Eine Frau musste wenige Tage vor ihrem Urlaub in Corona-Quarantäne. Ihr Kind hatte sich mit dem Coronavirus infiziert, entsprechend wurde über sie als Kontaktperson ersten Grades eine häusliche Isolierung verfügt. Ein Tag nach dem Beginn ihres Erholungsurlaubs, am 1. Dezember 2020 hatte auch sie ein positives Corona-Testergebnis – Symptome hatte sie jedoch keine. Ihre Quarantäne musste die Frau bis zum 7. Dezember fortsetzen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hatte sie für diese Zeit nicht. Von ihren ursprünglich beantragten und vom Arbeitgeber gewährten dreizehn Urlaubstagen blieben ihr nach Auslauf der Quarantäne-Zeit noch sechs Urlaubstage.
Die Frau war der Meinung, dass ihr deshalb zumindest für die Zeit in Quarantäne vom 1. bis einschließlich 7. Dezember fünf Urlaubstage nachgewährt werden müssten. Deshalb klagte sie gegen ihren Arbeitgeber und berief sich hierbei in erster Linie auf den § 9 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG). In dem ist geregelt, dass bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die während ihres Urlaubs erkranken, die Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden können. Das gilt allerdings nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Zeugnis nachgewiesen wurde.
Erkrankung ist nicht gleich Arbeitsunfähigkeit
Das Arbeitsgericht in Bonn hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Und auch die folgende Berufung der Klägerin ist unbegründet. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts müsse zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit unterschieden werden. Auch ist eine behördlich angeordnete Isolation oder Quarantäne nicht gleichzusetzen mit der Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit. Da die Frau während des Urlaubs auch selbst mit dem Coronavirus infiziert war, kann ihr zu jener Zeit ein regelwidriger Körperzustand (ein Zustand, der vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht) unterstellt werden.
Damit wäre die Definition einer Erkrankung erfüllt. Nach Meinung des Gerichts jedoch führt nicht jede Krankheit automatisch zu einer Arbeitsunfähigkeit. Beispiele hierfür seien Diabetes oder Bluthochdruck: Beides sind Erkrankungen und können im Einzelfall zu einer Arbeitsunfähigkeit führen, das müsse allerdings gesondert festgestellt werden. Bei der Klägerin in diesem Fall fehlt aufgrund der symptomlosen Coronainfektion aber eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit.
Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist entscheidend
So kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Klägerin trotz Erkrankung hätte arbeiten können. Das behördliche Verbot allein war der Grund, weshalb ihr die Arbeit nicht möglich war. So wäre denkbar gewesen, dass sie im Home Office von zu Hause aus ihrer Tätigkeit hätte nachgehen können. Eine Virusträgerschaft führt somit nicht zwangsweise zur Unmöglichkeit der Verrichtung der Arbeit. Nur der gewährte Urlaub führte in diesem Fall dazu, dass die Klägerin nicht arbeiten musste – körperlich war sie nicht eingeschränkt.
Eine genauere Betrachtung der Quarantäneanordnung stützt diese Annahme. Durch sie wird der betroffenen Person verboten, mit anderen zusammenzuarbeiten, auch wenn die Person eigentlich in der Lage wäre, ihrer Tätigkeit nachzugehen. Somit hätte die Anordnung keinen Einfluss auf entsprechende Home-Office-Regelungen zwischen Klägerin und Beklagten gehabt, da dadurch eine Zusammenarbeit mit anderen sowieso ausgeschlossen wäre. Damit steht die Quarantäneanordnung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht gleich.
Der Tatbestand einer Arbeitsunfähigkeit ist auch dann nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber der Klägerin wegen ihrer Infektion verbieten würde, im Unternehmen zu arbeiten oder wenn sich andere Mitarbeiter wegen der Ansteckungsgefahr weigern würden, mit der Klägerin zusammenzuarbeiten. Beides war aber ohnehin nicht gegeben, weil die Klägerin im Urlaub war.
Nachgewährung von Urlaub nur bei Arbeitsunfähigkeit
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts folgt damit der ständigen Rechtsprechung, nach der eine Arbeitsunfähigkeit lediglich dann gegeben ist, wenn körperliche oder andere Symptome die Arbeitsleistung der erkrankten Person unmöglich machen. Der Tatbestand nach § 9 BUrlG muss hierbei sehr eng ausgelegt werden und kann nicht auf weitere Sachverhalte übertragen werden. Somit ist auch die individuelle Nutzung von Urlaubstagen kein Kriterium für eine Nachgewährung. Selbst eine Inhaftierung – die stärkste Einschränkung bei der Nutzung der Urlaubstage – führt nicht zu einer Nachgewährung.
Dass die Klägerin keine Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit vorzeigen konnte, lag ausschließlich daran, dass sie symptomfrei war und damit arbeitsfähig. Die Erkrankung mit dem Coronavirus führt also nicht per se dazu, dass die Klägerin unter keinen Umständen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erlangt hätte. Hätte sie entsprechende behandlungsbedürftige Symptome gehabt, hätte sie ohne Weiteres einen Arzt konsultieren können, der ihr dann eine entsprechende Bescheinigung ausstellt hätte. Dies war aber nicht der Fall.
Quelle: LAG Köln vom 13.12.2021 – 2 Sa 488/21. Gegen die Entscheidung wurde Revision zum BAG Erfurt eingelegt (Az.: 9 AZR 62/22).