Kündigung nach verweigertem Corona-Test
Im schleswig-holsteinischen Itzstedt ist eine Mitarbeiterin einer Senioreneinrichtung fristlos gekündigt worden. Die Frau war in besagter Einrichtung als Reinigungskraft angestellt. Am vergangenen Wochenende nahm sie an der Demonstration in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen teil. Am darauffolgenden Montag, den 31. August 2020, meldete sie sich mit Erkältungssymptomen krank. Aufgrund dessen ordnete die Einrichtung einen Corona-Test an. Diesen habe die Frau allerdings verweigert. Noch am selben Tag erhielt sie die fristlose Kündigung.
Ausschlaggebender Punkt für die Kündigung sei die Verweigerung des Corona-Tests gewesen. Der Fall wurde publik, als die gekündigte Reinigungskraft ein Foto ihrer Kündigung in den sozialen Netzwerken postete. Zuvor dokumentierte sie auch ihre Teilnahme an der Demonstration. Einige Medien griffen den Fall bereits auf. Ob es sich bei dem Foto um die originale Kündigung handelt, ist nicht ganz klar. Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung bestätigte der Pflegedienstleiter der Einrichtung die Kündigung jedoch am Mittwoch. Begründend führt er an, dass in Pflegeheimen besonders strenge Vorsichtsmaßnahmen notwendig seien, die für alle gelten würden. Dazu zähle auch ein Corona-Test bei entsprechenden Krankheitssymptomen.
In den sozialen Netzwerken gehen die Meinungen zu dem Thema auseinander. Die einen bejahen die Entscheidung der Einrichtung, die anderen hätten von einer Kündigung abgesehen. Fraglich ist, ob die Mitarbeiterin rechtlich gegen ihren Rauswurf vorgehen wird.
Auch Arbeitsrechtler streiten ob der Rechtswirksamkeit der Kündigung. In diesem Zusammenhang hat die Rechtsdepesche-Redaktion Rechtsanwalt Hubert Klein zu einer Einschätzung der Rechtslage befragt:
Kommentar von Rechtsanwalt Hubert Klein:
„Diese Kündigung wird mit Sicherheit das Arbeitsgericht beschäftigen. Unabhängig davon, ob für die betreffende Person ein Tarifvertrag gilt, die Regeln zur fristlosen Kündigung eines Arbeitsvertrages orientieren sich alle an der Grundaussage von § 626 BGB. Der Arbeitgeber braucht demnach für eine fristlose Kündigung in erster Linie einen „wichtigen Grund“. Und es muss bei jeder arbeitsrechtlichen Kündigung ergänzend zum Gesetzestext das „ultima-ratio“-Prinzip hinzugedacht werden: Die Kündigung muss das letzte, das einzige Mittel im Arbeitsrechtsfall sein.
Es fragt sich im vorliegenden Fall also zunächst, ob ein wichtiger Grund für eine Kündigung gemäß § 626 BGB vorgelegen hat. Konkret, ob die Weigerung des Corona-Tests a) überhaupt eine Arbeitspflichtenverletzung darstellt und b) ob diese Pflichtenverletzung dann von von besonderem, unerträglichem Gewicht war. Wichtige Gründe müssen immer einzelfallbezogen bewertet werden. Und zum neuen Problemkreis „Corona“ fehlt es naturgemäß noch an mustergültiger Rechtsprechung. In der arbeitsrechtlichen Literatur setzt sich aber bereits die Meinung durch, dass den Arbeitgebern im Gesundheitswesen (ausnahmsweise) ein Fragerecht zusteht, wo seine Angestellten im Urlaub waren. Sodann soll Arbeitgebern das Recht zustehen, bei Arbeitnehmern mit Corona-Krankheitssymtomen und von Urlaubsrückkehrern aus sog. Risikogebieten einen Corona-Test einzufordern.
Das Gefahrenpotenzial aus der Teilnahme an einer Demonstration ist aber juristisches Neuland. Das zuständige Arbeitsgericht würde bei einer Kündigungsschutzklage also vom Arbeitgeber einfordern, dass er Beweise vorbringt, aus denen sich ein erhöhtes Ansteckungs-Risiko durch die Teilnahme an jener Demonstration zeigt. Das geht sicherlich nur über die in Facebook geposteten Aufnahmen. Sollte sich dort zeigen, dass die Reinigungskraft sich in engem Personenumfeld und ohne Maskenschutz bewegt hat, dann wird man daraus ein Risikoverhalten ableiten können. Ich halte es für zulässig, den Aufenthalt in einer bewusst Infektionsschutz-ablehnenden Menschenmenge dem Verweilen in einem Risikogebiet zumindest gleichzusetzen. Unter dieser erhöhten Risikoeinstufung darf dann ein Arbeitgeber in Gesundheitseinrichtungen sicherlich einen Corona-Test einfordern, bevor die Arbeitnehmerin wieder in den Dienst kommen darf (arbeitnehmerseitige Nebenpflicht/Treuepflicht).
Diese Risikoeinstufung und Testpflicht verblasst natürlich, wenn die Arbeitnehmerin zunächst gar nicht zur Arbeit erscheint (zum Beispiel 14 Tage in häuslicher Quarantäne geht) oder wenn die Arbeitnehmerin krank geschrieben wird, wie im vorliegenden Fall.
Unterstellt, eine Arbeitnehmerin bestünde (anders als im Fall „Itzstedt“) auf sofortige Arbeitsaufnahme unter Verweigerung eines geforderten Corona-Tests, dann spräche einiges für das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur fristlosen Kündigung. Denn das oben beschriebene Ansteckungsrisiko berechtigt den Arbeitgeber einerseits zu Maßnahmen nach § 15 Absatz 1 Satz 2 ArbSchG (Arbeitschutzgesetz) – zum Schutz anderer Mitarbeiter. Und die Bewohner eines Seniorenheimes gelten als Corona-Hochrisikopatienten. Diesen gegenüber schuldet der Heimbetreiber Schutzpflichten aus dem Heimvertrag. Und aus einem vertraglichen Dreiecksverhältnis heraus schuldet die Reinigungskraft über ihrem Arbeitsvertrag ebenso Schutz für die Bewohner. Die Arbeitsaufnahme durch eine Corona-infektionsverdächtige Person im Hochrisikobereich „Seniorenheim“ begründet Gesundheits- und Lebensgefahren für eine Mehrzahl von Bewohnern. Damit steht dem Arbeitgeber das Recht zur Einforderung eines Corona-Tests zu. Dessen Verweigerung stellte – grundsätzlich – einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar.
Nächste Frage ist sodann, ob hier auch das „ultima-ratio“-Prinzip gewahrt wäre. Also, ob es kein milderes Mittel zur Gefahrenabwehr gegeben hätte. Hier drängt sich auf, dass eine Freistellung von der Arbeit für die gängige Quarantänefrist von 14 Tagen nebst Hausverbot und Abmahnung gereicht hätten, die Gesundheitsgefahren abzuwenden. Nach jenen 14 Tagen ist dann wohl nur noch die Frage zulässig, ob Krankheitssymptome vorliegen sowie das Recht zum kontaktlosen Fiebermessen. Mehr nicht, insbesondere sehe ich hier kein Recht, die Arbeitnehmerin zum Arbeitsmediziner zu schicken. Im Falle der Demonstrationsteilnehmerin entfiele im übrigen deren Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Hier ist zwar die neue Corona-Rechtslage noch diffus. Aber der Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG) setzt voraus, dass Arbeitnehmer – unverschuldet – an der Arbeitsleistung verhindert sind. Hierzu werden die Arbeitsgerichte in den nächsten Monaten vielfältige Urteile dazu treffen müssen, ob die Reise in ein ausgewiesenes Risikogebiet ein schuldhaftes Verhalten darstellt. Vieles spricht dafür. Gleiches sehe ich für die Teilnahme an der besagten Demonstration in Berlin. Das Begeben in eine enge Menschenansammlung – bei Maskenverweigerung als Prinzip – stellt für mich ein noch höheres Verschulden dar, als die Reise in eine Risikoregion. Wegen dieses Eigenverschuldens entfiele für den Arbeitgeber die Pflicht zur Entgeltfortzahlung aus § 3 EntgFG.
Für den Fall in Itzstedt bedeuten diese Grundsätze: Die Reinigungskraft hatte sich krank gemeldet. Eine Arbeitsaufnahme und damit Gefährdung von Kollegen/Bewohnern stand nicht an. Damit entsteht durch die Weigerung des Corona-Testes zu diesem Zeitpunkt selbst keine Gefahr und damit kein wichtiger Grund für eine Kündigung. Die Verweigerungshaltung allein kann keinen wichtigen Grund darstellen.
Letzte Frage wird bleiben, ob der Arbeitgeber hier eine Entgeltfortzahlung verweigern kann. Es liegt offenbar eine „ordentliche“ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Hier fehlen Fragerechte bzw. Recherchemöglichkeiten des Arbeitgebers nach dem Grund der AU. Wenn er die feste Überzeugung hat, dass die AU wegen der Coronagefahr besteht, so bleibt ihm nur die plumpe Verweigerung der Entgeltfortzahlung. Im Rechtsstreit um die Nachzahlung muss der Arbeitgeber dann zumindest Anscheinsbeweise (Facebookfotos) erbringen, dass ein „Corona-Eigenverschulden“ der Arbeitnehmerin vorliegt.
Alles Weitere wird die kommende Rechtssprechung zeigen.
Mit herzlichen Grüßen, Hubert Klein.“