drip bars
Wie sinnvoll sind Infusio­nen in sogenann­ten Drip Bars? Bild: © Andrey Popov | Dreamstime.com

Gerade jetzt, zu Beginn der Erkäl­tungs­zeit, sind gesund­heits­be­wußte Menschen beson­ders hellhö­rig. Was hilft, um mein Immun­sys­tem für die Winter­sai­son zu stärken?

Der neueste Trend: sogenannte „Drip Bars“. Dort soll man mit Vitamin­in­fu­sio­nen Erkäl­tun­gen abweh­ren können, Erschöp­fun­gen entge­gen­wir­ken und den Teint zum Strah­len bringen. Per Injek­tion gelan­gen die Nährstoffe ins Blut, wo sie dann vermeint­lich schnell und effek­tiv wirken sollen.

Als Drips werden intra­ve­nös gegebene Nährstoff­mi­schun­gen bezeich­net, die dem Körper kontrol­liert verab­reicht werden. Diese sollen für mehr Wohlbe­fin­den sorgen und vermeint­li­che Defizite schnell und unkom­pli­ziert ausglei­chen.

Die Infusio­nen tröpfeln in bis zu 60 Minuten in den Blutkreis­lauf und gelan­gen somit ohne Umwege direkt in den Körper. Dadurch sollen die Nährstoffe schnel­ler und effek­ti­ver wirken als herkömm­li­che Nahrungs­er­gän­zungs­mit­tel.

Exper­ten sehen den Gesund­heits­trend jedoch kritisch und warnen vor den Risiken solcher Nährstoff­in­fu­sio­nen. Darin sind zum Beispiel enthal­ten:

  • Vitamin C
  • Biotin
  • Glutat­hion
  • Taurin

Drip Bars bieten Nährstoff­mixe an

Aber auch andere Substan­zen wie Zink oder Magne­sium finden ihren Weg in diese Infusio­nen. Die Angebote der Nährstoff­mixe variie­ren je nach Einsatz­ge­biet und Wünschen der Konsu­men­ten. In den hippen Wellness-Oasen wird dann Tropfen für Tropfen hochdo­siert und intra­ve­nös die Mischung verab­reicht.

Ein Anti-Kater-Drip wird beispiels­weise für rund 100 Euro angebo­ten – die Immun-Infusion per Tropf fließt für 180 Euro in die Blutbahn.

„Für solche Infusio­nen gibt es keine medizi­ni­sche nachvoll­zieh­bare Begrün­dung. Ernäh­rungs­me­di­zi­nisch ist es Humbug – schlimmste Schar­la­ta­ne­rie wie im Mittel­al­ter“, sagt dazu Dr. Matthias Riedl. Der Diabe­to­loge und Ernäh­rungs­me­di­zi­ner leitet das Medicum Hamburg, ein großes Zentrum für Ernäh­rungs­me­di­zin. Nährstoffe sind sein täglich Brot.

Von einer intra­ve­nö­sen Vitamin­the­ra­pie ohne ärztli­che Indika­tion rät Dr. Riedl grund­sätz­lich ab, da keine der angeb­li­chen gesund­heit­li­chen Auswir­kun­gen bisher wissen­schaft­lich bestä­tigt worden ist.

Inter­nis­ten kriti­sie­ren das Verfah­ren

Gegen­über der Rechts­de­pe­sche erklärt Dr. Matthias Riedl:

„Bei jeder Injek­tion besteht die Gefahr der Keimver­schlep­pung in die Blutbahn und thereo­tisch auch die Ansie­de­lung auf den Herzklap­pen. Die Gefahr einer Endoca­ri­di­tis ist zwar sehr gering, aber möglich und hängt auch von der Hygiene des Perso­nals ab. Wer solche oder andere Infusio­nen in kurzen Abstän­den erhält, erlei­det eine Vitamin­über­do­sie­rung mit mögli­chen gesund­heit­li­chen Nachtei­len. Die Betei­li­gung von unsin­ni­gen oder poten­zi­ell schäd­li­chen medizi­ni­schen Massnah­men durch medizi­ni­sches Fachper­so­nal ist unethisch. Die Deutsche Gesell­schaft für Innere Medizin bezeich­net solche Proce­du­ren zu Recht als skand­lös. Hier ist meiner Einschät­zung nach der Verbrau­cher­schutz und die behörd­li­che Aufsicht gefragt.“

„Insbe­son­dere Menschen mit Nieren­schä­di­gun­gen sollten von solchen Lifestyle-Infusio­nen Abstand nehmen, da es zu unerwünsch­ten Neben­wir­kun­gen kommen kann“, urteilt zum Beispiel Nieren­spe­zia­list Jan Galle.

Welche Nährstoff­men­gen ein Mensch durch­schnitt­lich braucht, um gesund zu sein und zu bleiben, ist mittler­weile gut unter­sucht.

Bezogen auf unter­schied­li­che Bevöl­ke­rungs­grup­pen – zum Beispiel Kinder, Erwach­sene unter­schied­li­cher Alters­klas­sen sowie Schwan­gere – hat die Deutsche Gesell­schaft für Ernäh­rung (DGE) sogenannte Referenz­werte für die Nährstoff­zu­fuhr und lebens­mit­tel­be­zo­gene Ernäh­rungs­emp­feh­lun­gen festge­legt.

Ausge­wo­gene Ernäh­rung reicht

Deren Aussage ist: Gesunde Menschen sind auf der siche­ren Seite, wenn sie ihre tägli­che Nährstoff- und Lebens­mit­tel­zu­fuhr an diesen Werten orien­tie­ren.

Eine Nährstoff­auf­nahme unter­halb der Empfeh­lun­gen führt nicht gleich zu einem Mangel. Und niemand sollte Tag für Tag ausrech­nen, ob er die Referenz­werte einhält. Eine abwechs­lungs­rei­che und ausge­wo­gene Ernäh­rung ermög­licht die Nährstoff­ver­sor­ung im Alltag in der Regel problem­los.

Die DGE spricht folgende Empfeh­lun­gen aus:

„Eine ausge­wo­gene und abwechs­lungs­rei­che Ernäh­rung liefert in der Regel alles, was ein gesun­der Mensch braucht, um gut mit Energie und Nährstof­fen versorgt zu sein. Für bestimmte Lebens­pha­sen, Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten und Bevöl­ke­rungs­grup­pen gibt es allge­meine Empfeh­lun­gen zur Supple­men­tie­rung.

Dazu zählen vor allem Frauen mit Kinder­wunsch (Folsäure), Schwan­gere (Folsäure und Jod) und Stillende (Jod), Menschen, die sich vegan ernäh­ren (Vitamin B12) sowie Säuglinge, über 65-Jährige und auch Menschen, die sich kaum draußen im Tages­licht aufhal­ten oder ihre Haut größten­teils bedecken (Vitamin D).

Das Risiko einer unzurei­chen­den Nährstoff­ver­sor­gung steigt zum Beispiel durch eine einsei­tige Ernäh­rung,“

FAQ

Welche Wirkung erzie­len Drip Bar-Injek­tio­nen?

Die Nährstoff­mixe, die in den Drip Bars indivi­du­ell angepasst werden, sollen das Immun­sys­tem schnell und direkt durch eine Infusion stärken. Dieses Verspre­chen erscheint aktuell jedoch höchst zweifel­haft, wie Inter­nis­ten kriti­sie­ren.

Für wen sind Nahrungs­er­gän­zungs­mit­tel überhaupt zu empfeh­len?

Gesunde Menschen sind auf der siche­ren Seite, wenn sie ihre tägli­che Nährstoff- und Lebens­mit­tel­zu­fuhr an den ausge­wie­se­nen Werten der DGE orien­tie­ren.

Fazit

Intra­ve­nöse Extra­vit­amine und Minera­lien helfen in erster Linie denen, die sie verab­rei­chen und verkau­fen.

Keine einzige der bisher vorlie­gen­den Studien konnte nachwei­sen, dass Drips etwa Erkäl­tun­gen verhin­dern, die Haut straf­fen, die Fettver­bren­nung ankur­beln oder einen Kater lindern können.

Die Verab­rei­chung direkt ins Blut sagt nichts über den Wirkungs­grad aus. Auch wenn die Nährstoffe am schnells­ten direkt über die Blutbahn aufge­nom­men werden, nützen sie nichts, wenn der Körper keinen Mangel­zu­stand hat.