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Deutschlands Krankenhäuser und Intensivstationen schlagen Alarm: Aufgrund des anhaltenden Personalmangels in der Intensivpflege ist bereits jetzt ein wesentlicher Teil der Intensivbetten nicht zu betreiben – während gleichzeitig die Zahl der Corona-Intensivpatienten seit einigen Wochen in die Höhe schießt.
Denn laut einer Blitzumfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) von Ende Oktober im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) berichteten 55 Prozent der befragten Krankenhäuser, dass sie momentan wegen Pflegekräfte-Mangel Betten gesperrt hätten. Besonders betroffen sind die großen Krankenhäuser mit mehr als 600 Betten – von ihnen können 81 Prozent im Augenblick nicht alle ihrer zur Verfügung stehenden Intensivbetten betreiben.
In der Größenordnung zwischen 300 und 599 Betten trifft dies auf 60 Prozent der Häuser zu; bei kleineren Kliniken (unter 300 Betten) auf 40 Prozent. Über alle Umfrageteilnehmer hinweg, entspricht der Anteil der gesperrten Betten einem knappen Viertel der Gesamtkapazität.
Weniger Personal als vor einem Jahr
Analog hierzu berichteten 21 Prozent aller Krankenhäuser, rückblickend auf die Zeit seit Anfang des Jahres wegen Pflegekräfte-Mangel „sehr oft“ nicht das volle Kontingent an Betten zur Verfügung gehabt zu haben. Bei weiteren 31 Prozent sei dies „oft“ der Fall gewesen. Auch hier sind große Kliniken ab 600 Betten wesentlich stärker betroffen („sehr oft“: 55 Prozent, „oft“: 20 Prozent). „Vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen mit dem Coronavirus und zunehmenden Inzidenzen von hospitalisierten COVID-19-Fällen sind die aufgezeigten Entwicklungen äußerst kritisch zu sehen“, schreibt das Autoren-Duo, Dr. Sabine Löffert und Dr. Karl Blum vom DKI in Düsseldorf.
„Bei Fortschreiten dieser Trends werden die Intensivstationen absehbar überlastet sein, sodass Einschränkungen beim Elektivprogramm der Krankenhäuser oder Sperrungen von Betten auch für Notfälle drohen.“ Im Klartext: Operationen müssten wieder verschoben werden; selbst für Notfallpatienten würde es schwierig, unterzukommen. Immer deutlicher wird zugleich: Nicht die Zahl der „physisch“ vorhandenen Betten ist der Engpass – sondern das Personal, dass die dortigen Patienten betreuen soll.
Intensivpflegekräfte: Viele haben sich umorientiert
Der Grund für den aktuellen Pflegekräfte-Mangel ist bei der Coronapandemie zu suchen – da sich zahlreiche Pflegende aufgrund der erlebten hohen Belastung seit Ausbruch des Geschehens umorientiert hätten. „Die Hälfte der Krankenhäuser berichtet, dass 2021 die Abwanderungen aus der Intensivpflege im Vergleich zu den Vorjahren etwas oder deutlich zugenommen haben“, so die Autoren.
Grund sind Kündigungen, interne Stellenwechsel, jedoch auch Arbeitszeit-Verkürzungen. 72 Prozent der befragten Krankenhäuser mit Intensivabteilung berichteten von weniger Personal auf Intensiv, als sie noch zum Jahreswechsel 2020/21 gehabt hätten. Bei 35 Prozent der Kliniken lag der Personalrückgang bei bis zu fünf Prozent, bei 29 Prozent zwischen fünf und zehn Prozent, bei 9 Prozent bei mehr als zehn Prozent.
Auch hier sind Großkliniken überproportional betroffen – hier berichteten 84 Prozent über weniger Personal als zum vergangenen Jahreswechsel. An der repräsentativen Umfrage hatten 233 deutsche Krankenhäuser mit einer Kapazität ab 50 Betten teilgenommen.
COVID-Intensivpatientenzahl steigt rasant – und Winter steht komplett bevor
Zugleich steigt die Zahl der COVID-Intensivfälle in Deutschlands Kliniken von Tag zu Tag. Aktuell (Stand: 3. November) liegen laut des DIVI-Intensivregisters 2.226 Corona-Patienten innerhalb Deutschlands in Intensivbehandlung. Damit hat sich deren Zahl gegenüber dem Stand von 1. September (1.135) annähernd verdoppelt. Zum Vergleich: Am 3. Januar 2021, zum Scheitelpunkt der „zweiten Welle“, befanden sich 5.762 Corona-Patienten gleichzeitig in Intensivbehandlung.
Auf dem Höhepunkt der dritten, durch das Aufkommen der Alpha-Variante ausgelösten „dritten Welle“ im Frühjahr 2021 waren es 5.054 (23. April). Im Zuge der sommerlichen Entspannung der Lage, einhergehend mit sinkenden Inzidenzen und Klinik-Einweisungen, waren die Corona-Fälle auf Intensiv auf bis zu 347 (am 29. Juli) zurückgegangen. Doch der Winter 2021/22 steht noch komplett bevor, und die jetzigen Fallzahlen sind – trotz der Impfkampagne und des wesentlich höheren Anteils an Genesenen – annähernd so hoch als am gleichen Tag des Vorjahres (3. November 2020: 2.388 COVID-Intensivpatienten).
Die Ursache für den Anstieg sieht das Autoren-Duo in allererster Linie am nach wie vor zu nicht genügend hohen Impfquote in der Bevölkerung. „Aktuell sind die meisten Corona-Patienten auf den Intensivstationen ungeimpft. Vor allem durch höhere Impfquoten könnten daher die Intensivstationen und das Intensivpersonal, insbesondere das Pflegepersonal, spürbar entlastet werden“, appellieren Dr. Sabine Löffert und Dr. Karl Blum.