Wolfgang Frahm:
Wolfgang Frahm: „Der Wille des Patien­ten ist entschei­dend“ Bild: Stiftung Gesund­heit

„Der Arzt dient der Gesund­heit des einzel­nen Menschen und des gesam­ten Volkes“, postu­liert die Bundes­ärz­te­ord­nung. Der Kieler Sozial­recht­ler Dr. Felix Welti skizzierte die Grenzen, die das Gemein­wohl der Thera­pie­frei­heit setzt. Seiner Auffas­sung nach dürfen Fragen der Ratio­na­li­sie­rung nicht in das Verhält­nis Arzt–Patient hinein­ge­tra­gen werden. Faktisch geschehe dies aber – zumin­dest mittel­bar – seit gerau­mer Zeit; die Vergü­tungs­form der indivi­du­el­len Gesund­heits­leis­tun­gen belege diesen Trend in anschau­li­cher Weise. Solange der Patient jedoch in eigener Verant­wor­tung seine Thera­pie­ent­schei­dung treffen kann, hegt Welti gegen diese Praxis keine verfas­sungs­recht­li­chen Beden­ken.

Auch für Wolfgang Frahm, Richter im Senat für Arzthaf­tung beim OLG Schles­wig, ist der Wille des Patien­ten im Thera­pie­pro­zess das entschei­dende Krite­rium. Er erläu­terte den rund 100 anwesen­den Juris­ten und Medizi­nern, dass sich die einzu­lei­tende ärztli­che Leistung nach der Art der Krank­heit zu richten habe, wobei die Thera­pie­wahl dem aktuel­len Stand der Wissen­schaft und Forschung entspre­chen muss. Wird der Korri­dor des Facharzt­stan­dards verlas­sen, kann dies gravie­rende haftungs­recht­li­che Konse­quen­zen nach sich ziehen. Gleich­zei­tig sind für Frahm aber auch Situa­tio­nen denkbar, die ein Abwei­chen von den Leitli­ni­en­vor­ga­ben sogar erfor­der­lich machen. Der Arzt ist in derar­ti­gen Fällen jedoch verpflich­tet, eine beson­ders sorgfäl­tige Abwägung der Umstände, Risiken und Progno­sen des jewei­li­gen Einzel­fal­les vorzu­neh­men.

Prof. Dr. Chris­tian Katzen­meier von der Univer­si­tät Köln bekräf­tigte, dass jede recht­li­che Bewer­tung von den medizi­ni­schen Möglich­kei­ten auszu­ge­hen hat. „Gleich­wohl darf es nicht zur Sparent­schei­dung am Kranken­bett kommen“, so seine Begrün­dung zur notwen­di­gen Harmo­ni­sie­rung von GKV-Standards und zivil­recht­li­chen Haftungs­maß­stä­ben. Wird der Arzt zum verlän­ger­ten gesund­heits­po­li­ti­schen Arm, befürch­tet Katzen­meier einen Vertrau­ens­ver­lust in die Ärzte­schaft und den Einzug einer Zweiklas­sen­me­di­zin.

Auch für Rechts­an­walt Dr. Michael Kleine-Cosack aus Freiburg hat die Ärzte­schaft begon­nen, sich den Heraus­for­de­run­gen des neuen Marktes zu stellen. Er erläu­terte die wettbe­werbs­recht­li­chen Aspekte der Werbung für Gesund­heits­ein­rich­tun­gen – und zog das Fazit: „Der Garten der Werbe­frei­heit ist eröff­net.“

Unter der Leitung von Dr. Britta Specht und Dr. Peter Müller erwies sich der Medizin­rechts­tag einmal mehr als exzel­lente Stätte des inter­dis­zi­pli­nä­ren Dialogs zwischen Ärzten und Juris­ten.