
Toilettenassistenz: wichtig für die Würde der Bewohner
Im Pflege-Alltag kann es schon mal stressig werden – allerdings sollten Pflegefachkräfte das nie an ihren Patientinnen und Patienten auslassen. So geschehen in einer stationären Altenpflegeeinrichtung beim Toilettengang eines Bewohners.
In ihrer Spätschicht begleitete eine Pflegefachkraft einen Bewohner auf Toilette, um ihn eigentlich zu unterstützen. Toilettenassistenz gehört zum normalen Aufgabenbereich in der Pflege und ist gerade für ältere Patientinnen und Patienten unerlässlich. Sie sind meist nicht mehr so mobil wie früher, was das Hinsetzen und Aufstehen zu einem echten Kraftakt machen kann. Nicht selten endet der Toilettengang für ältere Pflegeheimbewohner deshalb mit einem Sturz.
Auch kognitive Beeinträchtigungen wie Demenz führen dazu, dass Betroffene die Toilette nicht finden oder den Ablauf nicht alleine meistern können. Viele leiden zudem an Inkontinenz und brauchen Hilfe bei der Hygiene und dem Wechsel von Vorlagen. Letztlich soll durch die Hilfe der Pflegefachkräfte die Würde der Menschen im Alltag gewahrt und die Sicherheit sowie Sauberkeit sichergestellt werden.
Pflegekraft ging Toilettengang nicht schnell genug
Dieses Ziel hat die Pflegefachkraft beim Toilettengang allerdings deutlich verfehlt. Statt dem Bewohner eine hilfreiche Stütze zu sein, setzte sie ihn unter Druck und drängte ihn, weil es ihr nicht schnell genug ging. Nach dem Vorfall wirkte der Bewohner auf die anderen Mitarbeitenden im Dienst ängstlich und verstört.
Damit sich sowas beim Toilettengang von Bewohnern nicht wiederholt, wurde der Fall im Pflege-CIRS (Critical Incident Reporting System) des Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) gemeldet. Aus der Diskussion gehen einige Handlungsempfehlungen für Pflegefachkräfte hervor.
Was ist das Pflege-CIRS?
Das Pflege-CIRS ist ein anonymes, webbasiertes Berichts- und Lernsystem für professionell Pflegende in der Langzeitpflege, das vom Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) entwickelt wurde. Es ermöglicht das freiwillige Melden kritischer Ereignisse wie Pflegefehler oder Gewaltsituationen, um daraus gemeinsam zu lernen. Das Ziel ist, die Sicherheitskultur zu stärken, Wiederholungen zu vermeiden und die Pflegesicherheit zu verbessern. Das Angebot ist kostenfrei, ohne Anmeldung nutzbar und wird von verschiedenen Pflegeverbänden unterstützt.
Druckausübung als psychische Gewalt?
Auch das ZQP weist ausdrücklich auf die negativen Folgen des Druckausübens beim Toilettengang hin. Druck könne Angst und Stress verursachen, was sich auf die Gesundheit des Patienten auswirke. Durch den Stress könne zudem das Verletzungs-Risiko, etwa durch Stürze, steigen. Nicht zuletzt könne der Patient den Druck als psychische Gewalt empfinden.
Da im vorliegenden Fall nicht weiter ausgeführt wurde, inwiefern die Pflegefachkraft Druck auf den Bewohner ausübte, kann keine genaue rechtliche Einordnung der Tat vorgenommen werden. In Bezug auf die vom ZQP vorgebrachte Anwendung von psychischer Gewalt lässt sich folgendes sagen:
Strafrechtliche Konsequenzen aufgrund von psychischer Gewalt sind im Rahmen einer Nötigung (§ 240 StGB) denkbar. Mit Freiheitsstrafe wird derjenige bestraft, der durch Gewalt oder Drohung jemanden zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Während in der Rechtsprechung als Gewalt lange nur die physische Zwangswirkung auf das Opfer bezeichnet wurde, ist mittlerweile hiermit auch ein allein psychischer Zwang gemeint, der beim Opfer entstehen kann[1].
Wahrscheinlicher sind im vorliegenden Fall aber eher arbeitsrechtliche Konsequenz in Form einer Abmahnung oder Kündigung. Eine solche ist unter anderem denkbar, wenn die Pflegefachkraft gegen ihre Pflichten im Verhaltensbereich verstößt. Bei steuerbarem Verhalten – wie hier der Fall – kann die Wiederherstellung des Vertrauensverhältnisses erwartet werden, weshalb immer zuerst eine Abmahnung erforderlich ist. Verbessert sich das Verhalten jedoch nicht, kann auch die Kündigung erfolgen[2].
Richtiger Umgang mit Pflichtverletzung
Allerdings sollte das Verhalten der Pflegefachkraft nicht nur im Nachhinein sanktioniert werden. Schon während des Vorfalls und unmittelbar danach, sollten Kolleginnen und Kollegen eingreifen.
Nach den Empfehlungen des ZQP ist es in einer kritischen Situation wichtig, dem Kollegen oder der Kollegin deutlich und respektvoll zu signalisieren, dass kein Druck auf die pflegebedürftige Person ausgeübt werden soll – etwa durch ein Handzeichen oder ein klares Wort wie „Stopp“.
Gleichzeitig sollte aktiv Unterstützung angeboten und, wenn nötig, die Aufgabe übernommen werden. Die pflegebedürftige Person braucht in solchen Momenten vor allem Sicherheit, Verständnis und die Ermutigung, in ihrem eigenen Tempo weiterzumachen.
Im Anschluss empfiehlt sich ein zeitnahes Vier-Augen-Gespräch, in dem die Beobachtung sachlich geschildert und offen nach Hintergründen gefragt wird, ohne Vorwürfe zu formulieren. Eine sorgfältige Dokumentation des Vorfalls mit Fokus auf Situation, Reaktion und Maßnahmen ist unerlässlich. Abschließend sollte das Ereignis bei der Dienstübergabe sachlich berichtet werden, wobei die Perspektive der pflegebedürftigen Person und die ergriffenen Schritte im Mittelpunkt stehen.
Prävention solcher Situationen
Damit ein solcher Vorfall gar nicht erst entsteht, gibt es vom ZQP ebenfalls einige Tipps. Um Situationen wie im vorliegenden Fall zu vermeiden, sollten Arbeitsabläufe regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden, um Stress gezielt zu reduzieren – besonders bei knapper Personaldecke ist eine strukturierte Aufgabenverteilung im Team essenziell.
Klare Verhaltensregeln im Umgang mit Bewohnerinnen und Bewohnern sowie bei schwierigen Situationen fördern zudem die Handlungssicherheit und können im Rahmen von Teambesprechungen oder Qualitätszirkeln vereinbart werden. Wichtig ist auch, den eigenen Stress frühzeitig zu erkennen, bewusst innezuhalten und gegebenenfalls kurz Abstand zur Situation zu gewinnen.
Auffälliges oder unangemessenes Verhalten sollte nicht bagatellisiert, sondern unterstützend und lösungsorientiert angesprochen werden – auch dann, wenn es um das eigene Befinden oder das von Kolleginnen und Kollegen geht. Frühzeitige Gespräche mit Vorgesetzten über Überlastung ermöglichen gemeinsame Maßnahmen zur Entlastung. Nicht zuletzt helfen Schulungen zur Kontinenzförderung und regelmäßige Teamgespräche über belastende Ereignisse.
Quellen:
- Fischer, Thomas (2001): Strafgesetzbuch und Nebengesetze (50. Aufl). C.H. Beck, S. 1380.
- Besgen, Nicolai (2010): Krankenhaus-Arbeitsrecht Handbuch. C. H. Beck.