Nach dem negativen Votum der Caritas wird es keinen einheitlichen Branchentarifvertrag für die Altenpflege geben.
Nach dem negati­ven Votum der Caritas wird es keinen einheit­li­chen Branchen­ta­rif­ver­trag für die Alten­pflege geben.

Bis zu 25 Prozent mehr Gehalt für Berufs­ein­stei­ger in der Alten­pflege bis 2023 wären drin gewesen, wäre das Vorha­ben wahr gewor­den. Doch daraus wird nun nichts: Der Anlauf für den ersten Branchen­ta­rif­ver­trag in der Pflege ist am ableh­nen­den Votum des Deutschen Caritas­ver­bands geschei­tert. Er hätte flächen­de­ckend für sämtli­che Alten­pfle­ge­ein­rich­tun­gen in Deutsch­land gegol­ten, und damit eine verbind­li­che Einkom­mens­un­ter­grenze darge­stellt.

Den entspre­chen­den Vertrag hatten die Gewerk­schaft ver.di und die Bundes­ver­ei­ni­gung der Arbeit­ge­ber in der Pflege (BVAP), einer von drei Arbeit­ge­ber­ver­bän­den für die Pflege­bran­che, im Septem­ber 2020 ausge­han­delt. In diesem sind zahlrei­che Betriebe der Arbei­ter­wohl­fahrt (AWO) und des Arbei­ter-Samari­ter-Bundes (ASB) organi­siert, sowie die in den neuen Bundes­län­dern tätige Volks­so­li­da­ri­tät.

Der Vertrag sieht für exami­nierte Alten­pfle­ger und Alten­pfle­ge­rin­nen bis Januar 2023 eine schritt­weise Einkom­mens­er­hö­hung auf bis zu 18,50 Euro pro Stunde vor. Das Bundes­ar­beits­mi­nis­te­rium unter Führung von Huber­tus Heil (SPD) wollte diesen Vertrag nun für allge­mein­gül­tig in der Alten­pflege erklä­ren. Hierfür hätten jedoch auch – als große Arbeit­ge­ber in der Pflege – die katho­li­sche Caritas sowie die evange­li­sche Diako­nie zustim­men müssen.

Caritas-Gremium verwei­gerte die Zustim­mung zu Branchen­ta­rif­ver­trag

Dies schei­terte jedoch jetzt am negati­ven Votum des Caritas­ver­ban­des Deutsch­land, der mit rund 700.000 Beschäf­tig­ten größter privat­recht­li­cher Arbeit­ge­ber ist. Als solcher hat er bei einer Allge­mein­gül­tig­keits­er­klä­rung des Tarif­werks Mitspra­che­recht. In deren Arbeits­recht­li­cher Kommis­sion (ARK), mit je 31 Vertre­ter von Arbeit­ge­bern und Beschäf­tig­ten, kam die erfor­der­li­che Zwei-Drittel-Mehrheit nicht zustande.

Das genaue Abstim­mungss­ergeb­nis ist unter Verschluss. Aus Kreisen der Kommis­sion hieß es, vor allem die Arbeit­ge­ber­seite habe sich gegen einen Branchen­ta­rif­ver­trag gesperrt. Angesichts der voran­ge­gan­ge­nen Ableh­nung durch die Caritas hat die entspre­chende Arbeits­recht­li­che Kommis­sion der Diako­nie gar keinen Beschluss mehr gefasst.

Somit wird es den flächen­de­cken­den Vertrag für die gesamte Alten­pflege – zumin­dest vorerst und bis auf Weite­res – nicht geben. Statt­des­sen bildet weiter­hin der Branchen­min­dest­lohn für die Pflege die Einkom­mens­un­ter­grenze. Dieser liegt ab April bei 12,50 Euro pro Stunde für Pflege­kräfte mit mindes­tens einjäh­ri­ger Ausbil­dung. In den neuen Bundes­län­dern beträgt dieser Satz zunächst 12,20 Euro, erst ab Septem­ber 12,50 Euro. Für Pflege­fach­kräfte wird es ab Juli einen bundes­ein­heit­li­chen Mindest­lohn von 15 Euro geben.

Der Präsi­dent des Deutschen Caritas­ver­ban­des, Peter Neher, erklärte das negative Votum des Caritas-inter­nen Gremi­ums mit der Sorge, dass sich die Bedin­gun­gen für Alten­pfle­ge­kräfte durch den neuen Vertrag nicht verbes­ser­ten, sondern verschlech­ter­ten. Nämlich wenn der allge­mein­ver­bind­li­che Vertrag zum Standard in der Bezah­lung würde und Einrich­tun­gen, die besser zahlen, unter Recht­fer­ti­gungs­druck gerie­ten – also eine Art Anpas­sung nach unten statt­fände. „Die aller­meis­ten Pflege­kräfte verdie­nen bei der Caritas um einiges mehr, als der Tarif­ver­trag festge­legt hätte. Unsere Einrich­tun­gen und Träger befürch­ten, dass die Kosten­trä­ger sich künftig am Tarif­ver­trag Alten­pflege als Norm orien­tie­ren und die Mehrkos­ten der Einrich­tun­gen nicht mehr refinan­zie­ren, die höhere Entgelte zahlen. Wir wollen aber weiter­hin gute Löhne zahlen“, führte Neher aus.

Bochu­mer­Bund: „Der Pflege großen Schaden zugefügt“

„Mit ihrer Ableh­nung hat die Caritas der Pflege großen Schaden zugefügt“, kriti­sierte dagegen Benja­min Jäger, Vorstands­vor­sit­zen­der des Bochu­mer­Bun­des. „Eine große Chance für die Beschäf­tig­ten in der Alten­pflege wurde vertan.“ Nun seien die Gewerk­schaf­ten weiter­hin gezwun­gen, für jeden einzel­nen Träger einen entspre­chen­den Vertrag abzuschlie­ßen. Er vermu­tete, dass der eigent­li­che Grund für die Ableh­nung sei, dass das kirch­li­che Arbeits­recht mit seinen eigenen Regeln um jeden Preis geschützt bleiben solle. In diesem sind unter anderem Streiks nicht zuläs­sig.

„Dass ausge­rech­net eine kirch­li­che Kommis­sion den Antrag auf Verbind­lich­keit schei­tern lässt, ist sehr schmerz­haft“, bilan­zierte Gero Kettler, Sprecher des BVAP-Vorstands. Der Pflege­be­ruf verdiene bessere Arbeits­be­din­gun­gen. „Klatschen allein genügt nicht. Die BVAP hat hierauf als breites Bündnis von gemein­nüt­zi­gen, priva­ten und öffent­li­chen Trägern eine starke Antwort gegeben.“ Es sei „ein schlech­ter Tag für die Pflege und ein bitte­rer Tag für die Pflegen­den“, gab sich auch Bundes­ar­beits­mi­nis­ter Huber­tus Heil enttäuscht.

AGVP und bpa: „Dem Himmel sei Dank, dass die Caritas diesen Spuk gestoppt hat“

Die beiden konkur­rie­ren­den Pflege-Arbeit­ge­ber­ver­bände AGVP und der Bundes­ver­band priva­ter Anbie­ter sozia­ler Dienste (bpa), in denen privat­recht­li­che Träger von Pflege­ein­rich­tun­gen organi­siert sind, begrüß­ten dagegen das Schei­tern des Anlaufs für einen flächen­de­cken­den Branchen­ta­rif­ver­trag. „Dem Himmel sei Dank, dass die Caritas diesen Spuk gestoppt hat“, so Thomas Greiner, Präsi­dent des AGVP. Denn vor allem für die Mitglieds­be­triebe in den neuen Bundes­län­dern, sowie für die Bewoh­ner und deren Angehö­rige, wäre die Tarif­stei­ge­rung kaum zu verkraf­ten gewesen.

Quelle: NDR, Tages­schau, Bochu­mer­Bund, caritas.de, tarifvertrag-in-der-pflege.de, zeit.de