Die Aussicht auf eine bald startende Impfkampagne gegen das Coronavirus lässt viele Menschen auf ein Ende des Lockdowns hoffen. Aber frühestens Mitte Dezember könnten in Deutschland erste Kontingente ausgeliefert werden. Gleich drei Impfstoffe befinden sich in Phase 3 ihrer Erprobung an Menschen und haben Dringlichkeitszulassungen beantragt. Hierbei sind die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und das Paul-Ehrlich-Institut federführend. Verantwortlich für die Durchführung der Impfkampagne ist die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Bundesländern. Die Impfung soll auf freiwilliger Basis erfolgen, eine Impfpflicht ist nicht geplant.
Bei der weltweiten Entwicklung von Impfstoffen tauschen sich die großen Pharmaunternehmen aus und stellen sich gegenseitig Forschungserkenntnisse und Wirkstoffverstärker zur Verfügung. Allein in Deutschland wird an 26 Standorten geforscht, darunter auch öffentliche Einrichtungen, wie das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung, die Universitäten in Tübingen, München und Gießen sowie die Universitätskliniken in Bonn und Hamburg-Eppendorf. Das deutsch-amerikanische Joint Venture Biontech betreibt in fünf deutschen Städten Forschung an seinem Impfstoff-Kandidaten. Daneben sind unter anderem auch noch Merck, CureVac, Sanofi/GSK und das japanische Unternehmen Daiichi Sankyo hierzulande aktiv.
Wer bekommt die Impfstoffe (zuerst)?
Alle in Deutschland lebenden Menschen können sich kostenlos impfen lassen, auch wenn sie keinen Krankenversicherungsschutz haben. Die gute Nachricht für Pflegekräfte: Sie gehören voraussichtlich zu den Ersten, die eine Impfung erhalten. Das empfiehlt jedenfalls die Ständige Impfkommission (Stiko) des RKI, die regelmäßig Impfempfehlungen herausgibt und deren Priorität es aktuell ist, schwere und tödliche Krankheitsverläufe zu verhindern und das Gesundheitssystem zu stützen. Neben medizinischem Personal sollen deshalb vorrangig Hochrisikogruppen geimpft werden.
In einem gemeinsamen Positionspapier mit dem Deutschen Ethikrat sowie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina werden zudem Personen priorisiert, „die für das Gemeinwesen besonders relevante Funktionen erfüllen und nicht ohne Probleme ersetzbar sind“ und die dem Ziel der „Aufrechterhaltung staatlicher Funktionen und des öffentlichen Lebens“ dienten. Dazu dürften insbesondere Mitarbeiter der Gesundheitsämter, aber auch Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz gehören. Ebenfalls sollen Beschäftigte im Bildungsbereich frühen Zugang zu einem Impfstoff erhalten, wenn sie „direkten, Risiko erhöhenden Kontakt“ mit am Coronavirus Erkrankten oder potenziell Infizierten haben. Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher an Kindertagesstätten können sich also berechtigte Hoffnung machen, bald nicht mehr aus einer in die nächste Zwangsquarantäne geschickt zu werden.
Die Wissenschaft geht aktuell davon aus, dass eine überstandene Corona-Infektion für einen körpereigenen Schutz von mindestens sechs Monaten sorgt. Deshalb dürfte diese Personengruppe erst später im nächsten Jahr eine Impfung erhalten.
Welche Impfstoffe gibt es und wie effektiv sind sie?
Derzeit sind weltweit 212 COVID-19-Impfstoff-Kandidaten in der Erprobung (Stand: 12.11.20, Quelle: WHO). Davon befinden sich 179 noch im Design- oder Tierversuchsstadium. Bereits in Phase 1 von Tests an (wenigen) Menschen befinden sich 22 Präparate, angelegt als Blindstudie mit teilweiser Placebo-Abgabe. Hier wird ausschließlich die Verträglichkeit geprüft. Einen Schritt weiter sind 13 mögliche Impfstoffe, die an einer größeren Gruppe von 50 bis 500 Freiwilligen erprobt werden, wobei auch die richtige Dosierung und Immunreaktion der Teilnehmenden untersucht wird. Elf Produkte befinden sich bereits in Phase 3, mit einer fünfstelligen Zahl von Probanden, bei der auch der längerfristige Schutzeffekt der Impfung geprüft wird. Drei dieser Impfstoffe durchlaufen bereits ein „Rolling review“ genanntes beschleunigtes Verfahren bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA).
Produzierende Firmen |
BioNTech/Pfizer(DE/USA) |
Moderna(USA) |
AstraZeneca(GB) |
Name des Wirkstoffs | BNT162b2 | mRNA-1273 | AZD1222 |
Funktionsweise | mRNA-Impfstoff | mRNA-Impfstoff | Vektorimpfstoff |
Phase 3‑Probanden | 44.000 | 30.000 | 20.000 |
Reservierte Impfdosen (EU) | 300 Millionen | laufende Verhandlungen über bis zu 160 Millionen | 400 Millionen |
Wirksamkeit |
95% |
94,5% |
70%* |
*Bei Probanden, deren erste (von zwei) Impfdosen halbiert wurde, stieg der Wirksamkeitsgrad auf 90%
Noch weiter ist man bisher nur in Russland. Dort wird bereits seit Mitte August der vom staatlichen Gamaleya-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau entwickelte, weltweit erste Impfstoff „Gam-COVID-Vac Lyo“ verabreicht, angeblich mit 95 % Wirksamkeit. Zu dem inzwischen mit dem patriotischeren Namen „Sputnik V“ ausgestatteten Wirkstoff gibt es mittlerweile neue Forschungserkenntnisse. Seit Oktober ist auch der COVID-19-Impfstoff-Kandidat „EpiVacCorona“ staatlich registriert. Der Vektorimpfstoff auf Peptidantigen-Basis wurde vom staatlichen Forschungszentrum für Virologie und Biotechnologie (VECTOR), einem ehemaligen sowjetischen Forschungslabor für Biowaffen, entwickelt. Beiden Präparaten gemein ist, dass sie bereits vor groß angelegten Phase 3‑Tests in Umlauf kamen und bislang nicht von der WHO zertifiziert sind.
Wo man sich impfen lassen kann lesen Sie in Kürze im zweiten Teil dieses Artikels…