Seit dem Dezember 2020 kann man sich in Deutschland gegen Corona impfen lassen. Menschen in Gesundheitsberufen wurden dabei priorisiert: Je nach Einsatzbereich gehörten sie zu den Gruppen 1 oder 2 und hatten somit die Chance, relativ früh den Impfschutz zu erlangen.
Inzwischen ist deutlich mehr Impfstoff verfügbar, über 60 Prozent der Deutschen sind vollständig geimpft. Eine allgemeine Impfpflicht – so betont die Bundesregierung immer wieder – soll es nicht geben. Allerdings wird die Forderung nach einer Impfpflicht für ausgewählte Gruppen lauter. „Wir werden nicht umhinkommen, über eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppe wie Lehrer, Erzieherinnen oder Pflegekräfte zu diskutieren“, sagte etwa der Präsident des deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das gehöre im Herbst auf die politische Tagesordnung. Man müsse sich bewusst machen, dass bislang auch diejenigen geschützt würden, „die sich aus freien Stücken gegen einen Impfschutz entschieden haben“. Das habe zwar seine Berechtigung, jedoch müsse ab einem gewissen Punkt „die Frage erlaubt sein, wie lange die Gesellschaft das so mittragen kann.“
Impfpflicht für Pflegekräfte: Ist das rechtlich möglich?
Grundsätzlich besteht ein Unterschied zwischen einer allgemeinen Impfpflicht und einer Impfpflicht für bestimmte Berufe. Denn es geht um die Abwägung zwischen dem Recht auf Schutz besonderer Gruppen – also den Patienten oder Heimbewohnern – und dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen. Zwar sollen auch Pflegekräfte selbst entscheiden dürfen, ob sie sich impfen lassen möchten, allerdings muss der Schutz der Patienten gewährleistet sein.
Was passieren kann, zeigt ein Vorfall in den Schweriner Helios-Kliniken: Nach einem Corona-Ausbruch auf der Palliativstation wurden neun von zehn Patienten postitiv getestet. Nach einem Bericht des Spiegel sei das Virus vermutlich von einer ungeimpften Mitarbeiterin eingeschleppt worden.
Eine Impfpflicht für Masern besteht bereits seit März 2020 für Menschen in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte damals die Einführung der Pflicht mit den Worten begründet: „Mein Freiheitsbegriff hört jedenfalls nicht bei mir als Einzelnem auf.“
Was spricht gegen die Impfpflicht?
Ein klares Argument gegen die Impfpflicht ist schlicht die Tatsache, dass sich die Pflegeberufe schon aktuell nicht durch einen Überfluss an Fachkräften auszeichnen. In dem Moment, in dem eine Impfpflicht eingeführt wird, muss man damit rechnen, dass einige Pflegende die Konsequenz ziehen, aus dem Beruf auszusteigen. So meint Sylvia Bühler, Bundesvorstandsmitglied der Gewerkschaft ver.di: „Eine Impfpflicht für diese speziellen Berufsgruppen könnte für manche der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt und sie aus ihrem gesellschaftlich so relevanten Berufe treibt. Das sollte ernsthaft niemand wollen.“
Auch die USA sind ein eher abschreckendes Beispiel. Hier drängt Präsident Joe Biden Unternehmen zur Impfpflicht für die Mitarbeiter – mit Kündigung als letzter Konsequenz. Bei vielen Unternehmen aus der Gesundheitsbranche führte das dazu, dass teilweise über 2000 Angestellte entlassen bzw. unbezahlt freigestellt wurden. Abgesehen davon, dass ein solches Vorgehen in Deutschland arbeitsrechtlich nicht möglich wäre, dürfte es auch die Situation der Patienten nicht verbessern.
DKG-Vorstand drängt auf Entscheidung
Schon jetzt gilt eine Sonderregelung im Bezug auf die Auskunft zum Impfstatus: Arbeitgeber in Pflegeheimen, Schulen und Kitas dürfen Angestellte nach dem Impfstatus fragen, um entsprechend planen zu können. Eine darüber hinaus gehende Impfpflicht lehnt Andreas Westerfellhaus, Pflegebeauftragter der Bundesregierung, klar ab. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Aus dem Berufsethos der Pflegekräfte heraus erwarte ich, dass die Menschen mit Pflegebedarf geschützt werden. Dazu gehört auch die Impfung.“
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, wünscht sich eine Stellungnahme des Ethikrates: „Die derzeitige, seit nunmehr Wochen schwelende Debatte über eine Impfpflicht ist kontraproduktiv und wird die Impfbereitschaft sowohl in den betroffenen Berufsgruppen als auch in der allgemeinen Bevölkerung eher absenken als fördern,“ sagte er in einer Pressemitteilung. „Deshalb ist es dringend geboten, dass sich der Ethikrat umfassend zur Thematik äußert. In der jetzigen Situation werden sowohl die Arbeitgeber als auch die Beschäftigen mit dieser Frage allein gelassen.“
Coronaimpfung führt zu keiner sterilisierenden Immunität
Professor jur. Dr. Volker Großkopf, Herausgeber der Rechtsdepesche, kommt zu dieser Einschätzung: „Die Coronaimpfung führt nach Auskunft von Experten und führenden Virologen keine sterilisierende Immunität herbei. Vor diesem Hintergrund erscheint mir die Durchsetzung einer Impfpflicht auch für die aufgeführten Berufsgruppen aus juristischer Sicht äußerst schwierig zu begründen zu sein.“