Die Warnungen von weiten Kreisen der Mediziner und Branchenverbände haben nichts genützt: Nach dem Bundestag am 6. Juni hat am 28. Juni auch der Bundesrat dem Gesetz zur Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) zugestimmt. Für die Versorgung chronischer Wundpatienten könnte ein Passus im Gesetzeswerk fatale Folgen haben: Verbandmittel, die nicht nur physikalisch wirken, sondern weitergehenden Nutzen haben, würden zukünftig von der Verordnungsfähigkeit als Verbandmittel ausgeschlossen werden – und könnten damit aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen herausfallen.
Denn geändert wird durch das GSAV der § 31 Absatz 1a SGB V, der Verbandmittel definiert. Demnach sollen als Verbandmittel nur jene Materialien gelten, die ausschließlich physikalisch wirken. Zu der betroffenen Produktpalette zählen nun auch jene Produkte, deren Hauptwirkung zwar physikalisch ist – das Abdecken der Wunde und das Aufsaugen von Exsudaten –, die aber mit antimikrobiell wirkenden Zusatzstoffen ausgestattet sind. Das betrifft in erster Linie silber- und jodhaltige Wundauflagen sowie Verbandmaterialien mit Polyhexanid, die alle eine antiseptische und keimtötende Zusatzwirkung haben. Patienten und Behandler, die solche Verbandmittel wünschen, müssten sie in Zukunft selbst bezahlen. Eine Versorgungslücke ist daher die Folge.
Vermehrter Antibiotika-Einsatz zu befürchten
Wenn der Einsatz der genannten Verbandmittel auf diese Weise zurückgedrängt wird, ist nun zu befürchten, dass kontaminierte Wunden nun verstärkt mit Antibiotika behandelt werden (müssen). Gerade im Hinblick auf die Ausbreitung von Resistenzen und die damit gebotene Sparsamkeit beim Einsatz von Antibiotika kann dies nicht im Sinne des Erfinders sein – zumal Antibiotika ebenfalls die Budgets belasten werden.
Voraus ging ein monatelanger Streit zwischen Bundesgesundheitsministerium und dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G‑BA). Die nun beschlossene Regelung geht maßgeblich auf den G‑BA zurück. Die im Vorjahr vom Bundesrat vorgeschlagene Formulierung „Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt insbesondere nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen hat, die der Wundheilung dienen, beispielsweise eine Wunde feucht hält, reinigt oder geruchsbindend, antimikrobiell oder proteasenmodulierend wirkt“ taucht im jetzigen Gesetzestext nicht auf, und wurde nichtsdestotrotz vom Bundesrat so mitbeschlossen.
Derartige Verbände, die pharmakologisch und immunologisch wirken und damit mehr können als nur aufsaugen und bedecken, können nach einer Übergangsfrist von einem Jahr als „sonstige Produkte zur Wundbehandlung“ verordnungsfähig bleiben, wenn durch Studien höchstmöglicher Evidenz deren Wirksamkeit bewiesen werden kann. Obwohl die zusätzliche Wirksamkeit unter Medizinern nicht ernsthaft in Frage steht, wird die hieb- und stichfeste Darlegung des Wundnutzens ein schweres Stück Arbeit, die viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Es bleibt abzuwarten, ob die Übergangsfrist von einem Jahr nicht zu kurz gegriffen ist. Ziel des G‑BA sollte es sein, eine Versorgungslücke mit innovativen Produkten zwingend zu vermeiden.