Pflegefachkraft aufgepasst: Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende, Zeit die zentralen Geschehnisse auch aus rechtlicher Sicht Revue passieren zu lassen. Gerade im Pflegebereich gab es von den Gerichten einige Paukenschläge, die auch in die nächsten Jahre nachhallen werden.
War die Corona-Impfpflicht für das Pflegepersonal rechtens?
Die Aufarbeitung der Corona-Jahre kommt langsam in die Gänge und macht auch vor den Gerichten nicht Halt. Für Aufsehen sorgte eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Osnabrück, das erstmals Zweifel an der Rechtmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht während der Corona-Pandemie äußerte.
Die Impfpflicht galt im Jahr 2022 und sollte dazu beitragen, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Mitarbeitende im Gesundheitswesen wurden damals dazu aufgefordert, einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest vorzulegen.
Weil eine Pflegehelferin dem nicht nachgekommen ist, wurde ihr ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot ausgesprochen. Dagegen klagte die Frau.
Tatsächlich gab das VG Osnabrück ihr recht. Das Gericht argumentierte, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und Berufsfreiheit einschränke und nur deshalb gerechtfertigt war, weil man glaubte, dass die Impfung einen ausreichenden Fremdschutz für vulnerable Menschen biete.
Neue Erkenntnisse aus Protokollen des Robert-Koch-Instituts lassen allerdings erkennen, dass es schon damals Zweifel an der Wirksamkeit der Impfung hinsichtlich des Fremdschutzes gab und die einrichtungsbezogene Impfpflicht trotzdem durchgehend fortbestand.
Sie sei damit im Laufe des Jahres 2022 „in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen, da der Zweck der einrichtungsbezogenen Impfpflicht, vulnerable Personen zu schützen, aufgrund der gleichwertigen Virusübertragung durch geimpfte Personen nicht mehr erreicht werden konnte“, so das Gericht.
Die Entscheidung wird nun dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, dass damit erneut über die einrichtungsbezogene Impfpflicht urteilen müsste.
Überstundenzuschläge auch bei Teilzeit
Gute Neuigkeiten gab es dieses Jahr für Teilzeitbeschäftigte. Geklagt hatte eine Teilzeit-Pflegefachkraft, die trotz zahlreicher Überstunden weder Zuschläge noch Zeitgutschriften erhielt.
Grund dafür war eine Regelung in ihrem Tarifvertrag, die dafür sorgte, dass Überstundenzuschläge nur dann gewährt werden, wenn die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten wird. Das wertete das Bundesarbeitsgericht als Diskriminierung gegenüber Teilzeitbeschäftigten (§ 4 Abs. 1 TzBfG). Außerdem liege ein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vor, da in der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten deutlich mehr Frauen als Männer vertreten sind (§ 7 Abs. 1 AGG).
Nach Auffassung des Gerichts gab es keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung, weshalb es die tarifliche Regelung für unwirksam erklärte. Teilzeitbeschäftigten steht demnach ein anteiliger Anspruch auf Überstundenzuschläge zu.
Suizid eines Patienten: Hat die Pflegefachkraft Schuld?
Ein tragischer Fall vor dem Oberlandesgericht Köln, der auch das Verhalten von Pflegefachkräften bei ärztlichen Anordnungen betrifft. Es geht um einen Mann, der wegen Selbstmordwünschen in ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie eingewiesen wurde.
Dort zeigte er sich offen und kontaktfreudig im Umgang mit den Pflegenden – auch eine akute Suizidalität verneinte er. Eine Pflegefachkraft erlaubte dem Mann schließlich alleine duschen zu gehen, obwohl es vorher noch eine ärztliche Anordnung zur ständigen Überwachung des Patienten gab. In der Dusche erhängte sich der Mann schließlich mit dem Duschschlauch.
Vor Gericht sollte die Schuld der Pflegefachkraft festgestellt werden. Es zeigte sich, dass die ärztliche Anweisung für die Überwachung des Patienten nur für die Nacht galt und sich der Mann erst morgens während des Frühdienstes erhängte.
Außerdem erkannte das Gericht, dass sich eine Pflegefachkraft grundsätzlich selbst ein Bild über die Suizidalität eines Patienten machen kann und ihm, trotz ärztlicher Anweisung zur Überwachung, unbeaufsichtigte Phasen gewären darf (z.B. beim Duschen).
Trotzdem wertete das Gericht das Verhalten der Pflegefachkraft als Fehler, weil sie sich zunächst völlige Sicherheit über den Zustand des Patienten hätte verschaffen müssen. Dafür wäre ggf. eine psychiatrische Untersuchung nötig gewesen.
Schuld am Tod des Patienten kommt der Pflegefachkraft allerdings nicht zu. So könnte es sein, dass der Mann erst in der Dusche den Entschluss fasste, sich das Leben zu nehmen. Auch eine ärztliche Untersuchung hätte das nicht vorhersehen können.
Kündigung wegen Manipulation von Patientenakte
Was im Arbeitsalltag gerne lapidaren Umgang erfährt, hatte für die Mitarbeiterin in einer Arztpraxis gravierende Folgen – die nachträgliche Änderung der Patientenakte.
Vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein ging es konkret um die nachträgliche Änderung eines Datums in der elektronischen Patientenakte. Die Ärztin ist darauf nur durch Zufall aufmerksam geworden und hat sofort besagte Mitarbeiterin verdächtigt. In der Vergangenheit ist es immer wieder zu Reibereien mit ihr gekommen. Es folgte schließlich die fristlose Kündigung.
Die Mitarbeiterin gestand schießlich ihren Fehler, nachdem sie zunächst ihre Unschuld beteuerte. Das Gericht bewertete ihr Verhalten als massiven Vertrauensbruch und eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Eine korrekte Dokumentation sei essenziell für die Patientensicherheit.
Jede Veränderung untergrabe nicht nur die Qualität der Behandlung, sondern könne auch haftungsrechtliche Konsequenzen für die gesamte Einrichtung haben. Aufgrund der Schwere des Verstoßes sei die Kündigung gerechtfertigt.
Eintragungen in die Patientenakte müssen sorgfältig und anweisungs- sowie wahrheitsgemäß erfolgen. Änderungen dürfen – auch in der elektronischen Patientenakte – nur dann vorgenommen werden, wenn die ursprüngliche Eintragung zu erkennen bleibt.