Die Erinnerungen an seine Fußballkarriere füllen ganze Alben. Unter anderem drei Jahre für Fortuna Köln in der 2. Bundesliga spielte der heute 66-jährige Abdul Ghafoor, sowie für die Nationalmannschaft seines Geburtslandes Afghanistan. Beim früheren Profisportler, der heute an Demenz leidet, blitzen beim Sichten der alten Bilder die alten Erinnerungen auf. „Das war ein schönes Tor“, sagt er schmunzelnd mit Blick auf ein Bild, das ihn nach einem Kopfball-Treffer vor dem gegnerischen Tor liegend zeigt.
„Und auf diesem Bild waren wir in Hongkong“, meint er beim Betrachten eines Fotos, das ihn auf einer Länderspiel-Reise mit Teamkollegen der Nationalelf zeigt. Überhaupt ist er viel herumgekommen in der Welt. „Als Nationalspieler habe ich 38 Länder gesehen“, betont er – unter anderem Belgien, die Niederlande, Italien, England und die USA.
Bereits 1977, als noch nicht ganz 21-Jähriger, kam Ghafoor nach Deutschland. „Ich hatte damals in Kabul eine deutsche Schule besucht und dort mein Abitur gemacht“, erinnert er sich. „Das Eingewöhnen in Deutschland fiel mir recht leicht, weil ich die Sprache schon kannte. Ich lebte zuerst in Hamburg, weil auch ein Cousin dort wohnte. Später habe ich dann an der Kölner Sporthochschule studiert. Ich fühlte mich hier direkt willkommen.“
Demenz: Ghafoor ist auf Hilfe angewiesen
Aufgrund seines Demenzleidens ist Ghafoor heute auf Unterstützung angewiesen. Mit seiner Frau wohnt er in Lövenich, im äußersten Westen Kölns. Um seine Partnerin etwas von den Pflege- und Betreuungsaufgaben zu entlasten und seine geistige Fitness zu verbessern, besucht er täglich von 8 bis 16.30 Uhr die Tagespflege der Clarenbachwerk gGmbH. Der soziale Träger hat im Stadtteil Müngersdorf, ebenfalls im Kölner Westen gelegen und nur wenige hundert Meter Luftlinie vom Kölner Rhein-Energie-Stadion – der Spielstätte des 1. FC Köln – entfernt, ein zwei Hektar großes Campus für Pflege und Seniorenwohnen.
Im September 2020 eröffnete im „Heinrich-Püschel-Haus“, einer Senioren-Pflegeeinrichtung zentral auf dem Campusgelände gelegen, die Tagespflege im Erdgeschoss, die bis zu 32 Plätze bietet. Ghafoor ist seit dem 1. Dezember 2021 hier. „Im Schnitt 20 Tagesgäste kommen pro Tag zu uns“, erläutert Lyn Buchardt, die Leiterin der Tagespflege. „Wir sind sehr variabel: Einige sind täglich hier, andere nur zweimal die Woche.“
Der aus einer evangelischen Pflege- und Wohnraum-Initiative nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene gemeinnützige Träger betreibt im Kölner Westen insgesamt sechs Häuser: Neben den Einrichtungen im Campus Müngersdorf ist er auch im benachbarten Stadtteil Braunsfeld sowie in Lindenthal aktiv. Jedes der Häuser hat einen eigenen Schwerpunkt: Das Frida-Kahlo-Haus, ebenfalls in Müngersdorf, richtet sich etwa gezielt an jüngere Menschen mit körperlicher Behinderung.
Im Haus Andreas, ebenso in Nachbarschaft des Heinrich-Püschel-Hauses mit dem Tagespflege-Angebot, steht insbesondere die Multikulturalität im Vordergrund: Menschen aus rund 20 Nationen leben und arbeiten hier; entsprechend ist kultursensible Pflege wichtig; man feiert gemeinsam Feste, quer durch die unterschiedlichen Kulturen und Religionen. In den Häusern Stephanus und Paulus gibt es Apartments für Betreutes Wohnen sowie eine Pflegeschule.
„Ein bisschen wie eine WG mit anderen Erwachsenen“
Die Tagespflege für Senioren soll den Angehörigen etwas Luft geben, andererseits eine komplette räumliche Trennung – wie im stationären Seniorenwohnen – vermeiden oder zumindest hinauszögern. „Es ist ein bisschen wie eine WG mit anderen Erwachsenen“, erläutert Lyn Burchardt, die Leiterin der Tagespflege, das Konzept der sehr schön designten Einrichtung: Die Umgebung ist parkähnlich; alle Räume sind hell und lichtdurchflutet, mit farbigen Akzenten zur Orientierung gestaltet. Wer mag, kann sich auf die große Sonnenterrasse vor dem Haus setzen.
„Manchmal spielen und basteln wir, manchmal kochen wir zusammen, oder spazieren mit den Senioren auf unserem großen Gelände.“ Dabei gehe das Team auch auf die Hintergründe der Gäste ein. „Bei unserer Beschäftigtung können wir einbeziehen, was die Betreuten früher gemacht haben. Über Fußball kommen wir bei Ghafoor immer ins Gespräch. Fällt der Name eines früheren Spielers, weiß er sofort Bescheid.“
Neben seiner drei Jahre für den damaligen Kölner Bundesliga-Zweitligisten spielte Ghafoor auch für einige Vereine im Kölner Umland, unter anderem in der Nachbarstadt Wesseling und im bergischen Overath-Marialinden. Einige seiner damaligen Mitspieler im afghanischen Nationalteam leben heute in den USA; nach Afghanistan hat der frühere Fußballprofi heute keine familiären Beziehungen mehr – da seine damalige Familie ihm nach einiger Zeit nach Deutschland hinterher zog.
Nach seiner aktiven Zeit gründete er eine Lkw-Spedition, die unter anderem für den Kaffee-Filialisten Tchibo fuhr, aber heute nicht mehr besteht. „Ich schaue mir heute noch gerne Fußball im Fernsehen an“, verkündet er lächelnd. So ist die Fußball-WM am Ende des Jahres in Katar bereits fest als Termin für ihn gebucht.