Die von der Bundesregierung von Anfang ihrer Regierungszeit an beabsichtigte größtenteilige Freigabe von Cannabis wird konkret: Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zur größtenteiligen Legalisierung von THC-Produkten wie Marihuana oder Haschisch verabschiedet.
Am Mittwoch stellte Bundes-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Entwurf bei einer Pressekonferenz in Berlin vor. Demzufolge soll Anbau und Besitz von Cannabis unter strengen Bestimmungen und Schutzvorkehrungen legal werden, für Minderjährige soll die Substanz weiterhin illegal bleiben.
Bei der Versorgung mit THC-haltigen Produkten setzt die Bundesregierung auf private, öffentlich kontrollierte Anbauvereinigungen oder ‑genossenschaften, sogenannten „Cannabis-Social-Clubs“. Eine Zustimmung im Bundestag kann als sicher gelten; der Bundesrat – wo die Ampelkoalition im Fall von Abstimmungen der Länder streng nach jeweiliger Parteilinie bei weitem keine eigene Mehrheit hat – sei laut Einschätzung Lauterbachs nicht zustimmungspflichtig.
„Das Cannabisgesetz markiert einen Wendepunkt einer leider gescheiterten Cannabis-Drogenpolitik“, wiederholte Lauterbach seine früheren Ausführungen zum Thema. „Ziel ist, den Schwarzmarkt und die Drogenkriminalität zurückzudrängen, das Dealen mit gestreckten oder toxischen Substanzen einzudämmen und die Konsumentenzahlen zu drücken.“
Für Jugendliche bleibe der Konsum verboten, für junge Erwachsene soll er nur bedingt möglich sein. „Diese Einschränkung ist notwendig, denn Cannabis schadet besonders dem noch wachsenden Gehirn. Um zu verhindern, dass Heranwachsende trotzdem konsumieren, starten wir bereits jetzt eine Aufklärungskampagne.“
Keinesfalls bedeute die Legalisierung eine Bagatellisierung des Konsums von THC-Produkten, betont Lauterbach weiter. „Niemand darf das Gesetz missverstehen. Cannabiskonsum wird legalisiert. Gefährlich bleibt er trotzdem.“
Ein Dutzend Regeln im neuen Gesetz
Aus zwölf Eckpunkten besteht das Gesetz: Demnach ist Erwachsenen der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zum Eigenkonsum erlaubt. Hierbei muss entsprechender Schutz vor dem Zugriff auf Cannabisprodukte durch Minderjährige oder unbefugte Dritte gewährleistet sein. Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis ist zukünftig straffrei.
Die zukünftig zu gründenden Anbauvereinigungen dürfen maximal 500 Mitglieder haben, die aktiv an der Anbauarbeit mitwirken müssen. Sie dürfen ihren angebauten Cannabis nur an Mitglieder weitergeben. Hierbei gelten Höchstmengen von bis zu 25 Gramm am Tag und maximal 50 Gramm im Monat. Das Ganze unter strengen Qualitätsvorgaben, gesichert durch behördliche Kontrolle.
Grundsätzlich darf Konsumcannabis nur in Reinform, also als Marihuana (Cannabisblüten) oder Haschisch (Harz), abgegeben werden.
Dem Jugendschutz und der Allgemeinprävention wird mit folgenden Bedingungen Rechnung getragen: Es gilt ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und für Anbauvereinigungen.
Zudem bestehen Konsumverbots-Zonen im Umkreis von 200 Metern zum Eingang von Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen und Kinderspielplätzen, sowie darüber hinaus auf öffentlich zugänglichen Sportstätten. Für Heranwachsende – Personen zwischen 18 und 21 Jahren – gilt eine reduzierte Abgabemenge von bis zu 30 Gramm pro Monat sowie eine Begrenzung des THC-Gehalts auf 10 Prozent.
Zudem soll es Präventionsmaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sowie in den Anbauvereinigungen geben, mit Information und Beratung durch Präventionsbeauftragte mit nachgewiesenen Sachkenntnissen und Kooperation mit lokalen Suchtberatungsstellen.
Bereits 2017 ist Cannabiskonsum in Deutschland ausschließlich zu medizinischen Zwecken unter strengen Auflagen erlaubt – denn Cannabis kann offenbar auch eine therapeutische Wirkung haben. Die Ampelkoalition hatte bereits in ihrer Koalitionsvereinbarung eine Liberaliserung des Cannabis-Konsums vereinbart. Insbesondere ist das Vorhaben eine Forderung der drei Jugendorganisationen der in der Bundesregierung vertretenen Parteien.
Deutschland würde damit zu den wenigen Staaten weltweit gehören, in denen der Konsum von Cannabis (weitgehend) legalisiert ist – hierzu gehören etwa Kanada, Mexiko, Uruguay, Luxemburg, Malta, Georgien, Südafrika, Thailand sowie einige Bundesstaaten und Territorien der USA und Australien. In weiteren Gebieten der Welt, darunter zahlreiche Staaten Mittel- und Südeuropas sowie Südamerikas, ist Cannabis zwar nicht legal, jedoch entkriminalisiert.
Die Argumente für das Für und Wider einer Cannabis-Freigabe hatten wir bereits Ende 2021 erörtert.
Sowohl Cannabis-Gegner als auch ‑Befürworter kritisieren Gesetzesentwurf
Kritik am Gesetzentwurf kommt von beiden Seiten – den Gegnern einer Legalisierung und den Befürwortern einer noch weitergehenden Freigabe. Vor allem von der oppositionellen Unionsfraktion im Bundestag wird Kritik laut. „Dieser Gesetzentwurf macht Deutschland unsicherer. Polizei- und Justizvertreter fürchten zurecht eine Ausweitung des kriminellen Schwarzmarkts.
Die Strafverfolgungsbehörden werden im Ergebnis nicht entlastet, sondern stärker belastet, denn das neue Gesetz enthält mehr als 50 alte und neue Straf- und Ordnungswidrigkeiten-Tatbestände“, so die Vize-Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz. Auch die „Anreize für einen erhöhten Cannabis-Konsum unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen“ seien höchst problematisch, die Altersgrenze mit 18 Jahren zu niedrig angesetzt, da die Entwicklung des Gehirns dann längst noch nicht abgeschlossen sei.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte vor allem die „schwammigen und irritierenden Interpretationsspielraum bietenden Formulierungen“ im neuen Gesetz. Ein derart unausgegorenes Gesetzesvorhaben werde ohne vehementen parlamentarischen Eingriff Konflikte zwischen Bevölkerung und Behörden schüren, unterstrich der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke.
Der jetzige Stand werde zu immensen Belastungen für die Polizei, die Justiz und andere beteiligte Behörden führen. „Das können wir uns angesichts der Personalknappheit und einbrechenden Bewerbendenzahlen nicht leisten.“
Wenngleich der Deutsche Hanfverband (DHV) die kommende größtenteilige Legalisierung dem Grunde nach natürlich begrüßt, kritisiert er vehement die Ausgestaltung des Gesetzentwurfs, vor allem das Klein-Klein der Regulierungen. So sei das Konsumverbot in Cannabis-Anbauclubs unrealistisch; die massiven Abstandsregelungen mache es den Vereinen unnötig schwer, geeignete Standorte für ihre Räume zu finden.
Diese Mindestabstände seien zudem nicht einhalt- und nachvollziehbar, da weder Konsumenten noch Polizei genau wissen könnten, ob sich innerhalb von 200 Metern vom eigenen Standort die bereits genannten schutzwürdigen Einrichtungen – Schulen, Kitas, Jugendzentren oder Spielplätze – finden ließen.
Zudem sei die Androhung von Strafen und Bußgeldern bei kleinen Überschreitungen völlig übertrieben, so der Verband. „Der Besitz von 25 Gramm ist vollkommen legal, für den Besitz von 26 Gramm drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe.
Für den Konsum im Abstand von 199 Metern von einer Schule drohen bis zu 100.000 Euro Bußgeld“, bringt er Beispiele hierfür. Zudem sei die Grenze von drei Pflanzen zum Eigenanbau zu niedrig; gleiches gelte für den maximalen Privatbesitz von 25 Gramm.