Der Sachverhalt
Die Klägerin beabsichtigte zum 1. Januar 2012 eine Krankenschwester in ihrem Krankenhausbetrieb einzusetzen, die Mitglied einer DRK-Schwesternschaft ist. Grundlage hierfür ist ein mit der DRK-Schwesternschaft geschlossener Gestellungsvertrag.
Der Betriebsrat der Klägerin verweigerte form- und fristgerecht seine Zustimmung zu der Einstellung. Er machte geltend, es handele sich um eine nach § 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG verbotene, weil dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung.
Das Arbeitsgericht Essen hat den Anträgen der Arbeitgeberin stattgegeben und die des Betriebsrats abgewiesen.[1] Zur Begründung gab das Gericht unter anderem an, dass die DRK-Schwestern ihre Leistung nicht als Arbeitnehmerinnen erbrächten, sondern als Vereinsmitglied. Insofern stelle der Einsatz der DRK-Schwestern im Wege der Personalgestellung auch keinen Fall einer Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG dar.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Betriebsrats vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf blieb erfolglos.[2] Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter.
DRK-Schwestern: Keine Arbeitnehmerinnen?
Mit Beschluss vom 17. März 2015 hat der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Artikel 267 AEUV folgende Frage vorgelegt:
„Findet Artikel 1 Absatz 1 und Absatz 2 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit Anwendung auf die Überlassung eines Vereinsmitglieds an ein anderes Unternehmen zur Arbeitsleistung nach dessen fachlicher und organisatorischer Weisung, wenn sich das Vereinsmitglied bei seinem Vereinsbeitritt verpflichtet hat, seine volle Arbeitskraft auch Dritten zur Verfügung zu stellen, wofür es von dem Verein eine monatliche Vergütung erhält, deren Berechnung sich nach den für die jeweilige Tätigkeit üblichen Kriterien richtet, und der Verein für die Überlassung den Ersatz der Personalkosten des Vereinsmitglieds sowie eine Verwaltungskostenpauschale erhält?“
Das an das EuGH gerichtete Vorabentscheidungsgesuch wurde von diesem mit Urteil vom 17. November 2016 wie folgt entschieden:[3]
„Artkel 1 Absätze 1 und 2 der Leiharbeitsrichtlinie vom 19. November 2008 ist dahin auszulegen, dass die durch einen Verein, der keinen Erwerbszweck verfolgt, gegen ein Gestellungsentgelt erfolgende Überlassung eines Vereinsmitglieds an ein entleihendes Unternehmen, damit das Mitglied bei diesem hauptberuflich und unter dessen Leitung gegen eine Vergütung Arbeitsleistungen erbringt, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, sofern das Mitglied aufgrund dieser Arbeitsleistung in dem betreffenden Mitgliedstaat geschützt ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Dies gilt auch, wenn das Mitglied nach nationalem Recht kein Arbeitnehmer ist, weil es mit dem Verein keinen Arbeitsvertrag geschlossen hat.“
Entscheidung des BAG
Im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hat das Bundesarbeitsgericht den Zustimmungsersetzungsantrag der Klägerin abgewiesen:[4] Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu Recht verweigert. Bei der Gestellung der DRK-Schwester handelt es sich um Arbeitnehmerüberlassung.
Aufgrund der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung liegt diese auch dann vor, so die höchsten Arbeitsrichter, wenn ein Vereinsmitglied gegen Entgelt bei einem Dritten weisungsabhängig tätig ist und dabei einen Schutz genießt, der – wie bei den DRK-Schwestern – dem eines Arbeitnehmers entspricht.
Ministerium und DRK arbeiten bereits an Strategie
Bedeutet das jetzt das Aus für die DRK-Schwesternschaften? Wohl nicht, denn in Erwartung einer negativen Entscheidung haben sich Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Dr. Rudolf Seiters, bereits auf eine Lösung zum Erhalt des Modells verständigt.
So soll mit einer Ergänzung des DRK-Gesetzes geregelt werden, dass für die Gestellung von Mitgliedern einer DRK-Schwesternschaft das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz mit der Maßgabe gilt, dass die Regelungen zur Überlassungshöchstdauer nicht anwendbar sind. Damit wäre die unbefristete Gestellung von Mitgliedern einer DRK-Schwesternschaft weiterhin möglich.
Quellen:
- ArbG Essen vom 2. Februar 2012 – 3 BV 94/11
- LAG Düsseldorf vom 6. Juli 2012 – 6 TaBV 30/12
- EuGH vom 17. November 2016 – C‑216/15
- BAG vom 21. Februar 2017 – 1 ABR 62/12