Die vieldiskutierte allgemeine Impfpflicht im Kampf gegen die Pandemie ist vorerst verschoben. Letzten Freitag einigte sich die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) darauf, zunächst ab dem 24. Januar eine sogenannte Orientierungsdebatte durchführen zu lassen. Damit könnte eine Entscheidung über einen Gesetzesentwurf Mitte März fallen. Die Impfpflicht ist also nicht vom Tisch, allerdings könnte sie mit diesem Zeitplan nicht vor April umgesetzt werden, was besonders von MPK-Vorsitzenden Hendrik Wüst (CDU) kritisiert wird. Er setzte sich stark dafür ein, die Forderung nach einem belastbaren Zeitplan zur Umsetzung im Abschlusspapier unterzubringen. Wüst und andere Vertreter der CDU werfen Kanzler Scholz vor, das Thema zu verschleppen. Die Ampel dagegen besteht darauf, die Impfpflicht auch gesellschaftlich ausführlich und ohne Zeitdruck zu besprechen.
Zweifellos ist das Thema Impfpflicht sehr komplex. Die Impfpflicht wird immer noch von vielen Experten als möglicher Verstärker einer gesellschaftlichen Spaltung gesehen, weshalb sich viele Politiker schwer tun, sich eindeutig für die allgemeine Impfpflicht auszusprechen. Auch deshalb ist es nachvollziehbar, dass die Ampel keinen eigenen Gesetzesentwurf vorlegen möchte. Allerdings besteht die Gefahr, dass die sowieso schon halbherzige Unterstützung der Impfpflicht in der Zwischenzeit weiter abnimmt. Dabei ist eine Steigerung der Impfquote gerade bei den über 60-Jährigen entscheidend im Kampf gegen die Pandemie.
Wann wird aus der Pandemie die Endemie?
Viele Experten sind sich einig: 2022 könnte das Jahr werden, in dem die Coronapandemie endemisch wird. Statt immer wieder aufkommenden Infektionswellen wäre dann eine Grundimmunität in der Bevölkerung erreicht, so dass neue Corona-Varianten wenige schwere Verläufe verursachen – ähnlich wie aktuell bei Grippeviren.
Entscheidend für den Eintritt in die Endemie ist also das Vorhandensein von Antikörpern – durch vorausgegangene Infektion oder durch die Impfung. Virologe Hendrik Streeck geht davon aus, dass „jeder in Deutschland mit dem Virus in den nächsten Jahren immer mal wieder in Kontakt kommen wird“, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. „Jeder muss sich darauf vorbereiten, in seinem Leben doch mal positiv auf Corona getestet zu werden.“
Deutsche Impfquote noch zu niedrig
Professor Doktor Bertram Häussler, Leiter der IGES Gruppe (Forschungs- und Beratungsinstitut) prognostiziert einen Peak der Omikron-Welle für Ende Februar. Seine Basis ist die Entwicklung in Großbritannien, da bisher sowohl die Alpha- als auch die Delta-Variante mit einer gewissen Verzögerung in Deutschland zu ähnlichen Entwicklungen geführt hätten. Ausgehend von der Annahme, dass der Höhepunkt der Omikron-Welle im Vereinigten Königreich in ein bis zwei Wochen erreicht sein könnte, würde der Höhepunkt in Deutschland dementsprechend fünf Wochen später erreicht sein.
Allerdings sieht der Expertenrat der Bundesregierung Deutschland im Nachteil gegenüber anderen europäischen Ländern: „[Der fehlende Impfschutz] betrifft auch eine signifikante Zahl von Menschen, die einer vulnerablen Gruppe zuzuordnen sind. Gerade bei Menschen, die älter als 60 Jahre sind, ist dieser Anteil im Vergleich zu anderen europäischen Staaten wie z.B. Großbritannien oder Spanien höher.“ Dies könnte bedeuten, dass sich im Vergleich zu Großbritannien zwar weniger Menschen anstecken, allerdings mehr davon auf den Intensivstationen landen.
Gerechte Verteilung der Impfstoffe
Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO, sagte am 30.12. in Genf ein mögliches Ende der Pandemie für das Jahr 2022 voraus, wenn bis Jahresmitte in jedem Land mindestens 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sei. Weltweit liegt die Impfquote aktuell allerdings erst bei 50,13 Prozent.
Viele Experten wie auch die Virologin Sandra Ciesek sehen in der gerechten Verteilung der Impfstoffe einen wesentlichen Faktor im Kampf gegen die Pandemie. Bisher haben in ärmeren Ländern erst 8,9 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfdosis erhalten. Das ist auch für den reichen Westen ein Problem. Denn solange das Virus in Ländern wie Afrika oder Afghanistan weiter zirkuliert, wird es immer neue Varianten geben.