Der Verbandmittelregress
Der Verband­mit­tel­re­gress – Beach­tung des Wirtschaft­lich­keits­ge­bots

Das Wirtschaft­lich­keits­ge­bot in der gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­rung

Das Wirtschaft­lich­keits­ge­bot gemäß § 12 SGB V ist ein zentra­les Prinzip der gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­rung. Es fordert, dass alle erbrach­ten oder verord­ne­ten Leistun­gen ausrei­chend, zweck­mä­ßig und wirtschaft­lich sein müssen und das Maß des Notwen­di­gen nicht überschrei­ten dürfen. Versto­ßen Ärzte gegen dieses Gebot, können die Kranken­kas­sen und Kassen­ärzt­li­chen Verei­ni­gun­gen Regress­for­de­run­gen erheben, um die Kosten des unwirt­schaft­li­chen Verhal­tens auszu­glei­chen.

Insbe­son­dere bei der Verord­nung von Verband­mit­teln stehen Ärzte unter verstärk­ter Beobach­tung, da hier in der Vergan­gen­heit vermehrt unwirt­schaft­li­ches Verhal­ten festge­stellt wurde. Dies führt dazu, dass Ärzte mögli­cher­weise vor der Verord­nung notwen­di­ger Wundver­sor­gungs­pro­dukte zurück­schre­cken, aus Angst vor einem sogenann­ten Verband­mit­tel­re­gress.

Die Heraus­for­de­run­gen im Arbeits­um­feld der Wundver­sor­gung

Die Verant­wor­tung für die Wirtschaft­lich­keit von Verband­mit­tel­ver­ord­nun­gen liegt regel­mä­ßig in einem arbeits­tei­li­gen Zusam­men­spiel verschie­de­ner Akteure. Im Bereich der Versor­gung von chroni­schen Wunden delegiert der Arzt die Durch­füh­rung der Behand­lung an nicht­ärzt­li­ches Fachper­so­nal, wie zum Beispiel spezi­ell ausge­bil­dete Pflege­fach­kräfte.

Diese sind an die Anwei­sun­gen des Arztes gebun­den, haben aber unter bestimm­ten Umstän­den das Recht und die Pflicht, eine Maßnahme zu verwei­gern, wenn sie nach ihrem Wissens­stand als fehler­haft einge­schätzt wird. Das deutsche Rechts­sys­tem sieht kein blindes Vertrauen auf die Anord­nun­gen vor, und ein „Befehls­not­stand“ entbin­det den Durch­füh­ren­den nicht von der Haftung. Pflege­fach­kräfte sollten aller­dings ihre Beden­ken objek­ti­vie­ren. Hierbei hilft eine sachad­äquate geführte Wunddo­ku­men­ta­tion, welche den Wundver­lauf plastisch und nachvoll­zieh­bar darstellt. Ferner sollte sich die Argumen­ta­tion der Pflege­fach­per­son auf wissen­schaft­li­che Leitli­nien und Standards stützen.

Dilemma zwischen Verord­nung und Haftung

Ärzte stehen vor dem Dilemma, die Wirtschaft­lich­keit und Notwen­dig­keit ihrer Verord­nun­gen gegen­über Prüfin­stan­zen recht­fer­ti­gen zu müssen. Im Gegen­satz zum Arznei­mit­tel­be­reich gibt es im Verband­mit­tel­sek­tor aber keine klaren Orien­tie­rungs­hil­fen, die dem Arzt eine quali­ta­tiv und wirtschaft­lich sinnvolle Produkt­aus­wahl erleich­tern.

Daher ist es wichtig, dass Ärzte ihre Verord­nun­gen sorgfäl­tig dokumen­tie­ren und dabei insbe­son­dere die Aspekte des Wirtschaft­lich­keits­ge­bots berück­sich­ti­gen. Diese Dokumen­ta­tion sollte zeigen, dass das gewählte Verband­mit­tel hinrei­chende Chancen bietet, den medizi­ni­schen Zweck zu erfül­len. Der medizi­ni­sche Nutzen des Produkts muss im Vorder­grund stehen, um den Anfor­de­run­gen der §§ 12 und 106 SGB V gerecht zu werden und um einen mögli­chen Verband­mit­tel­re­gress vorzu­beu­gen.

Wirtschaft­lich­keits­prü­fung und Regress­ver­fah­ren

Das Ziel der Wirtschaft­lich­keits­prü­fung ist es, sicher­zu­stel­len, dass die Verord­nungs­kos­ten im Verband­mit­tel­se­ge­ment nicht aus dem Ruder laufen. Mithin stellt der Arzt weitest­ge­hend die einzige Instanz dar, welche dafür verant­wort­lich ist, dass die Solidar­ge­mein­schaft der Versi­cher­ten nicht mit zu hohen Verband­mit­tel­kos­ten konfron­tiert wird.

Aus diesem Grund kann die gemein­same Prüfstelle der Kranken­kas­sen und Kassen­ärzt­li­chen Verei­ni­gun­gen hierzu die gesamte vertrags­ärzt­li­che Tätig­keit überprü­fen. Es gibt verschie­dene Prüfme­tho­den, wie die Richt­grö­ßen­prü­fung und die Einzel­fall­prü­fung, bei denen Auffäl­lig­kei­ten oder Zufälle unter­sucht werden. Häufige Anlässe für Wirtschaft­lich­keits­prü­fun­gen sind die Verord­nung von nicht gelis­te­ten Produk­ten und die Überschrei­tung verein­bar­ter Falldurch­schnitts­werte.

Bedeu­tung der Dokumen­ta­tion und Lösungs­an­sätze

Eine belast­bare Dokumen­ta­tion ist in allen Verfah­rens­va­ri­an­ten der Wirtschaft­lich­keits­prü­fung von entschei­den­der Bedeu­tung. Das Verord­nungs­ver­hal­ten des Arztes muss dem Wirtschaft­lich­keits­ge­bot stand­hal­ten, und die Auswahl des Produkts sollte unter Berück­sich­ti­gung des Patien­ten­zu­stan­des, medizi­ni­scher Standards und Leitli­nien begrün­det werden.

Praxis­be­son­der­hei­ten, wie ein hoher Anteil geria­tri­scher Patien­ten mit chroni­schen Wunden, sollten zum Quartals­ende dokumen­tiert werden.

Abschlie­ßend sei darauf hinzu­wei­sen, dass durch die Diskus­sio­nen bezüg­lich der Wirksam­keits­be­wer­tung nicht physi­ka­li­scher Verband­mit­tel eine hohe Unsicher­heit bei der Ärzte­schaft besteht. Es sollte von der Politik alsbald Klarheit zu diesem Themen­kom­plex geschaf­fen werden, damit Versor­gungs­brü­che in dem wichti­gen Sektor der Wundver­sor­gung vermie­den werden. Denn alle Betei­lig­ten haben das gleiche Ziel: Eine optimale und sachad­äquate Patien­ten­ver­sor­gung.

FAQ

Was ist der Verband­mit­tel­re­gress und wie betrifft er Ärzte?

Der Verband­mit­tel­re­gress ist ein Instru­ment der Kranken­kas­sen, um unwirt­schaft­li­che Verord­nun­gen von Verband­mit­teln durch Ärzte zu kompen­sie­ren. Wenn ein Arzt gegen das Wirtschaft­lich­keits­ge­bot verstößt, kann er persön­lich für die Kosten der Verord­nung haftbar gemacht werden.

Welche Verant­wor­tung trägt das Pflege­per­so­nal bei der Wundver­sor­gung?

Pflege­per­so­nal muss ärztli­che Anord­nun­gen ausfüh­ren, hat jedoch die Pflicht, Maßnah­men zu verwei­gern, wenn sie nach ihrem Wissens­stand als fehler­haft angese­hen werden. Sie dürfen sich nicht blind auf die Recht­mä­ßig­keit der Anord­nun­gen verlas­sen und müssen Beden­ken sachlich durch Heran­zie­hung der Wunddo­ku­men­ta­tion sowie anhand wissen­schaft­li­cher Leitli­nien und Standards unter Bezug­nahme des Wundsta­tus begrün­den.

Wie können Ärzte einen Verband­mit­tel­re­gress vermei­den?

Ärzte sollten die Wirtschaft­lich­keit ihrer Verord­nun­gen sorgfäl­tig dokumen­tie­ren, dabei insbe­son­dere die Krite­rien des Wirtschaft­lich­keits­ge­bots beach­ten und den medizi­ni­schen Nutzen des verord­ne­ten Produkts klar heraus­stel­len. Eine präzise Dokumen­ta­tion kann helfen, Regress­for­de­run­gen zu entge­hen.