Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat bereits im Frühjahr veröffentlicht, dass Frauen im Jahr 2020 in Deutschland 18 Prozent weniger verdienten als Männer. Im Durchschnitt ergibt sich dies als 4,16 Euro weniger pro Stunde. Dabei gab es einen deutlichen Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland: im Westen war die Differenz 20 Prozent, im Osten nur 6 Prozent.
Was ist der Gender Pay Gap und wieso ist er wichtig?
Der Begriff „Gender-Pay-Gap“ bezieht sich auf den Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Männern und dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen. Daten, die die Diskrepanzen zwischen den beiden aufzeigen, demonstrieren die anhaltende Ungleichheit, mit der Frauen konfrontiert werden. Darüber hinaus beleuchtet eine Analyse des Gender-Pay-Gaps und seiner Ursachen strukturelle Probleme und die breiteren gesellschaftlichen Probleme, wodurch Frauen oft benachteiligt werden. So konnte zum Beispiel 71 Ürozent des Verdienstunterschiedes im Jahr 2020 durch strukturelle Faktoren erklärt werden.
Wie ist die Pflege vom Gender Pay Gap betroffen?
In Deutschland machen Frauen rund 80 Prozent der Pflegefachkräfte aus. Trotzdem ist eine Diskrepanz zwischen Frauen und Männern in der Pflege erkennbar. Zum Beispiel betonte Swantje Seismann-Petersen, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) ‑Nordwest in einem Statement zum Weltfrauentag: „Um den Nachholbedarf in der Pflege zu verstehen, reicht ein Blick auf die Führungsebene pflegerischer Einrichtungen. Weibliche Führungskräfte sind vor allem in den alten Bundesländern stark unterrepräsentiert. Im Nordrhein-Westfalen etwa liegt ihr Anteil in Krankenhäusern bei 57 Prozent – für einen von Frauen dominierten Beruf eine offensichtliche Schieflage.“
Diese Schieflage ist auch auf der Bundesebene wieder zu erkennen. Laut einem Bericht der Bundesagentur für Arbeit zur Arbeitsmarktsituation von Frauen und Maennern sind Frauen in Führungspositionen auch bei gleicher Qualifikation unterrepräsentiert. Der Bericht zeigt unter anderem, dass Frauen knapp die Hälfte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ausmachen, dafür aber nur ein Viertel der Beschäftigten mit Aufsichts- und Führungsfunktionen.
Was sind die Ursachen des Gender-Pay-Gaps?
Wie oben schon erwähnt, kann – laut Destatis – ein wesentlicher Teil des Gender-Pay-Gaps strukturbedingt belegt werden. Es gibt einige Gründe weshalb Frauen im Durchschnitt weniger verdienen:
- Frauen arbeiten viel häufiger als Männer in schlechter bezahlten Jobs und weniger in Führungspositionen.
- Frauen werden öfter in einem Teilzeit Job oder einem Minijob angestellt als Männer. Der Bericht der Bundesagentur für Arbeit demonstriert sogar, dass viermal so viele Frauen in Teilzeit Jobs arbeiten wie Männer.
- Erschwerend hinzu kommt natürlich auch, dass Frauen immer wieder den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit (wie zum Beispiel für Kinder und Angehörige) übernehmen.
Da die Pflege zu 80 Prozent von Frauen durchgeführt wird, spielt die Anerkennung der Pflegefachkräfte auch eine wichtige Rolle für Geschlechtergleichstellung. Die Bundespflegekammer hob hierzu heraus, dass Berufe, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden per se schlechter bezahlt werden.
Patricia Drube, Präsidiumsmitglied der Bundespflegekammer, gab in einem Statement zum Equal Pay Day zu bedenken: „Leider ist es so, dass in frauendominierten Berufen nicht nur die Frauen vergleichsweise schlecht bezahlt werden, sondern auch die Männer”. Außerdem unterstrich sie: „Obwohl Pflegefachpersonen anspruchsvolle Tätigkeiten ausüben und eine große Verantwortung tragen, ist Einkommen – im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen mit vergleichbarer Qualifikation – unterdurchschnittlich.” Zum Beispiel, lag der Verdienst von Pflegefachpersonen in der Langzeitpflege im Jahr 2018, knapp 13 Prozent unter dem Durchschnittseinkommen.
Geschlechterungleichheit in der Pflege ein internationales Problem
Präsidentin des International Council of Nurses (ICN), Annette Kennedy, sprach sich auch gegen Sexismus gegen Pflegende auf internationaler Ebene aus. Sie bedauerte vor allem den mangelnden Respekt für die frauendominierte Berufsbranche und betonte, dass Frauen, insbesondere Pflegekräfte, während der Pandemie den Großteil der Sorgearbeit übernommen haben. Dies verdiene mehr Anerkennung, bemerkte sie, unter anderem in Form von besserer Bezahlung und Arbeitsbedingungen.
Welche Schritte werden benötigt, um dieses Problem zu lösen?
Swantje Seismann-Petersen gab auf diese Frage bereits im März eine klare Antwort. „Wir sind fest davon überzeugt, dass in der Pandemiebekämpfung andere Akzente gesetzt worden wären, hätte es mehr Frauen in den Krisen- und Beratungsgremien gegeben,“ erklärte sie. „Das gilt nicht nur, aber in besonderem Maße für die Expertise beruflich Pflegender mit ihrem gut 80prozentigen Frauenanteil.“
„Wir fordern mehr Beteiligung und gleichberechtigte Berücksichtigung unserer Berufsgruppe in allen gesellschaftlichen Belangen. Davon profitieren nicht nur Frauen, die sich für die Ausübung des Pflegeberufs entschieden haben, sondern die Gesellschaft als Ganzes,“ so Seismann-Petersen.
Zudem unterstreichen Befürwortende des Berufes immer wieder den dringenden Bedarf an besseren Bedingungen und deutlich mehr Anerkennung für die Pflege. Die Rechtsdepesche hat zuletzt ein Interview mit Elisabeth Scharfenberg geführt, indem sie die Notwendigkeit einer „echte[n] und konsequente[n] Pflegereform“ betonte. „Pflege ist ein hochprofessioneller, verantwortungsvoller Beruf, der seinen verdienten Preis hat,“ erklärte sie.
Dies erinnert an einen Statement von DBfK-Präsidentin Christel Bienstein zum Equal Pay Day: „Der Gender-Pay-Gap beruht auch auf der schlechten Bezahlung in den Care-Berufen. Es sind die beruflich Pflegenden, die Hebammen und die Pädagoginnen, die sich um unser aller Leben und den sozialen Zusammenhalt kümmern. Ist uns das als Gesellschaft wirklich so wenig wert?“
Quellen: Destatis, DBfK, BPK, ICN, Bundesagentur für Arbeit