Pflegekammer Niedersachsen vor Auflösung
Das Ergebnis der Online-Umfrage des niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung unter den Mitgliedern der Pflegekammer Niedersachsen ist Anfang dieser Woche präsentiert worden.
Von den 78.000 teilnahmeberechtigten Pflegekräften haben jedoch nur 15.100, also lediglich 19 Prozent der angeschriebenen Fachkräfte an der Befragung teilgenommen. Mit dem Ergebnis, dass 70,6 % der Antwortenden gegen einen Fortbestand der Pflegekammer Niedersachsen gestimmt haben. Die Pflegekammer steht damit vor dem Aus.
Votum für Landesregierung bindend
Sozial- und Gesundheitsministerin Niedersachsens, Carola Reimann (SPD), gab den Niedergang der Kammer am Montag bekannt. Man wolle ein entsprechendes Gesetz zur Kammerauflösung umgehend in die Wege leiten. Das Ergebnis sei eindeutig, die Pflegekammer sei, dem Voting nach zu urteilen, nicht die Form der Vertretung, die sich die niedersächsischen Pflegepersonen wünschen würden, so Reimann. Neben der Auflösung der Kammer sollen alsbald auch die gezahlten Mitgliedsbeiträge aus den Jahren 2018 und 2019 zurückgezahlt werden.
Zwar könne man nach aktuellem Kenntnisstand noch keine handfesten Gründe für das Scheitern der Pflegekammer festmachen, laut Reimann sei es der Kammer auf Dauer jedoch nicht gelungen, sich als Sprachrohr des Pflegeberufs in Niedersachsen zu etablieren.
Das Ministerium sicherte zu, dem niedersächsischen Pflegepersonal in Zukunft mehr Gehör schenken zu wollen als dies bisher der Fall war. Mit der Konzertierten Aktion Pflege habe man einen ersten Schritt getan, um die Situation der Pflegekräfte im Land zu verbessern. Dieses Ziel stehe auch in Zukunft ganz oben auf der politischen Agenda.
Kammer wehrt sich gegen Beschluss
So einfach will man den Beschluss auf Seiten der Pflegekammer jedoch nicht hinnehmen. Angesichts der äußerst geringen Umfragepartizipation sei eine Auflösung durch das Ministerium „rechtlich mehr als fragwürdig“, betonte Kammerpräsidentin Nadya Klarmann in einer Mitteilung. Das Ergebnis stelle keine valide Entscheidungsgrundlage gegen die Pflegekammer Niedersachsen dar, insgesamt stimmten nur 13,7 Prozent aller Stimmberechtigten gegen ein Fortbestehen der Kammer. Um einen gesetzlichen Auftrag durch einen Volksentscheid durchführen zu können, benötige es jedoch die Zustimmung von mindestens 25 Prozent aller Wahlbeteiligten.
Im Interesse der Pflegekräfte müsse die Arbeit der Pflegekammer weiterhin fortgesetzt und weiter ausgebaut werden. Man habe seit Mitte 2018 zahlreiche Projekte und Aufträge erfolgreich realisiert und umgesetzt, auch während der Coronapandemie. Nadya Klarmann fordert von der Landespolitik die notwendige Zeit, um ihren gesetzlichen Auftrag weiter zu erfüllen. Den Berufsstand der Pflege in eine selbstverwaltete Autonomie zu führen, benötige mehr als zwei Jahre. Pflege dürfe nicht auf stumm geschaltet werden. Die systemrelevante Berufsgruppe der Pflegekräfte brauche weiterhin eine starke Stimme, die ihre Interessen vertritt, so die Präsidentin.
Die Pflegekammer ist seit Jahren umstritten. Die Meinungen gehen auch nach dem Beschluss auseinander. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Niedersachsen begrüßt den Entschluss der Ministerin und bezeichnet die Pflegekammer im Nachgang als „Irrweg“. Der Deutsche Pflegerat (DPR) wiederum schließt sich der Auffassung der Kammer an und spricht von politischem Versagen der Landesregierung.
Wie dem auch sei – durch die demokratische Befragung des Pflegepersonals scheint dem Dauerkonflikt um die Kammer nun ein Ende gesetzt zu sein – oder nicht? Man darf gespannt sein, ob sich die Kammer womöglich mit rechtlichen Schritten gegen den Beschluss der Auflösung wehren wird.
Quelle: Niedersächsische Staatskanzlei, Pfegekammer Niedersachsen, DGB Niedersachsen, Deutscher Pflegerat