Wo klare Regelungen fehlen, agieren die Betroffenen in einer haftungsrechtlichen Grauzone. In der Praxis sei es längst unumgänglich geworden, ärztliche Randaufgaben auf die Pflege zu verlagern, erklärte der Geschäftsführer des Städtischen Klinikums Görlitz, René Bostelaar. Zur Ablaufkoordinierung und ‑kontrolle bedürfe es aber gleichzeitig der Einführung eines modernen Case Managements, forderte der frühere Pflegedirektor der Uniklinik Köln, der dort vielbeachtete Projekte zur Delegation realisiert hat.
Zahlreiche Referenten aus der Rechtswissenschaft wie der Pflegerechtler Prof. Dr. Volker Großkopf wiesen jedoch auf die bisher noch fehlende Rechtsprechung zur Haftung bei der Neuverteilung von Aufgaben in Medizin und Pflege hin. Er riet vorsorglich zu einem umfassenden Haftpflichtmanagement, um die Klinik oder Pflegeeinrichtung im Klagefall vor der Beweispflicht bei Schadensersatzforderungen wirksam zu schützen. Dazu seien eine enge Orientierung an geltenden fachlichen Standards sowie eine umfassende Dokumentation der ergriffenen und unterlassenen Maßnahmen notwendig.
Der Wirtschafts- und Sozialrechtler Prof. Dr. Klaus Theuerkauf wies aber auch auf die Grenzen der aktuellen und künftigen pflegerischen Expertenstandards hin, die eine konkrete Anpassung an die jeweiligen Arbeitsabläufe in einer Einrichtung erforderten und nicht wörtlich als Anleitung verstanden werden dürften.
Zur aktuellen Sorge des Gesundheitswesens bezüglich des in vielen Bereichen schwindenden Haftpflichtschutzes nahm Stefan Knoch von der Geschäftsführung des internationalen Versicherungsmaklers Assekuranz AG Stellung. Er verwies auf eine rasant gestiegene Inanspruchnahme von Haftpflichtversicherungen und höhere Haftungssummen in vielen Einzelfällen. Maßnahmen der Qualitätssicherung und der Krisenintervention könnten helfen, das Haftungsrisiko einer Einrichtung und damit letztlich auch die Prämien deutlich zu senken. Die Versicherungen müssten in alle Bemühungen um moderne Konzepte zum Personaleinsatz eingebunden werden, waren sich die Juristen, Ärzte und Pflegemanager einig. Einhellig sehen sie große Chancen zur Verbesserung der Versorgung und für finanzielle Einsparungen, wiesen gleichzeitig aber auch auf die rechtlichen Unklarheiten hin.
„Die Politik darf sich hier nicht wegducken“, forderte in der abschließenden Podiumsdiskussion Prof. Dr. Ingo Palsherm von der Hochschule Fresenius. Er kritisierte, dass die jüngste Bundesratsinitiative zur Regelung der Ausbildung für chirurgische Assistenten im Bundestag zurückgewiesen wurde. Andere Möglichkeiten für Modellprojekte, z.B. zur pflegerischen Verordnungskompetenz im Bereich der Wundversorgung, könnten ebenfalls nicht realisiert werden.
Auch aus den Reihen der Kongressteilnehmer erhielt diese Forderung breite Zustimmung. Gerade in der Pflege herrsche große Bereitschaft, neue Aufgaben zu übernehmen, berichteten Fachbesucher aus Kliniken und Pflegeheimen. Es müsse dazu aber endlich eine verlässliche arbeits- und haftungsrechtliche Regelung geben.