Der Auflösung dieses Spannungsverhältnisses hat sich im Mai 2013 ein interdisziplinäres Expertengremium auf Initiative des G&S Verlages in Maspalomas (Gran Canaria) gewidmet. In einem Think Tank ging es dabei um die Bedeutung des Themas „E‑Health“ für die strukturierte Weiterentwicklung der Versorgungsangebote in Medizin und Pflege. Unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Großkopf diskutierten Vertreter aus den verschiedenen Leistungserbringersektoren mit Repräsentanten aus den Bereichen Dokumentationsmanagement, Informations- und Kommunikationstechnik (IKT), Recht, Medizintechnik, Gesundheitsförderung sowie Strategie- und Prozessberatung die Möglichkeiten der engeren Verzahnung von Informations und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen. Einigkeit bestand unter den Experten, dass die Vielfalt der möglichen Definitionen des Begriffes „E‑Health“ nicht dazu führen darf, den Blick auf das Wesentliche zu verklären. Im Bereich „E‑Health” werden zunehmend drei grundlegende Strukturen erkennbar, die durch die elektronische Vernetzung voneinander profitieren können.
1. Struktur: Als Basis der Kommunikation entstehen umfangreiche Datenbanken (Big Data), die das aktuelle medizinische und organisatorische Wissen bündeln. Aufbau und Finanzierung solcher Datenströme und ‑projekte obliegen nach einhelliger Auffassung des Expertengremiums der staatlichen Hoheit.
2. Struktur: Am „point of care“ (der Ort, an dem die Dienste aus den verschiedenen medizinischen Leistungsbereichen am Menschen tatsächlich erbracht werden) erfolgt neben der persönlichen Interaktion und Kommunikation auch die Umwandlung und Bündelung der Erkenntnisse und Ergebnisse in elektronischer Form: Anamnese, Diagnose, Therapieplan und Maßnahmen-Controlling (Case Management). Dies kann das Erreichen von Zielvereinbarungen zwischen den Leistungserbringern und dem Patienten (Adherence) fördern. Die Rollen und Aufgaben aller Beteiligten am „point of care“ werden, nicht zuletzt aus demografischen Gründen, in der Zukunft einem Wandel unterliegen. So zählt es im Bereich der chronischen Wundversorgung bereits Heute zu den Versorgungsrealitäten, dass viele Pflegende aufgrund ihrer Fachkompetenz zu den Co-Entscheidern der behandelnden Ärzte gerechnet werden.
Vielfach führt derzeit in der Behandlung von Patienten mit chronischen Erkrankungen die mangelnde technologische Vernetzung von Diagnose- und Therapieinformationen zu Wissenslücken und Behandlungs- bzw. Versorgungsbrüchen. Heutzutage bestehen lediglich kleine Dateninsellösungen mit beträchtlichen Informationsinhalten und großen Datenbeständen, die es gilt, für die Zukunft zu vernetzen. Für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Lebensqualität des Menschen ist es essenziell, dass diese gebündelte Datenmacht nicht nur in der medizinischen Akutversorgung, sondern auch im Rahmen der Betreuung von chronischen und mitunter lebenslangen Leiden permanent verfügbar ist.
In diesem Strukturbereich des Datenaustausches ist eine sichere Klassifizierung von Datenhoheitsrechten bedeutsam (Datenschutz). Die Teilnehmer des Think Tanks berichteten in diesem Kontext von den Fallstricken der Erhebung/des Transfers von Daten im Bereich der Dokumentation von chronischen Wunden bei der Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen, therapeutischen Team.
Diese Form der interdisziplinären Datenerhebung und des komplexen Datenmanagements dient ausschließlich dem Wohle des Menschen und der Patienten. Entsprechend muss dies finanziert, budgetiert und honoriert werden. Eine Möglichkeit der ökonomischen Darstellung derartiger Informationsstrukturen bietet die kalkulatorische Einbindung der IT-Dokumentationssysteme in Selektivverträge.
3. Struktur: Auch der Mensch selbst sollte, dem Vorsorgetrend folgend, nicht erst im Krankheitsfall in die Pflicht genommen werden. Die Verantwortung gegenüber dem persönlichen Gesundheitszustand kann durch Maßnahmen zur Früherkennung geschärft werden. Die ermittelten Werte ergänzen die Dokumentationslage der medizinischen Daten. Die Aufklärung und Selbstkontrolle führen zu größtmöglicher eigener Datenhoheit des Menschen und Patienten.
In diesem Feld eröffnen sich innovative Teilhabe- und Finanzierungsmöglichkeiten durch einen Konnex mit Anbietern aus den Bereichen IKT, Pharma, Life Science, betrieblicher Gesundheitsvorsorge, Krankenversicherern etc. Umso mehr ist bei derartigen E‑Health–Dienstleistungen der Datenschutz von größter Bedeutung.
Der 2. Think Tank zum Thema „E‑Health“ wird am 6. Februar 2014 im Vorlauf zur Winterakademie des G&S Verlages in Maspalomas auf Gran Canaria stattfinden.