse jedoch, wie das Institut in seinem Informations-Angebot schreibt, eine Chemikalien-Beständigkeit der Handschuhe laut der Norm EN 374 gegeben sein. Außerdem dürfe der Handschuh nur für die Arbeit an ein- und demselben Patienten verwendet werden.
Zudem dürfe der Handschuh selbstverständlich weder sichtbar perforiert noch mit Blut, Sekreten oder Exkreten verschmutzt sein. Auch beim Erfüllen aller Bedingungen sei der Einmalhandschuh nach spätestens 15 Minuten zu wechseln, sowie nach jeder Patientenwaschung.
Beim übermäßigen Tragen von Handschuhen besteht außerdem die Gefahr, eine Dermatitis zu entwickeln, wie das Deutsche Ärzteblatt in einem Fachbeitrag schreibt. Bei einer Umfrage unter 114 Mitarbeitern einer Covid-19-Intensivstation des Universitätsklinikums München sei bei 90,4 Prozent der Teilnehmenden aufgrund des übermäßigen Gebrauchs des Handschutzes eine akute Dermatitis festgestellt werden.
Die Einmalhandschuhe sollten also nur in jenen Situationen getragen werden, in denen dies wirklich nötig ist – und vor dem Anlegen der Handschuhe sind die Hände trotzdem zu desinfizieren.