Das elektronische Rezept kommt – zumindest ein bisschen: Ab 1. September startet die erste Stufe der bundesweiten Einführung der E‑Rezepte. Ab diesem Stichtag sind alle Apotheken bundesweit verpflichtet, Rezepte in elektronischer, digitaler Form – statt des jahrzehntelang gewohnten „rosa Zettels“ – anzunehmen.
Westfalen-Lippe ist erste Projektregion
Auf Ausstellerseite tut sich dagegen noch vergleichsweise wenig: Im NRW-Landesteil Westfalen-Lippe, der rund 7,5 Millionen Einwohner zählt, wird es ärztliche Pilotpraxen geben, die ab dem 1. September die Einführung des elektronischen Rezepts testen. Ursprünglich sollte auch das Bundesland Schleswig-Holstein bei der Pilotphase dabei sein – die dortige Kassenärztliche Vereinigung verkündete jedoch, sich vorerst aus dem Projekt zurückzuziehen.
Grund hierfür sind Datenschutzbedenken bei der hierfür zuständigen Behörde des Landes. Nach der mehrmonatigen Testphase in Westfalen-Lippe soll das E‑Rezept dann auch in weiteren Bundesländern beziehungsweise Regionen flächendeckend eingeführt werden.
Das elektronische Rezept ist seitens der Bundespolitik schon lange geplant, ließ aber Jahre auf sich warten. Das nun vor dem Start stehende System basiert auf dem am 16. August 2019 in Kraft getretenen Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV), sowie dem am 20. Oktober 2020 in Kraft getretenen „Gesetz zum Schutz elektronischer Patientendaten in der Telematikinfrastruktur (PDSG). Bislang gab es nur eine kleine Testphase in der Region Berlin / Brandenburg.
Für das Gesundheitsministerium ist das E‑Rezept ein logischer Schritt im digitalen Wandel nicht nur des Gesundheitswesens, sondern der Gesellschaft insgesamt: „Wenn Sie Geld überweisen, füllen Sie dann noch einen Überweisungszettel aus und bringen ihn zur Bank?“, wird rhetorisch veranschaulicht. „Warum bringen wir dann noch Papierrezepte zu unseren Apotheken?“ Gerade für ärztliche Videosprechstunden sei das E‑Rezept die passende digitale Ergänzung.
E‑Rezept: Viele Vorteile, aber auch Nachteile
Das E‑Rezept gilt als wichtiger Baustein bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Es vermeidet Erfassungsfehler bei handgeschriebenen Rezepten, den Verlust oder die Beschädigung eines Rezepts oder unbefugte patientenseitige Änderungen bzw. Manipulationen bei der Medikamente-Verordnung. Zudem erhöht sich das Tempo des Informationsflusses zwischen Praxis, Patient und Apotheke. Erkrankte Patienten könnten sich das E‑Rezept bequem und in Sekundenschnelle nach Hause aufs Smartphone senden lassen, statt den Weg zum Arzt in Kauf nehmen zu müssen, beziehungsweise aufs Rezept auf dem Postweg zu warten.
Und die Apotheken können so, falls erforderlich, Arzneimittel schneller bestellen. Zudem ließe sich die E‑Rezept-Verordnung in eine spätere digitale Patientenakte integrieren. Neben- und Wechselwirkungen zu anderen Medikamenten würden automatisch erkennbar werden. Zudem würden auf Arzt- und Apothekenseite weitere Kosten eingespart, wie für Papier oder Briefporto.
Kritiker verweisen dagegen auf die Möglichkeiten des Missbrauchs sowie des unbefugten Zugangs Dritter: Alle, die den QR-Code des E‑Rezepts erhalten, können dieses – rein theoretisch – einlösen. Eine Möglichkeit, die dem hätte vorbeugen können, wäre die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gewesen. Doch dies wiederum hätte die technischen Anforderungen erhöht, und somit die Hemmschwelle für Patientinnen und Patienten, die neue Möglichkeit tatsächlich zu nutzen. Zudem müsse – etwa für Notfälle, bei einem EDV-Systemausfall in der Arztpraxis oder falls der Patient seine Gesundheitskarte verliert – ohnehin die Möglichkeit eines „papiernen“ Rezeptes weiter bestehen bleiben. Und somit zwei parallele Strukturen – analog und digital.
Download einer Smartphone-App ist erforderlich
Patientinnen und Patienten, die am E‑Rezept teilnehmen und alle Vorteile aktiv nutzen wollen, benötigen ein Smartphone sowie die kostenfrei erhältliche App „Das E‑Rezept“ des halbstaatlichen Anbieters Gematik GmbH, der Nationalen Agentur für Digitale Medizin. Patienten, die – mangels technischer Ausstattung oder mangels Interesse – nicht am Pilotprojekt teilnehmen können oder wollen, erhalten in der (beim Pilotprojekt fürs elektronische Rezept teilnehmenden) Praxis einen Papierausdruck. Dieser enthält einen maschinenlesbaren QR-Rezeptcode, den man dann in der Apotheke zur Einlösung des E‑Rezepts vorzeigen kann.
Apotheker-Bundesverband: E‑Rezept via Gesundheitskarte ermöglichen
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) rechnet mit einem Erfolg des E‑Rezepts. „Schon in der mehrmonatigen Testphase wurden bundesweit mehr als 170.000 E‑Rezepte erstellt“, betont Christian Splett, Vize-Pressesprecher des ABDA, im Gespräch mit der Rechtsdepesche. Man sei froh, auf Apotheken-Seite bereit für das E‑Rezept zu sein, auch wenn Apotheken außerhalb der ersten Rollout-Region Westfalen-Lippe mit elektronischen Rezepten vorerst nicht allzu oft rechnen müssten.
Er rechne damit, dass demnächst alle Apotheken zur Annahme von E‑Rezepten bereit seien, schon allein aus Wettbewerbsgründen: Eine Apotheke werde es sich kaum leisten können und wollen, Patienten mit E‑Rezepten zurückzuweisen.
„Es muss während der Einführungsphase darum gehen, die letzten Probleme zu erkennen und diese zu beheben. Vom E‑Rezept erhoffen wir uns nicht nur eine Erleichterung für die Patienten, sondern auch für die Apotheken“, so Splett. Ganz schnell müsse nun aber auch – neben der Smartphone-App und dem ausgedruckten QR-Code – die Möglichkeit geschaffen werden, das E‑Rezept in der Apotheke durch Stecken der elektronischen Gesundheitskarte einzulösen. „Denn diese Karte haben die Patienten ohnehin, wenn sie zum Arzt wollen.“ Somit sei der dritte Weg einfach und praktisch, aber trotzdem sicher.