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Es ist geschafft: Nach monatelangen Diskussionen zwischen Bund und Ländern um die Ausgestaltung der Krankenhausreform konnte man sich gestern auf ein Eckpunktepapier einigen. Nach der Sommerpause soll ein konkreter Gesetzesentwurf vorliegen. Die Umsetzung der Reform soll dann schrittweise ab Januar 2024 erfolgen.
Krankenhausreform: Finanzierungsmodell ändert sich
Bisher ist das Eckpunktepapier in vielen Punkten vage, da zentrale Punkte noch geprüft werden müssen oder erst erarbeitet werden. Allerdings kann man jetzt schon sagen, dass das System der Fallpauschalen zwar nicht abgeschafft, aber stark entkräftet wird. An die Stelle der Fallpauschalen sollen Vorhaltepauschalen treten, die die Kliniken für das Vorhalten von Personal und Ausstattung erhalten.
Das Papier stellt jedoch klar, dass „keine Erhöhung des Erlösvolumens“ geplant sei – mit anderen Worten: Es wird nicht mehr Geld geben, da die Fallpauschalen abgesenkt und die so freiwerdenden Budgets als Vorhaltepauschalen genutzt werden sollen. So soll der Druck von den Kliniken genommen werden, möglichst viele Fälle behandeln zu müssen, um die Grundfinanzierung zu decken.
Laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) könnten sich Patienten so darauf verlassen, dass ihre Behandlung wirklich notwendig sei und die Klinik auf entsprechendem Qualitätsniveau arbeite.
Als Grundlage der Finanzierung sind definierte Leistungsgruppen (sogenannte Diagnosis Related Groups oder DRGs) für die Kliniken geplant. Das können zum Beispiel Notfallmedizin, Kardiologie oder Infektiologie sein. Diese sollen einheitliche Qualitätsvorgaben garantieren.
Die Kriterien hierfür wollen Bund und Länder gemeinsam entwickeln, wobei die schon jetzt in Nordrhein-Westfalen geltenden Leistungsgruppen als Grundlage dienen und um weitere ergänzt werden sollen. Bis dieser Prozess abgeschlossen ist, werden die Vorhaltepauschalen auf 60 Prozent der aktuell gültigen DRG-Vergütung festgelegt.
Keine einheitlichen Level für Krankenhäuser
Einen der seit Monaten meistdiskutierten Punkte der Krankenhausreform, nämlich die Einteilung in Versorgungslevel, konnte Lauterbach nicht durchsetzen. Hier verweigerten sich die Länder einer vorgegebenen Versorgungsstruktur. Allerdings sollen die Level im Rahmen einer Transparenz-Offensive zur Qualität der Kliniken umgesetzt werden.
Im Papier heißt es: „Das Bundesministerium für Gesundheit wird zur Information und Aufklärung von Patientinnen und Patienten Daten über das Leistungsangebot und Qualitätsaspekte des stationären Versorgungsgeschehens in Deutschland veröffentlichen. Dafür wird der Bund die Krankenhäuser Versorgungsstufen (Level) zuordnen sowie die Verteilung der Leistungsgruppen auf die einzelnen Standorte transparent darlegen.“ Dieses „Gesetz zur Transparenz“ soll zum 1. Januar 2024 starten.
Kritik an der Reform
Eine große Sorge der Länder war die Schließung von Kliniken in ländlichen Regionen. Hier hat Lauterbach ein klares Versprechen abgegeben: Die Reform werde die kleinen Kliniken erhalten, die auf dem Land für die bedarfsgerechte Versorgung benötigt würden. Damit ist die Angst vor weiten Anfahrtswegen wohl zunächst unbegründet.
Nach wie vor gibt es aber Kritik an der Finanzierung. Denn die Länder, die für den Umbau der Kliniken verantwortlich sind, hatten dafür finanzielle Unterstützung vom Bund angefordert, genauso wie für die kurzfristige Rettung einzelner Häuser vor der Insolvenz. Aber Finanzhilfen für die Kliniken sind nicht vorgesehen, auch wenn Lauterbach versprach, die Haushaltshaltslage zu prüfen – allerdings mit dem Zusatz: „Ich kann da keine Hoffnungen machen.“
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnt seit längerem vor einem Kliniksterben. Zum Ergebnis der Verhandlungen äußerte sich DKG-Vorstandsvorsitzender Gerald Gaß in den Tagesthemen kritisch: „Für uns ist der heutige Tag ein zwiespältiger. Auf der einen Seite sind wir froh, dass es überhaupt eine Einigung zwischen Bund und Ländern gibt.
Wenn man sich das Paper aber genau anschaut, sieht man, dass dort viele Prüfaufträge formuliert beziehungsweise viele unbestimmte Sachverhalte noch zu definieren sind. Auf der anderen Seite stehen wir am Vorabend eine Krankenhaussterbens – das sind die Worte des Ministers –, weil uns der dringend notwendige Inflationsausgleich fehlt.“
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) bemängelt fehlende konkrete finanzielle Zusagen des Bundes und der Länder. Dies dürfe nicht zu Lasten der Beitragszahlenden gehen.
Auch Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, sieht Verbesserungspotential bei der Finanzierung: „Die Vorhaltefinanzierung läuft Gefahr, nicht wirklich den Sprung weg von der Fallpauschalen-Fixierung zu schaffen. Hier muss deutlich nachgebessert werden.
Nur mit einem klaren Bevölkerungsbezug und Pauschalen, die vorab und unabhängig von der Rechnung des einzelnen Falls ausgezahlt werden, lassen sich die Planungssicherheit der Kliniken und die Bedarfsorientierung der Finanzierung strukturell verbessern.“
Außerdem betonte sie die Wichtigkeit von einheitlichen Standards: „Die Einführung der Leistungsgruppen ist für uns das zentrale Element der Reform. Sie sollten allerdings auf der Bundesebene vorgegeben werden – ohne faule Kompromisse auf Kosten von Qualität und Patientensicherheit.“
Susanne Johna, 1. Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, wies auf die Gefahren eines ungeordneten Krankenhaussterbens hin: „Die Vorstellungen mancher Kassenfunktionäre und Gesundheitsökonomen, durch ein Wegfallen von 400 oder 600 Krankenhäusern könne die Versorgung ohne Qualitätsverluste aufrechterhalten werden, sind völlig irreal und hätten dramatische Folgen für die Versorgung der Patienten.“
Für den Transformationsprozess seien aber erhebliche Investitionen notwendig.