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Demografie ist kein Schicksal
Blick in das gut besuchte Plenum.

Hinzu kam ein Disput über die Neuver­tei­lung der Aufga­ben von Medizin und Pflege, ausge­löst durch das damals neue Pflege-Weiter­ent­wick­lungs­ge­setz (PfWG). Dieses enthielt Modell­klau­seln, die erstmals eine dauer­hafte Übertra­gung heilkund­li­cher Tätig­kei­ten auf Angehö­rige der Pflege­be­rufe vorsa­hen.

Und heute? Besagte Modell­klau­seln sind noch immer nicht zum Tragen gekom­men. Demge­gen­über zeich­net sich der demogra­fi­sche Wandel umso deutli­cher ab und der Fachkräf­te­man­gel betrifft inzwi­schen nicht mehr nur die Ärzte­schaft, sondern auch die Pflege­be­rufe.

Hochka­rä­tige Referen­tin­nen und Referen­ten

Vor allem die Situa­tion der Letzt­ge­nann­ten bot aus Sicht des Veran­stal­ters genug Anlass, die 10. Auflage des JHC unter der provo­kan­ten Frage „Demogra­fie ist kein Schick­sal: Pflege­kol­laps oder Beschäf­ti­gungs­mo­tor?“ zu stellen. Für Antwor­ten sollten bekannte Referen­tin­nen und Referen­ten sorgen, wie beispiels­weise Prof. Chris­tel Bienst­ein, von der Univer­si­tät Witten/Herdecke und zugleich Präsi­den­tin des DBfK, Prof. Gertrud Hunde­n­born (Katho­li­sche Hochschule NRW), Prof. Dr. Barbara Knigge-Demal (praxis­Hoch­schule Rheine) sowie der Preis­trä­ger des Deutschen Pflege­prei­ses 2017, Prof. Dr. Michael Isfort (Deutsches Insti­tut für angewandte Pflege­for­schung, dip).

Den Anfang machte Prof. Chris­tel Bienst­ein. In ihrem Vortrag präsen­tierte sie die Ergeb­nisse einer Studie, die für viel Aufmerk­sam­keit – auch außer­halb der Fachwelt – gesorgt hat. Gegen­stand der Studie war die Unter­su­chung der Situa­tion während des Nacht­diens­tes in deutschen Alten­hei­men. Unter anderem wurde darin festge­stellt, dass eine Pflege­kraft im Nacht­dienst im Schnitt die Verant­wor­tung für 52 Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner zu tragen hat. In einzel­nen Fällen waren es pro Pflege­kraft sogar mehr als 100 Bewoh­ner! Eine unver­ant­wort­li­che Praxis, die aber in Überein­stim­mung mit den gesetz­li­chen Rahmen­be­din­gun­gen stünde, so Bienst­ein.

Im Anschluss sprach Kongress­in­itia­tor Prof. Dr. Volker Großkopf. Auch bei dessen Thema – der „Aufga­ben­mi­gra­tion“ – besteht ein allen­falls grober gesetz­li­cher Rahmen. „Insofern ist es wichtig, sich mit der, diesen Rahmen ausfül­len­den Recht­spre­chung ausein­an­der­zu­set­zen“, erklärte der Heraus­ge­ber des Fachma­ga­zins „Rechts­de­pe­sche“ und Profes­sor für Rechts­wis­sen­schaf­ten an der Katho­li­schen Hochschule NRW.

Eine andere Form von Migra­tion sprach Dr. Ali Kemal Gün, psycho­lo­gi­scher Psycho­the­ra­peut in der LVR-Klinik Köln, im darauf folgen­den Beitrag an. Hierbei ging es u.a. um die aktuel­len Flücht­lings­wan­de­run­gen, insbe­son­dere aus den syrischen Kriegs­ge­bie­ten. Um Menschen mit einer Zuwan­de­rungs­ge­schichte adäquat begeg­nen und fachkom­pe­tent versor­gen zu können, sei es notwen­dig sich inter­kul­tu­rell zu öffnen, so Gün.

Innova­ti­ons­po­ten­ziale durch Pflege­be­ru­fe­re­form

Die zweite Hälfte des Tages bot nicht minder spannende Themen: Nach der Mittags­pause referier­ten Prof. Gertrud Hunde­n­born und Prof. Dr. Barbara Knigge-Demal gemein­sam über die Entste­hungs­ge­schichte und Inhalte des Pflege­be­ru­fe­ge­set­zes. Beide Referen­tin­nen verfü­gen diesbe­züg­lich über einen beson­de­ren Einblick, da sie an der Ausar­bei­tung von Teilen der Novelle betei­ligt waren.

Zuletzt hat das Geset­zes­vor­ha­ben vor allem aufgrund der darin formu­lier­ten genera­lis­ti­schen Pflege­aus­bil­dung zu einer hefti­gen politi­schen Ausein­an­der­set­zung geführt (insofern wieder eine Paral­lele zum 1. JHC). Das Gesetze biete aber auch abseits der Genera­lis­tik eine Reihe von bislang kaum beach­te­ten Innova­ti­ons­po­ten­zia­len, wie beide Referen­tin­nen bemerk­ten. Hierzu würden unter anderen die Festschrei­bung von Vorbe­halts­tä­tig­kei­ten, die Etablie­rung von primär­qua­li­fi­zie­ren­den Pflege­stu­di­en­gän­gen sowie die Einbin­dung der Heilkun­de­über­tra­gungs-Richt­li­nie zählen.

Pflegeberufegesetz
Prof. Gertrud Hunde­n­born und Prof. Dr. Barbara Knigge-Demal referie­ren über das Pflege­be­ru­fe­ge­setz.

Nach diesem Beitrag, der einen Blick auf die Zukunft der Pflege gewor­fen hat, galt es wieder darum sich mit den Proble­men der Gegen­wart ausein­an­der­zu­set­zen: Bereits jetzt sei es für Pflege­ein­rich­tun­gen und Pflege­dienste kaum noch möglich quali­fi­zier­tes Perso­nal zu gewin­nen – und zwar nicht nur auf dem Lande, sondern auch in den großen Ballungs­ge­bie­ten. Für Dr. Jan Basche, selbst Geschäfts­füh­rer eines großen ambulan­ten Pflege­diens­tes in Berlin, müssen die Betrei­ber für sich ein breites Feld manage­ri­el­ler Handlungs­op­tio­nen entwi­ckeln, um einer Fluktua­tion in der Beleg­schaft zu begeg­nen.

Als letzter Redner des Tages sprach Erich Schüt­zen­dorf. Der in der Alten­pfle­ge­bran­che seit Jahrzehn­ten bekannte und beliebte Autor und Referent beschrieb humor­voll Situa­tio­nen in denen Pflege­kräfte und Bewoh­ner aufein­an­der getrof­fen sind und zeigte auf, wie das dabei entstan­dene Unver­ständ­nis leicht aufge­löst werden kann.

Demogra­fie und Perso­nal­man­gel auch Thema der Sympo­sien

Beglei­tet wurde der JHC von zwei Satel­li­ten­sym­po­sien. Zum einen widmete sich die Berufs­ge­nos­sen­schaft für Gesund­heits­dienst und Wohlfahrts­pflege (BGW) der Relevanz gesund­heits­för­dern­der Führung für Pflege­per­so­nal und Führungs­kräfte. Der Träger des Deutschen Pflege­prei­ses 2017, Prof. Dr. Michael Isfort belegte eindrucks­voll die Ist-Situa­tion im Bereich der Pflege. Das komplett ausge­buchte Satel­li­ten­sym­po­sium war ein großer Erfolg und belegte deutlich die Miststände und Bedarfe im Perso­nal­we­sen.

Prof. Dr. Isfort
Prof. Dr. Isfort bei seinem Vortrag im Rahmen einer der Satel­li­ten­sym­po­sien.

Wie gelingt der Umgang mit dem Perso­nal?

Mit insge­samt drei Referen­ten kam es in der zweistün­di­gen Veran­stal­tung der avanti GmbH zu einem regen Diskurs zwischen Referen­ten und Publi­kum über Themen wie den Perso­nal­man­gel oder den Umgang mit Mitar­bei­tern und Führungs­kräf­ten.

Den Start machte Prof. Dr. Marcus Siebolds, der in seinem Vortrag über Führungs­po­si­tio­nen in der Pflege das Problem der falschen Motiva­tion thema­ti­sierte. Zu häufig würden Mitar­bei­ter extrin­sisch durch die Vorge­setz­ten zur Arbeit motiviert, dabei wäre der ausge­übte Druck häufig kontra­pro­duk­tiv.

Rechts­an­walt Hubert Klein sprach in seinem Vortrag über die recht­li­che Möglich­keit der sogenann­ten Überlas­tungs­an­zeige, die das Gegen­stück zur Abmah­nung darstellt und Arbeit­neh­mern die Möglich­keit bietet, unter­neh­me­ri­sche Missstände im recht­li­chen Rahmen an den Arbeit­ge­ber zu melden.

Zu guter Letzt´ sprach Prof. Dr. Stephan Rusch das kontro­vers disku­tierte Thema des Perso­nal­man­gels an, bei dem er insbe­son­dere ein Umden­ken in der Pflege in Form einer aktive­ren und innova­ti­ve­ren Mitar­bei­ter­ge­win­nung und ‑bindung forderte. Das Sympo­sium bot den Teilneh­mern ein umfang­rei­ches Spektrum an Ideen und Metho­den zur Weiter­ent­wick­lung des Perso­nal­sek­tors inner­halb der Pflege.

Datum der nächs­ten Veran­stal­tung steht schon fest

Der JuraHe­alth Congress beleuch­tet regel­mä­ßig aktuelle Themen im Spannungs­feld zwischen Medizin, Pflege und Recht. Der 11. JuraHe­alth Congress 2018 wird am 24. Mai kommen­den Jahres erneut in den Kölner Sartory-Sälen statt­fin­den und unter dem Motto „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es: Patien­ten­si­cher­heit durch Quali­täts- und Bewusst­seins­schaf­fung“ stehen. Weitere Infor­ma­tio­nen finden Sie unter www.pflegefortbildung-des-westens.de