„Uns liegen Hinweise vor, dass einige Frauenärzte und Labormediziner immer noch Blutentnahmesysteme nutzen, die allein Natrium-Fluorid enthalten“, erklärt PD Dr. Erhard Siegel, Präsident der DDG. Bei diesen Systemen bestehe die Gefahr, einen Schwangerschaftsdiabetes zu übersehen.
Die DDG fordert die Krankenkassen auf, bei Nutzung ungeeigneter Systeme die Kostenerstattung für das Screening zu stornieren. Hersteller sollten zudem die Produktion und den Vertrieb reiner Natrium-Fluorid-Blutentnahmesysteme unverzüglich einstellen. Seit 2012 schreibt die Mutterschaftsrichtlinie für werdende Mütter zwischen 24 und 28 Schwangerschaftswochen eine blutzuckergestützte Untersuchung auf Gestationsdiabetes vor. Bei diesem Screening trinkt die Schwangere zunächst im nicht-nüchternen Zustand 200 Milliliter Wasser mit 50 Gramm Traubenzucker, bevor eine Stunde später der Blutzucker im Venenblut bestimmt wird. Werden die Blutproben zur Blutzuckerbestimmung an ein Labor geschickt, muss der Abbauprozess der Glukose – die Glykolyse – im Blutentnahmeröhrchen gestoppt werden, da sonst die Referenzwerte ihre Gültigkeit verlieren.
„Dafür reicht aber der Glykolyse-Hemmer Natrium-Fluorid allein nicht aus, er stoppt den Abbau erst nach vier Stunden“, erklärt Prof. Dr. Lutz Heinemann, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Diabetes und Technologie der DDG. „Das kann die Ergebnisse verfälschen und birgt damit die Gefahr eines falsch-negativen Befundes – also das Risiko, einen Gestationsdiabetes zu übersehen.“ Eine zuverlässige Auskunft geben derzeit nur Blutentnahmeröhrchen, die neben Natrium-Fluorid auch Citrat enthalten. „Diese Kombination bewirkt eine nahezu vollständige Glykolyse-Hemmung“, so Heinemann.
Da ein hoher Blutzucker in der Schwangerschaft Mutter und Kind schadet, warnt die DDG vor der Verwendung von Blutentnahmeröhrchen, die allein Natrium-Fluorid enthalten. „Nach unserer Auffassung ist dies grob fahrlässig“, erklärt Dr. med. Helmut Kleinwechter, Autor der Leitlinie Gestationsdiabetes. Zwar liegen keine offiziellen Zahlen vor, wie häufig ungeeignete Systeme zum Einsatz kommen. „Es gibt aber Hinweise, wonach diese Systeme seit Einführung des Screenings weiterhin nahezu unverändert genutzt werden.“
Damit Schwangere sich keinen unnötigen Risiken aussetzen, fordert die DDG, sofort zu handeln. „Ärzte und Labormediziner, die an der Behandlung von Schwangeren beteiligt sind, sollten erneut über das korrekte Vorgehen informiert werden“, erklärt DDG-Präsident Siegel. Die Fachgesellschaft empfiehlt Krankenkassen zudem eine Kostenstornierung in Fällen, in denen Systeme verwendet werden, die allein Natrium-Fluorid enthalten. „Und schließlich plädieren wir für ein Produktions‑, Zulassungs- und Vertriebsverbot von unzuverlässigen Entnahme-Röhrchen“, ergänzt Heinemann.
Gestationsdiabetes kann zu Komplikationen während der Schwangerschaft und bei der Geburt führen. Er erhöht das Risiko von Schwangerschaftshochdruck und fördert das übermäßige Wachstum des ungeborenen Kindes. Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes erkranken zudem später häufig an Diabetes Typ 2, ihre Kinder neigen zu Übergewicht und Diabetes. In Deutschland entwickeln vier bis fünf Prozent aller werdenden Mütter einen Schwangerschaftsdiabetes. Bei 80 Prozent der Betroffenen führen eine Ernährungsumstellung und regelmäßige Bewegung zu normalen Blutzuckerwerten.