
Gefährdungsanzeige in der Pflege
Wer im Beruf an die Grenzen seiner möglichen Belastung kommt, hat die Möglichkeit mit Hilfe einer Gefährdungsanzeige seinen Arbeitgeber über Missstände im Unternehmen zu informieren. Die Gründe, die zu solch einer Situation führen können, sind vielfältig: Personalmangel, zu hoher Arbeitsaufwand, strukturelle Defizite.
Gerade im Gesundheitswesen ist die Arbeitsbelastung für die Mitarbeitenden enorm. So erkranken Beschäftige in der Pflege doppelt so häufig an Burnout wie andere Berufsgruppen. Auch beim generellen Krankenstand führt die Pflege den Branchenvergleich an, mit durchschnittlich knapp 35 Ausfalltagen im Jahr.
Zudem zeigte der DAK-Gesundheitsreport 2023, dass dreiviertel der befragten Gesundheits- und Krankenpflegenden regelmäßig Phasen erleben, in denen der Arbeitsaufwand nur unter großer Anstrengung zu bewältigen sei.
Um Schäden für die Mitarbeitenden und Patienten durch übermäßige Belastungssituationen zu vermeiden, können Pflegende mit einer Gefährdungsanzeige auf heikle Situation aufmerksam machen. Umso wichtiger ist es, zu wissen, wie eine Gefährdungsanzeige formuliert sein und welche Inhalte sie haben muss.
Gefährdungsanzeige: Rechtliche Grundlagen
Häufig wird die Gefährdungsanzeige auch als Überlastungsanzeige bezeichnet. Der Begriff der Überlastung hat sich allerdings als ungünstig erwiesen, weil er eher einen Rückschluss auf den überlasteten Mitarbeiter vorgibt, anstatt das Problem in strukturellen Gegebenheiten zu suchen. Aus diesem Grund, ist der Begriff der Gefährdung geeigneter, um das zugrunde liegende Problem und die daraus hervorgehende Gefahrenlage für die Patienten und Mitarbeiter zu benennen.
Die Gefährdungsanzeige ist kein gesicherter Rechtsbegriff, vielmehr ergibt sie sich aus mehreren rechtlichen Vorgaben.
Zum einen ergibt sie sich aus den §§ 611, 611a und §§ 241, 242 BGB, die eine gegenseitige Rücksichtnahmepflicht für Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorschreiben. So ist der Arbeitnehmer dazu verpflichtet drohende Schäden an den Gütern des Arbeitgebers zu melden[1].
Konkretisiert wird das durch die §§15, 16 ArbSchG. Demnach haben Pflegende für ihre eigene Sicherheit und Gesundheit Sorge zu tragen und auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen, die von ihrem Handeln abhängig sind.
Ist das nicht mehr möglich haben die Beschäftigten die Pflicht, dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten jede von ihnen festgestellte erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit sowie jeden an den Schutzsystemen festgestellten Defekt unverzüglich zu melden.
An dieser Stelle ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass Pflegende es auf jeden Fall vermeiden sollten, aus Angst vor negativen Konsequenzen für sie und ihren Job, von einer Gefährdungsanzeige abzusehen. Es ist das gute Recht jedes Beschäftigten eine solche Anzeige zu stellen.
Eher haben die betroffenen Mitarbeitenden arbeitsrechtliche Konsequenzen zu befürchten, wenn sie keine Gefährdungsanzeige erstatten und somit gegen ihre Arbeitspflichten verstoßen. In diesem Zusammenhang sollte die Anzeige schnellstmöglich, ohne schuldhaftes verzögern, erfolgen. Nämlich dann, wenn die Arbeitsaufgaben nicht mehr fachgerecht durchgeführt werden können und sich daraus eine Gefährdung für die Betroffenen ergeben könnte.
Inhalte einer Gefährdungsanzeige in der Pflege
Formale Vorgaben gibt es zwar nicht, dennoch müssen einige Aspekte beachtet werden, damit das Anliegen verlässlich bearbeitet werden kann. Wichtig ist, dass die Gefährdungsanzeige alle nötigen Informationen enthält, damit der Arbeitgeber „die erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung der unzureichenden Arbeitsbedingungen“ treffen kann[2].
Hilfestellung gibt hier der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), der inhaltliche Vorgaben für eine Gefährdungsanzeige herausgegeben hat. Demnach sollten folgende Inhalte vorkommen:
- Überlastungsmerkmale sollten konkret und objektiv beschrieben werden.
- Beispiele sind hilfreich, um die Überlastung zu verdeutlichen.
- Die potenzielle Gefährdung und Schädigung der Patienten/Bewohner muss benannt werden.
- Die Gefährdung der physischen und psychischen Gesundheit der eigenen Person/der betroffenen Teammitglieder ist zu schildern.
- Die aktuelle Personalbesetzung und notwendige Personalbesetzung muss aufgezeigt werden.
- Die Gefährdung der Qualität der Arbeit und eine mögliche Schädigung des Unternehmens muss dargestellt werden.
- Es sollten Aufgaben benannt werden, die nicht erledigt werden können.
- Der Arbeitgeber sollte aufgefordert werden zu priorisieren, welche Aufgaben er in welcher Reihenfolge verlangt.
Auch ist es ratsam, die Gefährdungsanzeige schriftlich zu erstellen und eine Kopie aufzubewahren. So kann sie als Beweisstück fungieren, sollte es zu haftungs- oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen kommen. In der Regel erfolgt zunächst eine mündliche Mitteilung des Arbeitnehmers über die gegenständliche Gefahrensituation, bevor dann eine ausführliche schriftliche Meldung erfolgt.
Zusätzliche Hilfestellung können Muster für Gefährdungsanzeigen bieten, die vorgefertigte Formulierungen enthalten. Solche Muster bietet beispielsweise nicht nur der DBfK, sondern auch Verdi oder der Deutsche Gewerkschaftsbund an.
FAQ
Was ist eine Gefährdungsanzeige?
Eine Gefährdungsanzeige ist eine offizielle Meldung von Pflegekräften an ihren Arbeitgeber über untragbare Arbeitsbedingungen, die die Sicherheit von Patienten und Mitarbeitern gefährden können. Sie dient dazu, auf strukturelle Missstände wie Personalmangel oder Überlastung hinzuweisen, bevor es zu Schäden kommt. Rechtlich basiert sie auf Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Wann ist eine Gefährdungsanzeige zu erstellen?
Eine Gefährdungsanzeige sollte immer dann erstellt werden, wenn Pflegekräfte ihre Arbeit aufgrund von Überlastung nicht mehr fachgerecht ausführen können und dadurch eine Gefahr für Patienten oder Mitarbeiter entsteht. Dies kann beispielsweise bei akutem Personalmangel, hoher Arbeitsbelastung oder mangelnden Schutzmaßnahmen der Fall sein. Die Meldung sollte unverzüglich und idealerweise schriftlich erfolgen.
Was muss eine Gefährdungsanzeige enthalten?
Eine Gefährdungsanzeige sollte objektiv beschreiben, welche Überlastungsmerkmale vorliegen und welche konkreten Gefahren für Patienten und Pflegekräfte bestehen. Wichtige Inhalte sind die aktuelle und notwendige Personalbesetzung, nicht ausführbare Aufgaben sowie eine Aufforderung an den Arbeitgeber zur Priorisierung der Arbeitsaufgaben.
Quellen:
- Hitzelberger-Kijima in öAT 2023, 117.
- Schell, Werner (1998): Arbeits- und Arbeitsschutzrecht für die Pflegeberufe von A bis Z, 2. vollst. überarb. u. akt. Aufl. Brigitte Kunze Verlag, S. 188.