Die Pflege sucht dringend Auszubildende. Allerdings brechen viele Menschen ihre Pflegeausbildung vorzeitig ab: Laut einem Review des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) aus dem Jahr 2021 steigen deutschlandweit etwa 25 Prozent der Auszubildenden vorzeitig aus.
Besonders dramatisch wirkt sich das in der Pflege aus, wo der seit langem bestehende Fachkräftemangel die Ausbildung neuer Pflegender dringend notwendig macht.
Unterstützung in der Ausbildung
Hier setzt die sogenannte ganzheitliche Betreuung an, die im Rahmen des Bürgergeldgesetzes ab dem 1. Juli 2023 verfügbar ist. Mit der ganzheitlichen Betreuung (§ 16k SGB II) sollen Menschen beim Aufbau ihrer Erwerbsfähigkeit unterstützt werden, auch eine Begleitung von jungen Menschen während einer Ausbildung ist möglich.
Ziel der Begleitung ist es, dass angehende Pflegefachpersonen auch bei individuellen Schwierigkeiten die Ausbildung erfolgreich abschließen können.
Die neue Förderung nach § 16k SGB II bietet Auszubildenden verschiedene Optionen an, um sie beim Eintritt in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Die Betreuung kann in Form eines Einzelcoachings erfolgen, andere Möglichkeiten sind die aufsuchende Arbeit oder eine Krisenintervention.
Dabei sind die behandelten Problembereiche sehr vielseitig: Schuldnerberatung, Unterstützung bei Gesundheitsproblemen oder Suchtproblematiken gehören genauso dazu wie Alltagshilfen wie der Umgang mit Geld oder die Hilfe bei Behördengängen. Wichtig ist bei allen Angeboten, dass der Coach keine Aufgaben für die Auszubildenden übernehmen, sondern diese nur zur Selbsthilfe anleiten soll.
Ausbildungsabbrüche: So kann Coaching helfen
Der Erfolg der Maßnahme hängt stark davon ab, aus welchen Gründen sich Menschen entschließen, die Ausbildung vorzeitig abzubrechen. In einigen Punkten ist die Begleitung durch ein Coaching sicherlich hilfreich.
Für Auszubildende mit Migrationshintergrund kann zum Beispiel die Sprache eine besondere Schwierigkeit darstellen, die sich durch Sprachlernangebote leichter bewältigen lässt. Ein Lerncoaching kann helfen, sich den Lernstoff effizient anzueignen.
Schulungen in Kommunikation und Konfliktlösungsstrategien vermitteln Fähigkeiten, mit denen sich der oft auch psychisch anstrengende Berufsalltag leichter bewältigen lässt. Mit diesem Angebot werden viele Menschen unterstützt, die aufgrund von persönlichen Schwierigkeiten bei der Standardbetreuung durch die Ausbildungsleiter durchs Raster fallen.
Wo Coachingprogramme an ihre Grenzen stoßen
Ein Hindernis ist, dass ganzheitliche Betreuung im Rahmen des Bürgergeldes angeboten wird. Aktuell haben also nur solche Auszubildende Anspruch auf die Förderung nach § 16k, die leistungsberechtigt im Sinne des SGB II sind – das trifft auf 90 Prozent der Auszubildenden in der Pflege nicht zu.
Und auch wenn man untersucht, aus welchen Gründen Pflege-Auszubildende den Beruf verlassen, dann stellt man fest: Nicht allen kann durch ein Coaching geholfen werden. Im Review des BIBB wurden als Gründe für den Ausbildungsabbruch unter anderem genannt:
- falsche Vorstellungen vom Berufsbild
- Auszubildende als „Lückenbüßer“ eingesetzt
- unzureichende oder fehlende Praxisanleitung
- fehlende Einsatzorte
- hohe Belastung durch Unterbesetzung
- negatives Berufsbild, bzw. Image
An diesen Punkten kann das Coaching wenig ändern: Zwar hilft es sicherlich, wenn Auszubildende besser über ihnen zustehende Hilfen aufgeklärt werden. Aber die hohe Belastung in der Pflege und auch das schlechte Image des Berufs sind systemische Probleme, die seit langem bestehen – und die kein noch so gutes Coaching beheben kann.
Ausbildungsförderung schon lange Thema
Um mehr Menschen für die Pflege zu begeistern, wurden schon viele Maßnahmen umgesetzt. Eine davon war die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung, mit der Auszubildende mehr Einsatzmöglichkeiten haben. Laut dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) ist seitdem auch die Anzahl der Bewerber gestiegen.
Im Jahr 2019 startete die Ausbildungsoffensive Pflege des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sie läuft noch bis zum Abschluss des ersten vollständigen Ausbildungsjahrgangs Ende 2023 und soll die Ausbildungszahlen in der Pflege um 10 Prozent steigern.
Laut dem Zweiten Bericht der Ausbildungsoffensive Pflege, der im November 2022 veröffentlicht wurde, stiegen die Zahlen immerhin um sieben Prozent. Da gleichzeitig aber eine höhere Prozentzahl Auszubildender vorzeitig ausstieg, gab es netto trotzdem weniger Auszubildende.
Wie so oft sind also die Arbeitsbedingungen in der Pflege der entscheidende Punkt: Mehr Personal könnte zu weniger Stress führen – so bliebe auch mehr Zeit, die Auszubildenden anzuleiten und auf individuelle Fragen und Probleme einzugehen. Dann würden sich sicherlich auch mehr Pflegekräfte als begeisterte Fürsprecher des Berufs finden.