PPR
Bundes­mi­nis­ter für Gesund­heit, Karl Lauter­bach (SPD) Bild: BMG/Thomas Ecke

Bereits zweiein­halb Jahre ist es mittler­weile seit der Erstvor­stel­lung der überar­bei­ten­den Pflege­per­so­nal-Regelung (PPR 2.0) her. In der vergan­ge­nen Legis­la­tur­pe­ri­ode war das Vorha­ben, die Perso­nal­si­tua­tion in den Klini­ken noch schär­fer festzu­schrei­ben und bestehende Pflege­kräfte zu entlas­ten, weitge­hend – wohl auch aufgrund der Corona­pan­de­mie als alles-beherr­schen­des Thema – liegen­ge­blie­ben.

Nun aber kommt wieder Bewegung in die Sache: Das Bundes­mi­nis­te­rium für Gesund­heit unter Führung von Karl Lauter­bach (SPD) hat – im Rahmen der Eckpunkte eines Pflege-Entlas­tungs­ge­set­zes – die Einfüh­rung der neuen Perso­nal­re­ge­lung auf den Statio­nen präzi­siert. In mehre­ren Schrit­ten, von Jahres­be­ginn 2023 bis ins Jahr 2025 hinein, soll sich die PPR 2.0 stufen­weise in der statio­nä­ren Patien­ten­ver­sor­gung etablie­ren.

Ab 2025 drohen Kranken­häu­sern, welche die festge­leg­ten Werte bei der Perso­nal­be­mes­sung dauer­haft unter­schrei­ten, Sanktio­nen.

Die neue Pflege­per­so­nal-Regelung hat die Aufgabe, eine bedarfs­ori­en­tierte Perso­nal­de­cke in Kranken­häu­sern sicher­zu­stel­len. Hierzu werden die Pflege­leis­tun­gen und Zeitwerte an aktuelle, am Bedarf der Patien­ten orien­tierte Anfor­de­run­gen angepasst. Für jede zu pflegende Person auf Station wird, kurz gesagt, punkt­ge­nau ermit­telt, wie viel Pflege­zeit sie benötigt – einer­seits bezogen auf allge­meine, immer bei einem Klinik­auf­ent­halt anfal­lende Leistun­gen wie Ernäh­rung, Körper­pflege und Mobili­sie­rung, anderer­seits auf spezi­elle, situa­ti­ons­be­zo­gene Leistun­gen, wie die Wundpflege nach einer Opera­tion.

Darüber hinaus gibt es pauschale Zeitbud­gets für organi­sa­to­ri­sche Dinge, sowie einheit­li­che Fallwerte für Aufnahme und Entlas­sung. „Insge­samt ergibt sich in erster Einschät­zung eine durch­schnitt­li­che Steige­rung des Pflege­zeit­be­darfs pro Patient um 8,1 Prozent gegen­über der alten PPR“, schätzt es die Deutsche Kranken­haus-Gesell­schaft (DKG) ein, die einer der drei Partner beim Entwurf der neuen Regelung war und die den Entwurf am 13. Januar 2020 gemein­sam vorge­stellt hatten.

Ausfall­pläne: Auf Perso­nal­eng­pässe frühzei­tig reagie­ren

Ein wichti­ges Ziel der PPR 2.0 ist es auch, die Dienst­plan­ge­stal­tung frühzei­tig anzuge­hen und trans­pa­rent zu machen, auch um den Mitar­bei­ten­den Planungs­si­cher­heit zu geben. Ein vorher geregel­tes und hinter­leg­tes Ausfall­kon­zept soll Vorsorge für den Fall tragen, dass Arbeits­kräfte auf den Statio­nen knapp werden. Die neue Perso­nal-Bemes­sung würde zugleich die Pflege­per­so­nal-Unter­gren­zen für bestimmte, beson­ders sensi­ble Abtei­lun­gen der Kranken­haus­ver­sor­gung – höchst­wahr­schein­lich – überflüs­sig machen und daher erset­zen.

Wenn der Bundes­tag das Regel­werk beschließt – was aber als sicher gilt – könnte ab 1. Januar 2023 die PPR 2.0 mit einer Erpro­bungs­phase von mindes­tens drei Monaten Länge in reprä­sen­ta­tiv ausge­wähl­ten Kranken­häu­sern starten; weitere Klini­ken könnten sich auf freiwil­li­ger Basis anschlie­ßen. Im Laufe des Jahres wird die PPR 2.0 immer weiter ausge­wei­tet; ab Januar 2024 würde es für die Einrich­tun­gen verpflich­tend, die Regelun­gen anzuwen­den; zunächst jedoch noch ohne Sankti­ons­druck.

Diese würden dann ab 2025 anste­hen, für Klini­ken, die die Vorga­ben nicht einhal­ten. Während der Einfüh­rung wird ein wissen­schaft­li­ches Insti­tut fortwäh­rend über die Zwischen­er­kennt­nisse berich­ten, und im Laufe des Verfah­rens den Umset­zungs­grad in den Kranken­häu­sern feststel­len. Ein erster Zwischen­be­richt ist für 1. Juli 2023 termi­niert.

Freude über anste­hende PPR-Einfüh­rung: „Bedeut­sa­mes Verspre­chen des Koali­ti­ons­ver­trags einge­löst“

Die Partner der PPR 2.0 begrü­ßen die Ankün­di­gung Lauter­bachs einhel­lig. „Die Einfüh­rung der PPR 2.0 ist ein Meilen­stein hin zu besse­ren Arbeits­be­din­gun­gen und einer guten Versor­gungs­qua­li­tät im Kranken­haus“, kommen­tiert es die Gewerk­schaft Verdi. Nach Jahren andau­ern­der hoher Belas­tung und extre­mer, pande­mie­be­ding­ter Anstren­gun­gen zeichne sich endlich eine nachhal­tige Lösung gegen die Perso­nal-Misere ab, erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Minis­ter Lauter­bach macht damit klar, dass er die struk­tu­relle Perso­nal­not in den Klini­ken ernst­haft angehen will.“

„Der Deutsche Pflege­rat freut sich darüber, dass die Pflege­per­so­nal-Regelung PPR 2.0 und Kinder-PPR 2.0 als eine unserer langjäh­ri­gen Forde­run­gen mit den jetzt veröf­fent­lich­ten Eckpunk­ten eines Pflege­ent­las­tungs­ge­set­zes auf den Weg gebracht wurde. Damit wäre ein bedeut­sa­mes Verspre­chen des Koali­ti­ons­ver­trags einge­löst“, kommen­tiert es Chris­tine Vogler, die Präsi­den­tin des Deutschen Pflege­rats. Nun gelte es, die PPR 2.0, und auch die beglei­tende Kinder-PPR 2.0 für Kinder­sta­tio­nen, als lernende Systeme zu begrei­fen; man wolle bei der Weiter­ent­wick­lung gerne mitar­bei­ten und einge­bun­den werden.

„Es ist gut, dass sich der Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter nach langem Zögern nun doch entschlos­sen hat, die vom Deutschen Pflege­rat, ver.di und der Deutschen Kranken­haus­ge­sell­schaft entwi­ckelte Pflege­per­so­nal­be­mes­sung PPR 2.0 einzu­füh­ren“, erklärt der Vorstands­vor­sit­zende der DKG, Dr. Gerald Gaß. Aller­dings sei die im gleichen Zug verkün­dete Ankün­di­gung von Sanktio­nen unpas­send. Man müsse sich vielmehr im Laufe der Einfüh­rung anschauen, wo es Probleme bei der Perso­nal­aus­stat­tung gebe, und wie sich diese gemein­sam lösen ließen.

„Die PPR 2.0 ist alter Wein in neuen Schläu­chen“, resümiert dagegen kritisch der GKV-Spitzen­ver­band. Die Pflege­qua­li­tät bleibe außen vor; die Perso­nal­be­mes­sung sei zu stark quanti­ta­tiv definiert und lasse fachli­che Quali­fi­ka­tio­nen weitge­hend außen vor. „Für eine gute Versor­gung pflege­be­dürf­ti­ger Patien­ten ist es aber wichtig, dass genügend Pfleg­fach­kräfte, Pflege­hilfs­kräfte und auch Perso­nen der akade­mi­schen Pflege­be­rufe eine quali­ta­tiv hochwer­tige und bedarfs­ge­rechte Pflege überneh­men.“

.