Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat eine drastische Prognose zur wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser abgegeben. Sie sieht für 2023 einen Fehlbetrag von 9 Mrd. Euro voraus, verursacht durch die massiven Kostensteigerungen in den Bereichen Energie, medizinischer Bedarf und Löhne.
Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG, befürchtet drastische Folgen für die sowieso schon angespannte Personalsituation. „Eine massive Kostensenkung bedeutet immer, Personal zu reduzieren. Ein Fehlbetrag von 9 Mrd. Euro entspricht dem Abbau von 100.000 Vollkräften.“
Chronischer Personalmangel, fehlende Investitionen
Die Coronahilfen für die Kliniken sind Mitte 2022 ausgelaufen. Nach den Belastungen der Pandemie trifft die Krankenhäuser nun die Inflation und insbesondere die extrem gestiegenen Energiepreise. Diese gesteigerten Kosten können die Kliniken nicht weitergeben. Die Kostensteigerungen treffen auf staatlich reglementierte Preise. Für das Jahr 2022 ist für die Kliniken nur eine Steigerung der Einnahmen von 2,32 Prozent vorgesehen.
Die Inflation liegt aber schon bei knapp acht Prozent und wird auf zehn Prozent steigen. Hinzu kommen seit Jahren bekannte Probleme wie der chronische Personalmangel und die ausbleibende Investitionskostenfinanzierung der Länder. „Es ist völlig inakzeptabel, dass die Politik einfach hinnimmt, dass bereits in diesem Jahr 60 Prozent der Krankenhäuser rote Zahlen schreiben und sich die Lage im kommenden Jahr noch weiter zuspitzen wird“ erklärt Gaß.
„Laut einer Blitzumfrage vom August 2022 sehen knapp 40 Prozent der Krankenhäuser ihre wirtschaftliche Situation so gefährdet, dass Insolvenzen drohen. Eine wirtschaftlich solide Finanzplanung ist derzeit unmöglich, und an vielen Orten droht deshalb die Schließung von Krankenhäusern – mit negativen Folgen für die Versorgungssicherheit.
Für viele Landkreise könnte das bedeuten, dass sie den Sicherstellungsauftrag übernehmen müssen, um für insolvente Kliniken einzustehen. Ohne einen Inflationsausgleich zur Stabilisierung der Krankenhäuser droht ein massiver Personalabbau mit negativen Folgen für die Patientenversorgung. Wir brauchen jetzt kurzfristige finanzielle Hilfe, und langfristig vernünftige Struktur- und Finanzierungsreformen. Wenn der Gesundheitsminister jetzt nicht hilft, wird sich der kalte Strukturwandel mit seinen Krankenhaus-Schließungen dramatisch weiter verschärfen. Dann gefährdet er die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung“, so Gaß.
Gestiegene Kosten können nicht mehr aus Einnahmen finanziert werden
Die Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) aus dem August 2022 zeigt die finanzielle Situation der Krankenhäuser deutlich. Demnach können 96 Prozent der Krankenhäuser die gestiegenen Kosten nicht mehr aus den laufenden Einnahmen bezahlen. Alleine die Energiekostensteigerungen bringen Kliniken an den Rand der Zahlungsfähigkeit.
„Ein Krankenhaus mittlerer Größe wird nach aktuellen Berechnungen 2023 über 6 Millionen Euro mehr für Gas und Strom bezahlen, als im Jahr 2021. Mehrausgaben in Millionenhöhe, die nicht gedeckt sind. Allein das macht auf alle Kliniken hochgerechnet einen Fehlbetrag von rund 4 Milliarden Euro. Insgesamt gehen wir für das Jahr 2023 von einer Unterdeckung von 9 Milliarden aus. Der Bund hat in den vergangenen Krisen sehr eindrücklich unter Beweis gestellt, dass kurzfristige Finanzhilfen für Unternehmen auch in solcher Größenordnung möglich sind. Nun ist es an der Zeit, dies auch für die Einrichtungen der Daseinsvorsoge zu leisten“, sagt Gaß.
Die DKG fordert einen Inflationsausgleich, um die stark gestiegenen Ausgaben der Krankenhäuser ausgleichen zu können.
DKG: Personalausfälle gefährden Versorgungsituation
Die wirtschaftliche Situation trifft auch noch auf eine extrem angespannte Personalsituation in den Kliniken. Aktuelle Zahlen zeigen, dass Personalausfälle die Versorgungssituation gefährden. Aktuell können 87 Prozent der Krankenhäuser nicht ausschließen, Stationen zeitweilig schließen zu müssen. Und fast 80 Prozent gehen davon aus, dass sie im Herbst wegen Personalmangels planbare Operationen und Eingriffe verschieben oder absagen müssen. Und in dieser Situation verschärfen hohe Personalvorgaben die Personalnot, und das verbliebene Personal wird mit extremer Bürokratie überlastet.
„Wir brauchen einen Befreiungsschlag. Zum einen müssen wir endlich entbürokratisieren und die Misstrauenskultur beenden. Die Beschäftigten in den Krankenhäusern müssen von Bürokratie befreit werden, statt sie mit immer mehr Anforderungen zu konfrontieren. Dass Pflegekräfte und Ärzte drei Stunden täglich mit oft unnötigen Dokumentationsarbeiten verbringen müssen, ist inakzeptabel. Zum anderen brauchen wir einen großen Digitalisierungsschub, um unser Personal zu entlasten.
Wir müssen aber auch weg von immer kleinteiligeren Personalvorgaben. Die Teams in den Krankenhäusern, die täglich die Versorgung der Patientinnen und Patienten stemmen, benötigen Vertrauen und Handlungsspielraum, um die Kolleginnen und Kollegen optimal und für die Versorgung und die Patienten nutzbringend einsetzen zu können. Absolut absurd wird die Situation dadurch, dass das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz auch noch den Pflegemangel verschärfen wird.
Der Minister muss diese Pläne schnellstmöglich ad acta legen. Und wir brauchen für die Mitarbeitenden eine klare Perspektive für eine bessere Personalausstattung. Ich betone, auch wir Krankenhäuser sind hier gefordert, aber wir benötigen zuvorderst die politischen Rahmenbedingungen“, so Prof. Dr. Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG.
Um auf die drastischen Missstände aufmerksam zu machen und die Politik zum Handeln zu zwingen, hat die DKG am 5. September die Informationskampagne „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Gefahr“ gestartet. Mit einem Infomobil und anderen Veranstaltungen wird die DKG gemeinsam mit allen Landeskrankenhausgesellschaften in allen Bundesländern einen umgehenden Inflationsausgleich für die Kliniken fordern, um ungesteuerte Insolvenzen zu verhindern. Mit einer Online-Petition will sie ihre Forderungen an die Politik bekräftigen.