Rechtsdepesche: Zu der derzeitigen Situation in der Pflege wurden bereits Medienberichte veröffentlicht. Dennoch verschließen sich viele davor. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Daniel Drepper: Als Privatperson habe ich das Thema Altenpflege selbst verdrängt. Es ist ein Thema das jedem unangenehm ist; sich mit dem Altwerden zu beschäftigen und sich Gedanken über seine letzten Tage zu machen. Als Journalist war es für mich natürlich sehr interessant, sich mit diesem sehr komplexen Thema zu beschäftigen. Natürlich gab es zu dem Thema bereits viele Veröffentlichungen und da stellt sich für mich die Frage als Journalist: Was kann ich selbst neues hinzufügen und was tut sich gerade auf diesem Gebiet?
Rechtsdepesche: Wie entwickelt sich die Pflegesituation in den nächsten circa 40 Jahren?
Drepper: In erster Linie sollte Priorität auf Pflege daheim gesetzt werden. Aber es sollte auch viel Wert auf die professionelle Pflege im stationären Bereich gelegt werden, da es viele Menschen gibt, die ohne Verwandtschaft leben müssen. Da gestaltet sich Pflege daheim schwierig.
Rechtsdepesche: Könnten unabhängige Bewertungsportale bei der Qualitätskontrolle helfen und möglicherweise für mehr Transparenz sorgen?
Drepper: Es gibt mehrere Bewertungsportale, doch das System geht leider nicht auf. Es gibt einfach zu wenig Kunden, die in der Lage sind bzw. dazu bereit sind, online einen Kommentar oder eine Bewertung abzuschicken. Einerseits ist dies während der Einweisung schwierig, andererseits sind die Kommentare dann relativ leicht auf den Absender zurückzuführen und viele fürchten dann ihre Privilegien zu verlieren. Wenn man einmal in einem Altenheim ist, will man da auch in der Regel nicht mehr weg. Es gibt Berichte, die von der Heimaufsicht geführt werden, als Qualitätskontrolle, diese werden jedoch nicht veröffentlicht und auch nicht zugänglich gemacht. Solche Berichte von der Heimaufsicht zu veröffentlichen, wäre aus meiner Sicht ein großer Schritt in Richtung mehr Transparenz.
Rechtsdepesche: Sehen Sie den Fall Marcus Jogerst als einen Einzelfall oder denken Sie, dass er als gutes Beispiel vorangeht und auch andere Menschen inspirieren wird?
Drepper: Es gibt viele Jogerst’s da draußen. Ich habe während meiner Recherche mehrere getroffen, musste mich als Journalist auf einen Protagonisten festlegen. Selbst nach der Veröffentlichung haben sich bei mir Menschen gemeldet, mit der Bitte sich ihr Pflegeheim anzusehen, da auch sie für mehr Qualität in der Pflege kämpfen. Allerdings ist ein Fall wie Jogerst die Ausnahme und nicht die Regel. Dieser Mann kämpft die ganze Zeit gegen das System und solches Bemühen sollte eigentlich unterstützt und gefördert werden. Das wird es aber nicht.
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