Die Versorgung von chronischen Wunden aus rechtlicher Sicht
Prof. Dr. Volker Großkopf: Die Versor­gung von chroni­schen Wunden aus recht­li­cher Sicht.

Der Status quo

Nur im Ausnah­me­fall – so die Tragen­den Gründe der HKP-Richt­li­nie – kann die Versor­gung der Wundpa­ti­en­ten auch von nicht spezia­li­sier­ten Pflege­diens­ten übernom­men werden. Diese Quali­täts­in­itia­tive wird mit der beson­de­ren Komple­xi­tät der Versor­gung von chroni­schen Wunden begrün­det. In den Tragen­den Gründen wird hierzu ausge­führt:

„Die Anfor­de­run­gen an die Wundver­sor­gung bei chroni­schen und schwer heilen­den Wunden sind so hoch, dass eine Versor­gung durch einen nicht spezia­li­sier­ten Leistungs­er­brin­ger grund­sätz­lich nicht ausrei­chend ist, um den Behand­lungs­er­folg – die Heilung oder die Vermei­dung einer Verschlim­me­rung der Wunde – zu sichern, da die Versor­gung von chroni­schen und schwer heilen­den Wunden regel­mä­ßig eine beson­dere pflege­fach­li­che Kompe­tenz voraus­setzt.“

Das neue Anfor­de­rungs­pro­fil der spezia­li­sier­ten Leistungs­er­brin­ger

Neben beson­de­ren struk­tu­rel­len Anfor­de­run­gen an die spezia­li­sier­ten Einrich­tun­gen und Regelun­gen hinsicht­lich der Zusam­men­ar­beit zwischen den Betei­lig­ten am Wundver­sor­gungs­pro­zess werden Mindest­in­halte der Wunddo­ku­men­ta­tion von der Leistungs­zif­fer 31a der HKP-Richt­li­nie vorge­ge­ben.

Die Anhebung des Quali­fi­ka­ti­ons­pro­fils der die Wunde versor­gen­den Pflege­fach­per­so­nen hat aller­dings zu einer aufge­reg­ten und kontro­ver­sen Diskus­sion im Felde geführt. Nach der Ansicht des höchs­ten Gremi­ums der Selbst­ver­wal­tung im Gesund­heits­we­sen – dem G‑BA – war die Anhebung des Quali­fi­ka­ti­ons­pro­fils der handeln­den Perso­nen notwen­dig, um eine sach- und fachge­rechte Wundver­sor­gung zu gewähr­leis­ten. So heißt es in den Tragen­den Gründen: „Die fachli­chen Anfor­de­run­gen sind nur gewähr­leis­tet, wenn die durch­füh­ren­den Pflege­fach­kräfte entspre­chende wundspe­zi­fi­sche Weiter­bil­dun­gen haben.“

Die Zusatz­qua­li­fi­ka­tion

Zur Sicher­stel­lung dieser beson­de­ren pflege­fach­li­chen Kompe­tenz müssen die an der Wundver­sor­gung betei­lig­ten Pflege­fach­per­so­nen neben ihrer Grund­qua­li­fi­ka­tion eine Zusatz­qua­li­fi­ka­tion im Umfang von 84 Unter­richts­ein­hei­ten nachwei­sen. § 6 der Rahmen­emp­feh­lung gemäß § 132a Absatz 1 SGB V führt die curri­cu­la­ren Anfor­de­run­gen hierzu auf.

Grund­sätz­lich ist diese Normie­rung dieses Quali­täts­stan­dards zu begrü­ßen. Aller­dings genügen die Ausbil­dungs­kurse zum „Wundex­per­ten ICW“, welche die meisten Wundbe­han­deln­den absol­viert haben, nicht dem gefor­der­ten zeitli­chen Ausbil­dungs­um­fang. Insoweit müssen sich nun tausende von „Wundex­per­ten“ nachqua­li­fi­zie­ren, um dem gefor­der­ten Quali­fi­ka­ti­ons­pro­fil zu entspre­chen. Trotz einer großzü­gig bemes­se­nen Übergangs­frist von 2 bis zu 4 Jahren hat dies zu Unmut bei den Wundbe­han­deln­den geführt. Im Zentrum ihrer Kritik steht die Frage, ob die bishe­ri­gen Ausbil­dungs­in­halte gegen­über dem neuen Anfor­de­rungs­pro­fil defizi­tär gewesen sind.

Die Fortbil­dungs­ver­pflich­tung

Eine weitere Anfor­de­rung ist der jährlich verpflich­tende Fortbil­dungs­um­fang von 10 Zeitstun­den. Die Fortbil­dun­gen sind am anerkann­ten Stand der medizi­ni­schen und pflege­ri­schen Wissen­schaft in der Wundver­sor­gung auszu­rich­ten und produkt­neu­tral zu gestal­ten. Die „Wundex­per­ten ICW“ kommen dieser jahres­zy­kli­schen Fortbil­dungs­ver­pflich­tung nach, indem sie „14 Rezer­ti­fi­zie­rungs­punkte ICW“ erwer­ben.

Alle Wundex­per­ten, die nicht in einem spezia­li­sier­ten Pflege­dienst zur Versor­gung von chroni­schen Wunden arbei­ten, können ihrer status­er­hal­ten­den Rezer­ti­fi­zie­rungs­pflicht mit wie bisher durch­schnitt­lich 8 Rezer­tit­fi­zie­rungs­punk­ten nachkom­men.

Neben den klassi­schen Präsenz­ver­an­stal­tun­gen können im Zeitraum von 5 Jahren 16 Rezer­ti­fi­zie­rungs­punkte auch durch zerti­fi­zierte E‑Lear­ning-Programme erbracht werden.

Hierdurch wird die zeitli­che und örtli­che Bindung des Wundver­sor­gungs­per­so­nals gelockert ohne Quali­täts­ein­bu­ßen in dem so notwen­di­gen Theorie-Praxis­trans­fer zu erlei­den.

Die Kosten­falle

Diese neuen Quali­täts­an­for­de­run­gen sind für die Einrich­tun­gen mit einem deutlich erhöh­ten Kosten­fak­tor verbun­den. Im Versor­gungs­all­tag zeigt sich, dass viele Pflege­dienste daher wundspe­zi­fi­sche Behand­lungs­maß­nah­men aus ihrem Portfo­lio strei­chen. An dieser Stelle ist drauf hinzu­wei­sen, dass die Versor­gung der Versi­cher­ten durch die Kranken­kas­sen sicher­ge­stellt werden muss. Die Kranken­kas­sen tragen den sogenann­ten Versor­gungs­auf­trag, welcher in § 2 Absatz 1 Satz 1 SGB V in Verbin­dung mit § 70 Absatz 1 SGB V manifes­tiert ist. So heißt es in § 2 Absatz 1 Satz 1 SGB V:

„Die Kranken­kas­sen stellen den Versi­cher­ten die im Dritten Kapitel genann­ten Leistun­gen unter Beach­tung des Wirtschaft­lich­keits­ge­bots (§12 SGB V) zur Verfü­gung, …“

Dieser inten­dierte Quali­täts­schub bei der Versor­gung chroni­scher Wunden darf daher NICHT NUR auf dem Rücken der Leistungs­er­brin­ger erfol­gen. Gute Arbeit muss sich lohnen!

Wenn die Versor­gung chroni­scher Wunden eine komplexe und schwie­rige Angele­gen­heit ist, wie dies in der HKP-Richt­li­nie und den die Richt­li­nie ergän­zen­den Tragen­den Gründen hervor­ge­ho­ben wird, sollte diese hochwer­tige Arbeit der Leistungs­er­brin­ger auch entspre­chend entlohnt werden. Nur so kann das Quali­täts­ni­veau auch in Zukunft gehal­ten werden.

Denn alle Protago­nis­ten im Gesund­heits­we­sen, seien es die Kranken­kas­sen, die Leistungs­er­brin­ger – Pflege­fach­per­so­nen oder Ärzte – sowie die Herstel­ler von Verband­mit­teln, haben ein Ziel: Die optimale Versor­gung der Patien­ten!