Angesichts der stark gestiegenen Zahl der Corona-Fälle und der sich füllenden Intensivstationen wächst auch hierzulande der Druck auf Pflegekräfte, trotz Corona-Infektion – oder akutem Verdacht darauf – weiterzuarbeiten. Als Reaktion darauf hat sich der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) in einer Presseerklärung dagegen ausgesprochen, die Schutzmaßnahmen aufzuweichen, etwa die Quarantänezeit zu verkürzen. „Die Gesundheit der Pflegenden in der Langzeitpflege und in den Krankenhäusern muss mit gleicher Priorität geschützt werden, wie die aller anderen Bürgerinnen und Bürger auch“, fordert Prof. Christel Bienstein, Präsidentin des DBfK. Denn niemand könne bisher einschätzen, wie hoch das Risiko für Spätfolgen sei, wenn jemand eine Infektion nicht ernst nehme – sie gewissermaßen verschleppe. Bereits infizierte Beschäftigte in der Versorgung von COVID-19-Patienten einzusetzen, sei wegen der Zusatzbelastung nicht zu rechtfertigen.
RKI: Bei Personalmangel kürzere Quarantäne-Dauer
Das Robert Koch-Institut hatte bereits im Frühjahr einen Leitfaden veröffentlicht, in welchem Umfang und auf welchen Stationen bei akutem Personalmangel ausnahmsweise auch Corona-positiv getestete Beschäftigte, oder solche mit mindestens 15-minütigem nahen Kontakt zu einer nachweislich infizierten Person oder zu deren Sekreten und Körperflüssigkeiten, eingesetzt werden können. So gilt in dem Fall eine verkürzte Quarantänezeit von 7 statt 14 Tagen. Wenn sie seit mindestens 48 Stunden symptomfrei sind und der Symptombeginn mindestens zehn Tage zurückliegt, können sie zur Arbeit zurückkehren. Sie dürfen aber keine Bewohner oder Patienten direkt betreuen und müssen während der Arbeit FFP2-Masken tragen. In absoluten Ausnahmefällen, so das RKI, sei es denkbar, dass infizierte Krankenpfleger ausschließlich Patienten betreuen, die bereits selbst COVID-positiv getestet worden sind.
Laut DBfK habe man jedoch aus Pflegeheimen gehört, dass dort positiv getestete Beschäftigte ebenfalls bereits infizierte Bewohner versorgten. Darüber hinaus hätten Pflegende geschildert, dass ihre Einrichtungen auf Tests ihrer Beschäftigten verzichteten, um keine COVID-Neudiagnosen und damit verbundene Personal-Ausfälle herbeizuführen. Doch der Pflegeverband sieht die Diskussion von der falschen Seite her betrachtet. Der Corona-Schutz dürfe auch bei Personalknappheit nicht auf Kosten der Beschäftigten gehen, so Bienstein. „Sollte die Anzahl von Pflegenden einer Einrichtung in Quarantäne oder mit nachgewiesener Infektion so hoch werden, dass eine sichere Versorgung nicht mehr möglich ist, müssen sich Träger, Gesundheitsämter, Kommunen und gegebenenfalls die Heimaufsicht zusammensetzen, um Lösungen zu finden.“ Das müsse man bereits jetzt vorbereiten.
Zahl der belegten Betten in Deutschland steigt – In Belgien droht Zusammenbruch der Versorgung
Zum Redaktionsschluss dieses Artikels am 9. November waren in Deutschland rund 3.000 Intensivbetten, knapp jedes zehnte in Deutschland, mit COVID-19-Patienten belegt. Binnen zwei Wochen hat sich damit die Zahl der Corona-Fälle auf den Intensivstationen verdoppelt. Knapp 8.400 Betten, was 29 Prozent der Gesamt-Kapazität entspricht, waren als frei gemeldet. Die restlichen 61 Prozent der Intensivbetten, knapp 18.000, waren mit Patienten ohne Corona-Bezug belegt.
Ein warnendes Beispiel für eine Intensivversorgung an ihren Grenzen gibt es aus dem Nachbarland Belgien. Dort wurden in den vergangenen Tagen durchweg fünfstellige Infektionszahlen gemeldet, in absoluten Zahlen fast auf dem Niveau von Deutschland – bei einer gleichzeitig knapp achtmal kleineren Bevölkerungszahl. Insbesondere in der hart getroffenen Provinz Lüttich (Liège) sei es laut Berichts des ARD-Studios Brüssel gang und gäbe, dass COVID-positive Pflegekräfte weiter arbeiteten, weil ansonsten überhaupt keine medizinische Versorgung mehr sicherzustellen sei