Urlaub
Quaran­täne und Urlaub Bild: © Dan Rențea | Dreamstime.com

Eine Frau musste wenige Tage vor ihrem Urlaub in Corona-Quaran­täne. Ihr Kind hatte sich mit dem Corona­vi­rus infiziert, entspre­chend wurde über sie als Kontakt­per­son ersten Grades eine häusli­che Isolie­rung verfügt. Ein Tag nach dem Beginn ihres Erholungs­ur­laubs, am 1. Dezem­ber 2020 hatte auch sie ein positi­ves Corona-Testergeb­nis – Symptome hatte sie jedoch keine. Ihre Quaran­täne musste die Frau bis zum 7. Dezem­ber fortset­zen. Eine Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung hatte sie für diese Zeit nicht. Von ihren ursprüng­lich beantrag­ten und vom Arbeit­ge­ber gewähr­ten dreizehn Urlaubs­ta­gen blieben ihr nach Auslauf der Quaran­täne-Zeit noch sechs Urlaubs­tage.

Die Frau war der Meinung, dass ihr deshalb zumin­dest für die Zeit in Quaran­täne vom 1. bis einschließ­lich 7. Dezem­ber fünf Urlaubs­tage nachge­währt werden müssten. Deshalb klagte sie gegen ihren Arbeit­ge­ber und berief sich hierbei in erster Linie auf den § 9 des Bundes­ur­laubs­ge­set­zes (BUrlG). In dem ist geregelt, dass bei Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mern, die während ihres Urlaubs erkran­ken, die Tage der Arbeits­un­fä­hig­keit nicht auf den Jahres­ur­laub angerech­net werden können. Das gilt aller­dings nur, wenn die Arbeits­un­fä­hig­keit durch ein ärztli­ches Zeugnis nachge­wie­sen wurde.

Erkran­kung ist nicht gleich Arbeits­un­fä­hig­keit

Das Arbeits­ge­richt in Bonn hat die Klage in erster Instanz abgewie­sen. Und auch die folgende Berufung der Kläge­rin ist unbegrün­det. Nach Ansicht des Arbeits­ge­richts müsse zwischen Krank­heit und Arbeits­un­fä­hig­keit unter­schie­den werden. Auch ist eine behörd­lich angeord­nete Isola­tion oder Quaran­täne nicht gleich­zu­set­zen mit der Feststel­lung einer Arbeits­un­fä­hig­keit. Da die Frau während des Urlaubs auch selbst mit dem Corona­vi­rus infiziert war, kann ihr zu jener Zeit ein regel­wid­ri­ger Körper­zu­stand (ein Zustand, der vom Leitbild des gesun­den Menschen abweicht) unter­stellt werden.

Damit wäre die Defini­tion einer Erkran­kung erfüllt. Nach Meinung des Gerichts jedoch führt nicht jede Krank­heit automa­tisch zu einer Arbeits­un­fä­hig­keit. Beispiele hierfür seien Diabe­tes oder Bluthoch­druck: Beides sind Erkran­kun­gen und können im Einzel­fall zu einer Arbeits­un­fä­hig­keit führen, das müsse aller­dings geson­dert festge­stellt werden. Bei der Kläge­rin in diesem Fall fehlt aufgrund der symptom­lo­sen Corona­in­fek­tion aber eine ärztli­che Feststel­lung der Arbeits­un­fä­hig­keit.

Feststel­lung der Arbeits­un­fä­hig­keit ist entschei­dend

So kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Kläge­rin trotz Erkran­kung hätte arbei­ten können. Das behörd­li­che Verbot allein war der Grund, weshalb ihr die Arbeit nicht möglich war. So wäre denkbar gewesen, dass sie im Home Office von zu Hause aus ihrer Tätig­keit hätte nachge­hen können. Eine Virus­trä­ger­schaft führt somit nicht zwangs­weise zur Unmög­lich­keit der Verrich­tung der Arbeit. Nur der gewährte Urlaub führte in diesem Fall dazu, dass die Kläge­rin nicht arbei­ten musste – körper­lich war sie nicht einge­schränkt.

Eine genauere Betrach­tung der Quaran­tä­ne­a­n­ord­nung stützt diese Annahme. Durch sie wird der betrof­fe­nen Person verbo­ten, mit anderen zusam­men­zu­ar­bei­ten, auch wenn die Person eigent­lich in der Lage wäre, ihrer Tätig­keit nachzu­ge­hen. Somit hätte die Anord­nung keinen Einfluss auf entspre­chende Home-Office-Regelun­gen zwischen Kläge­rin und Beklag­ten gehabt, da dadurch eine Zusam­men­ar­beit mit anderen sowieso ausge­schlos­sen wäre. Damit steht die Quaran­tä­ne­a­n­ord­nung einer Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung nicht gleich.

Der Tatbe­stand einer Arbeits­un­fä­hig­keit ist auch dann nicht gegeben, wenn der Arbeit­ge­ber der Kläge­rin wegen ihrer Infek­tion verbie­ten würde, im Unter­neh­men zu arbei­ten oder wenn sich andere Mitar­bei­ter wegen der Anste­ckungs­ge­fahr weigern würden, mit der Kläge­rin zusam­men­zu­ar­bei­ten. Beides war aber ohnehin nicht gegeben, weil die Kläge­rin im Urlaub war.

Nachge­wäh­rung von Urlaub nur bei Arbeits­un­fä­hig­keit

Die Entschei­dung des Arbeits­ge­richts folgt damit der ständi­gen Recht­spre­chung, nach der eine Arbeits­un­fä­hig­keit ledig­lich dann gegeben ist, wenn körper­li­che oder andere Symptome die Arbeits­leis­tung der erkrank­ten Person unmög­lich machen. Der Tatbe­stand nach § 9 BUrlG muss hierbei sehr eng ausge­legt werden und kann nicht auf weitere Sachver­halte übertra­gen werden. Somit ist auch die indivi­du­elle Nutzung von Urlaubs­ta­gen kein Krite­rium für eine Nachge­wäh­rung. Selbst eine Inhaf­tie­rung – die stärkste Einschrän­kung bei der Nutzung der Urlaubs­tage – führt nicht zu einer Nachge­wäh­rung.

Dass die Kläge­rin keine Beschei­ni­gung über eine Arbeits­un­fä­hig­keit vorzei­gen konnte, lag ausschließ­lich daran, dass sie symptom­frei war und damit arbeits­fä­hig. Die Erkran­kung mit dem Corona­vi­rus führt also nicht per se dazu, dass die Kläge­rin unter keinen Umstän­den eine Arbeits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gung erlangt hätte. Hätte sie entspre­chende behand­lungs­be­dürf­tige Symptome gehabt, hätte sie ohne Weite­res einen Arzt konsul­tie­ren können, der ihr dann eine entspre­chende Beschei­ni­gung ausstellt hätte. Dies war aber nicht der Fall.

Quelle: LAG Köln vom 13.12.2021 – 2 Sa 488/21. Gegen die Entschei­dung wurde Revision zum BAG Erfurt einge­legt (Az.: 9 AZR 62/22).