Toilettengang
Der Toilet­ten­gang stellt gerade für ältere Menschen mitun­ter eine große Heraus­vor­de­rung dar – von Pflege­fach­kräf­ten ist deshalb Geduld und Mitge­fühl gefor­dert. Bild: © Chormail | Dreamstime.com

Toilet­ten­as­sis­tenz: wichtig für die Würde der Bewoh­ner

Im Pflege-Alltag kann es schon mal stres­sig werden – aller­dings sollten Pflege­fach­kräfte das nie an ihren Patien­tin­nen und Patien­ten auslas­sen. So gesche­hen in einer statio­nä­ren Alten­pfle­ge­ein­rich­tung beim Toilet­ten­gang eines Bewoh­ners.

In ihrer Spätschicht beglei­tete eine Pflege­fach­kraft einen Bewoh­ner auf Toilette, um ihn eigent­lich zu unter­stüt­zen. Toilet­ten­as­sis­tenz gehört zum norma­len Aufga­ben­be­reich in der Pflege und ist gerade für ältere Patien­tin­nen und Patien­ten unerläss­lich. Sie sind meist nicht mehr so mobil wie früher, was das Hinset­zen und Aufste­hen zu einem echten Kraft­akt machen kann. Nicht selten endet der Toilet­ten­gang für ältere Pflege­heim­be­woh­ner deshalb mit einem Sturz.

Auch kogni­tive Beein­träch­ti­gun­gen wie Demenz führen dazu, dass Betrof­fene die Toilette nicht finden oder den Ablauf nicht alleine meistern können. Viele leiden zudem an Inkon­ti­nenz und brauchen Hilfe bei der Hygiene und dem Wechsel von Vorla­gen. Letzt­lich soll durch die Hilfe der Pflege­fach­kräfte die Würde der Menschen im Alltag gewahrt und die Sicher­heit sowie Sauber­keit sicher­ge­stellt werden.

Pflege­kraft ging Toilet­ten­gang nicht schnell genug

Dieses Ziel hat die Pflege­fach­kraft beim Toilet­ten­gang aller­dings deutlich verfehlt. Statt dem Bewoh­ner eine hilfrei­che Stütze zu sein, setzte sie ihn unter Druck und drängte ihn, weil es ihr nicht schnell genug ging. Nach dem Vorfall wirkte der Bewoh­ner auf die anderen Mitar­bei­ten­den im Dienst ängst­lich und verstört.

Damit sich sowas beim Toilet­ten­gang von Bewoh­nern nicht wieder­holt, wurde der Fall im Pflege-CIRS (Criti­cal Incident Report­ing System) des Zentrum für Quali­tät in der Pflege (ZQP) gemel­det. Aus der Diskus­sion gehen einige Handlungs­emp­feh­lun­gen für Pflege­fach­kräfte hervor.

Was ist das Pflege-CIRS?

Das Pflege-CIRS ist ein anony­mes, webba­sier­tes Berichts- und Lernsys­tem für profes­sio­nell Pflegende in der Langzeit­pflege, das vom Zentrum für Quali­tät in der Pflege (ZQP) entwi­ckelt wurde. Es ermög­licht das freiwil­lige Melden kriti­scher Ereig­nisse wie Pflege­feh­ler oder Gewalt­si­tua­tio­nen, um daraus gemein­sam zu lernen. Das Ziel ist, die Sicher­heits­kul­tur zu stärken, Wieder­ho­lun­gen zu vermei­den und die Pflege­si­cher­heit zu verbes­sern. Das Angebot ist kosten­frei, ohne Anmel­dung nutzbar und wird von verschie­de­nen Pflege­ver­bän­den unter­stützt.

Druck­aus­übung als psychi­sche Gewalt?

Auch das ZQP weist ausdrück­lich auf die negati­ven Folgen des Druck­aus­übens beim Toilet­ten­gang hin. Druck könne Angst und Stress verur­sa­chen, was sich auf die Gesund­heit des Patien­ten auswirke. Durch den Stress könne zudem das Verlet­zungs-Risiko, etwa durch Stürze, steigen. Nicht zuletzt könne der Patient den Druck als psychi­sche Gewalt empfin­den.

Da im vorlie­gen­den Fall nicht weiter ausge­führt wurde, inwie­fern die Pflege­fach­kraft Druck auf den Bewoh­ner ausübte, kann keine genaue recht­li­che Einord­nung der Tat vorge­nom­men werden. In Bezug auf die vom ZQP vorge­brachte Anwen­dung von psychi­scher Gewalt lässt sich folgen­des sagen:

Straf­recht­li­che Konse­quen­zen aufgrund von psychi­scher Gewalt sind im Rahmen einer Nötigung (§ 240 StGB) denkbar. Mit Freiheits­strafe wird derje­nige bestraft, der durch Gewalt oder Drohung jeman­den zu einer Handlung, Duldung oder Unter­las­sung nötigt. Während in der Recht­spre­chung als Gewalt lange nur die physi­sche Zwangs­wir­kung auf das Opfer bezeich­net wurde, ist mittler­weile hiermit auch ein allein psychi­scher Zwang gemeint, der beim Opfer entste­hen kann[1].

Wahrschein­li­cher sind im vorlie­gen­den Fall aber eher arbeits­recht­li­che Konse­quenz in Form einer Abmah­nung oder Kündi­gung. Eine solche ist unter anderem denkbar, wenn die Pflege­fach­kraft gegen ihre Pflich­ten im Verhal­tens­be­reich verstößt. Bei steuer­ba­rem Verhal­ten – wie hier der Fall – kann die Wieder­her­stel­lung des Vertrau­ens­ver­hält­nis­ses erwar­tet werden, weshalb immer zuerst eine Abmah­nung erfor­der­lich ist. Verbes­sert sich das Verhal­ten jedoch nicht, kann auch die Kündi­gung erfol­gen[2].

Richti­ger Umgang mit Pflicht­ver­let­zung

Aller­dings sollte das Verhal­ten der Pflege­fach­kraft nicht nur im Nachhin­ein sanktio­niert werden. Schon während des Vorfalls und unmit­tel­bar danach, sollten Kolle­gin­nen und Kolle­gen eingrei­fen.

Nach den Empfeh­lun­gen des ZQP ist es in einer kriti­schen Situa­tion wichtig, dem Kolle­gen oder der Kolle­gin deutlich und respekt­voll zu signa­li­sie­ren, dass kein Druck auf die pflege­be­dürf­tige Person ausge­übt werden soll – etwa durch ein Handzei­chen oder ein klares Wort wie „Stopp“.

Gleich­zei­tig sollte aktiv Unter­stüt­zung angebo­ten und, wenn nötig, die Aufgabe übernom­men werden. Die pflege­be­dürf­tige Person braucht in solchen Momen­ten vor allem Sicher­heit, Verständ­nis und die Ermuti­gung, in ihrem eigenen Tempo weiter­zu­ma­chen.

Im Anschluss empfiehlt sich ein zeitna­hes Vier-Augen-Gespräch, in dem die Beobach­tung sachlich geschil­dert und offen nach Hinter­grün­den gefragt wird, ohne Vorwürfe zu formu­lie­ren. Eine sorgfäl­tige Dokumen­ta­tion des Vorfalls mit Fokus auf Situa­tion, Reaktion und Maßnah­men ist unerläss­lich. Abschlie­ßend sollte das Ereig­nis bei der Dienst­über­gabe sachlich berich­tet werden, wobei die Perspek­tive der pflege­be­dürf­ti­gen Person und die ergrif­fe­nen Schritte im Mittel­punkt stehen.

Präven­tion solcher Situa­tio­nen

Damit ein solcher Vorfall gar nicht erst entsteht, gibt es vom ZQP ebenfalls einige Tipps. Um Situa­tio­nen wie im vorlie­gen­den Fall zu vermei­den, sollten Arbeits­ab­läufe regel­mä­ßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden, um Stress gezielt zu reduzie­ren – beson­ders bei knapper Perso­nal­de­cke ist eine struk­tu­rierte Aufga­ben­ver­tei­lung im Team essen­zi­ell.

Klare Verhal­tens­re­geln im Umgang mit Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­nern sowie bei schwie­ri­gen Situa­tio­nen fördern zudem die Handlungs­si­cher­heit und können im Rahmen von Teambe­spre­chun­gen oder Quali­täts­zir­keln verein­bart werden. Wichtig ist auch, den eigenen Stress frühzei­tig zu erken­nen, bewusst innezu­hal­ten und gegebe­nen­falls kurz Abstand zur Situa­tion zu gewin­nen.

Auffäl­li­ges oder unange­mes­se­nes Verhal­ten sollte nicht bagatel­li­siert, sondern unter­stüt­zend und lösungs­ori­en­tiert angespro­chen werden – auch dann, wenn es um das eigene Befin­den oder das von Kolle­gin­nen und Kolle­gen geht. Frühzei­tige Gesprä­che mit Vorge­setz­ten über Überlas­tung ermög­li­chen gemein­same Maßnah­men zur Entlas­tung. Nicht zuletzt helfen Schulun­gen zur Konti­nenz­för­de­rung und regel­mä­ßige Teamge­sprä­che über belas­tende Ereig­nisse.

Quellen:

  1. Fischer, Thomas (2001): Straf­ge­setz­buch und Neben­ge­setze (50. Aufl). C.H. Beck, S. 1380.
  2. Besgen, Nicolai (2010): Kranken­haus-Arbeits­recht Handbuch. C. H. Beck.