Antibiotikaresistenzen sind ein ernst zunehmendes Problem – laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jährlich rund 700.000 Menschen infolge von bakteriellen Infekten, die aufgrund von Antibiotikaresistenzen nicht abgewehrt werden können. Nun sind Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der britischen University of Oxford zu neuen Erkenntnissen gekommen, die einen Fortschritt im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen bringen könnten.
RNA-Produktion elementar für Überleben der Bakterien
Sie haben herausgefunden, dass die frühe Phase der Produktion von Ribonukleinsäure (RNA) ein zentraler Schlüsselpunkt ist, um die sogenannte Genexpression in Bakterien zu kontrollieren. Genexpression bezeichnet die Bildung von einem Gen kodierten Genprodukts, vor allem von Proteinen oder RNA-Molekülen. In Bakterien wird die RNA mit Hilfe eines großen Proteinkomplexes, der RNA-Polymerase (RNAP), hergestellt. Diese RNAP liest die DNA-Sequenz aus und stellt eine RNA-Kopie her, indem sie Nukleotide – die fundamentalen Bausteine der RNA – während der sogenannten Transkription verbindet. Da diese RNA-Produktion für das Überleben der Bakterien elementar ist, wurde sie bereits intensiv untersucht und als Ansatzpunkt für Antibiotika, zum Beispiel gegen Tuberkulose, genutzt. Dennoch war bisher unklar, wie die RNA-Produktion auch in der frühen Phase der Transkription, in der die RNAP gerade erst begonnen hat, die ersten Bausteine der RNA zusammenzusetzen, reguliert wird. Diese Fragestellung haben die Wissenschaftler untersucht.
Die Forscher setzten auf die High-End-Fluireszenzmikroskopie und konnten einzelne RNAP-Moleküle während des Beginns der RNA-Herstellung verfolgen. So fanden sie heraus, dass die initiale RNA-Synthese stark reguliert ist: Eine bestimmte DNA-Sequenz zwingt die RNAP, für mehrere Sekunden zu pausieren. Erst danach ist es ihr wieder möglich, mit der RNA-Produktion fortzufahren.
Hilfreich für die Entwicklung neuer Antibiotika
Dieses Forschungsergebnis verändert das bisherige Bild der initialen RNA-Synthese in Bakterien völlig. „Die Tatsache, dass die RNAP für längere Zeit gleichzeitig an die DNA und das kurze RNA-Stück gebunden sein kann, war für uns sehr überraschend, da es dem bisherigen Wissensstand widerspricht“, sagt Dr. David Dulin vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung der FAU.
Die Wissenschaftler sehen in ihrer Entdeckung Potenzial für einen völlig neuen Ansatzpunkt in der Entwicklung von Antibiotika. „Nun könnten Präparate entwickelt werden, die auf unseren Erkenntnissen aufbauen und die krankheitsverursachenden Bakterien töten“, hofft Dulin. Die Entdeckung dieses neuen Kontrollpunkts in der Genexpression kann für die Entwicklung neuer Antibiotika genutzt werden. „Zum Beispiel könnten Präparate entwickelt werden, die die RNAP in dem pausierten Zustand festhalten und dadurch die krankheitsverursachenden Bakterien töten“, stellt sich Dr. Dulin vor. Ein Hoffnungsschimmer im weltweiten Kampf gegen Antibiotikaresistenzen.
Die Forschungsergebnisse wurden in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Quelle: idw