Grundsätzlich liegt die Schmerztherapie in der Hand und Macht des Stationsarztes. Allerdings wenden sich von Schmerzen befallene Patienten mit ihren Beschwerden häufig zuerst an Pflegekräfte. Daher ist es wichtig und notwendig, dass diese auch auf die Schmerzen der Patienten reagieren können.
Delegation nur bei geringem Risiko und entsprechender Qualifikation
Aus dem oben genannten Grund ist es essenziell, das Pflegepersonal mit in die Organisation der Schmerztherapie einzubeziehen und Möglichkeiten der Delegation an Pflegekräfte zu schaffen. Inzwischen ist die Zulässigkeit der Übertragung von intravenösen und intramuskulären Injektionen zur Schmerzlinderung durch Pflegende anerkannt, wenn die entsprechenden Delegationsvoraussetzungen beachtet werden. Bevor der Arzt eine Aufgabe an nichtärztliches Personal übergibt, muss er sich von folgenden Faktoren überzeugen:
- Objektive Gefährlichkeit der Maßnahme: Beinhaltet der Eingriff ein zu hohes Risiko, oder geht mit der Maßnahme eine derart hohe Komplikationsdichte einher, sodass der Patient gefährdet werden kann, so fällt die Verabreichung in das ärztliche Aufgabenfeld. Umgekehrt gilt: Je geringer die Komplikationsichte und das Gefährdungsrisiko, desto eher kann die Maßnahme an eine Pflegekraft übergeben werden.
- Subjektive Fähigkeit des Angewiesenen: Weist die Person die formellen und materiellen Qualifikationen zur Durchführung der Schmerzmittelverabreichung auf? Beispielhaft zu nennen sind bei letzterer unter anderem: Beherrschung der Injektionstechnik, Kenntnisse über (Neben-)Wirkungen, Krankenbeobachtung und mögliche Erste-Hilfe-Maßnahmen.
(Die Prüfung der Eignung des Personals erübrigt sich, sollte bei der Gefährlichkeit festgestellt werden, dass eine Delegation auf eine Pflegekraft nicht erfolgen kann)
Der DNQP-Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege“ sieht eine Delegation der Schmerzbehandlung an Pflegekräfte ebenfalls vor und weist auf die Notwendigkeit hin, dass das Pflegepersonal, auf das die Aufgabe letztlich delegiert wird, über nachweisbare Kenntnisse bezüglich Wirkung und Nebenwirkung der eingesetzten Pharmazeutika verfügt.
Die Handlungen des Pflegepersonals können durch hausinterne Standards erleichtert werden. Beispielsweise kann bei einer Schmerztherapie mit Basisanalgesie (Verabreichung von Nichtopioiden und Opioiden) nach ärztlicher Anweisung festgelegt sein, ab welcher Schmerzstufe welche Art von Medikation durch die Pflegekraft verabreicht werden kann und darf. Ferner sollte auch das WHO-Stufenschema den Pflegenden bekannt sein, welches eine Auswahl der Medikamente in Relation zur Schmerzintensität empfiehlt.
Grundlage für den reibungslosen Delegationsprozess ist zudem die regelmäßige Schmerzmessung und ‑dokumentation durch das Pflegepersonal sowie die Beachtung derselben durch den Stationsarzt. Die Kenntnis im Umgang mit diesen Instrumentarien ist die Grundvoraussetzung für die bedenkenlose Wahrnehmung ärztlicher Aufgaben durch Pflegekräfte in der Schmerztherapie.
„Falsche“ Schmerztherapie ist Körperverletzung
Die Wichtigkeit einer adäquaten Schmerztherapie zeigt sich darin, dass diese sogar als Maßnahme zur Lebensverlängerung beitragen kann. „Sie (gemeint sind hier die Patienten) haben einen Anspruch darauf, schmerzfrei, soweit das möglich ist, gehalten zu werden“, erläutert Prof. Dr. Volker Großkopf.
Das Recht auf eine adäquate Schmerztherapie ist ebenso im Recht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG) verankert. Ferner handelt es sich bei einer nicht-adäquaten Schmerztherapie um Körperverletzung durch Unterlassen im Sinne von § 13 StGB in Verbindung mit § 223 StGB.
Fazit: Dadurch, dass Pflegekräfte den Patienten häufig als erster Ansprechpartner zur Seite stehen, ist es notwendig und erlaubt, dass diese auch geeignete Schmerzmittel verabreichen dürfen. Die Pflegekräfte müssen jedoch über entsprechende Fachkenntnisse verfügen, andererseits können strafrechtliche Konsequenzen drohen.
Quellen:
- Großkopf/Klein (2019): „Recht in Medizin und Pflege“, 5. Auflage, S. 214 ff.
- RDG 2013, S. 140.